Hamburg. Sturmjuwel trifft auch bei seinem Startelf-Debüt und hilft Gisdol. Schiedsrichter gibt Fehler zu. Kostic und Diekmeier wie aufgedreht.

Es war – zumindest extern – zum Schicksalsspiel für Markus Gisdol ausgerufen worden, und die Mannschaft hat ihrem Trainer vorerst den Job gerettet: Dank eines 3:1 (1:0)-Sieges gegen den VfB Stuttgart hat der HSV am elften Spieltag der Fußball-Bundesliga den Relegationsplatz wieder an den SC Freiburg abgegeben. Es war gleichzeitig der erste dreifache Punktgewinn nach zuvor acht vergeblichen Versuchen und als zusätzliches Bonbon der 500. Heimsieg in der Hamburger Bundesligageschichte.

Apropos Geschichte: Die hat am Sonnabend erneut Fiete Arp fortgeschrieben. Der 17 Jahre alte Stürmer traf bei seinem Startelf-Debüt nur eine Woche nach seinem Premierentreffer erneut ins Schwarze. Er ist damit nach Christian Pulisic und Timo Werner nun der drittjüngste Spieler im deutschen Oberhaus mit zwei Toren. Und sein Erfolg in der 69. Minute war ein Treffer im Stile eines Klassestürmers: Nach einem Anspiel von Dennis Diekmeier umdribbelte Arp im Strafraum gleich zwei Gegenspieler und setzte den Ball dann mit rechts in die linke Ecke.

Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen

1. Nuri Sahin/Borussia Dortmund

17 Jahre, 2 Monate und 21 Tage

2. Julian Draxler/Schalke 04

17 Jahre, 6 Monate und 12 Tage

3. Timo Werner/VfB Stuttgart

17 Jahre, 6 Monate und 16 Tage

4. Christian Pulisic/Borussia Dortmund

17 Jahre, 6 Monate und 30 Tage

5. Lars Ricken/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 1 Tag

6. Ibrahim Tanko/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 7 Tage

7. Jann-Fiete Arp/Hamburger SV

17 Jahre, 9 Monate und 22 Tage

8. Kai Havertz/Bayer Leverkusen

17 Jahre, 9 Monate und 25 Tage

9. Mark-Andre Kruska/Borussia Dortmund

17 Jahre, 10 Monate und 22 Tage

10. Rüdiger Abramczik/Schalke 04

17 Jahre, 10 Monate und 25 Tage

1/10

Kostic feuert aus allen Lagen

Es war nur vier Minuten nach dem erneuten Führungstreffer durch den abschlussfreudigen Filip Kostic (insgesamt fünf Torschüsse) die endgültige Entscheidung in einem Spiel, das furios begonnen hatte: Erst rettete Torhüter Christian Mathenia im Eins-zu-Eins gegen Daniel Ginczek (3.), zehn Minuten später agierte der HSV dann plötzlich in Überzahl. Zur Verwunderung vieler der 54.976 Zuschauer zeigte Schiedsrichter Guido Winkmann dem Stuttgarter Dzenis Burnic nach einem Einsteigen gegen Aaron Hunt Gelb-Rot. "Es war noch nicht einmal ein Foul. Ein Skandal, eine Frechheit. Der Schiedsrichter hat kein Fingerspitzengefühl bewiesen, gar nichts", echauffierte sich VfB-Teammanager Günther Schäfer in der Halbzeitpause.

Die HSV-Profis in der Einzelkritik

Und der Schiedsrichter selbst stellte sich nach dem Spiel der Szene. "Ich habe heute einen Fehler gemacht", sagte Winkmann bei Sky. Burnic sei seiner Wahrnehmung nach rücksichtslos gegen Hunt eingestiegen, weshalb er sich nach Abwarten eines möglichen Vorteils zur zweiten Gelben Karte für den Stuttgarter Mittelfeldspieler entschied. Eine Entscheidung, die der Polizist nach erneuter Ansicht nach Abpfiff revidierte: "Die Fernsehbilder geben es nicht her, die Gelb-Rote Karte war nicht richtig."

Der Platzverwies hat eine Rolle gespielt, weil sich die Stuttgarter weit zurückziehen mussten", gestand Hamburgs Sportchef Jens Todt, während Gisdol befand: "Wir waren auch davor schon gut im Spiel."

Die Höhepunkte des Spiels

3. Minute

Mathenia bewahrt den HSV vor dem frühen Rückstand! Der Torhüter behält im Eins-zu-Eins gegen Ginczek die Nerven und lenkt den Ball zur Ecke. Der Stuttgarter Angreifer hatte sich zuvor gegen den in dieser Situation indisponierten Papadopoulos durchgesetzt.

8. Minute

Erste echte Chance für den HSV: Kostic flankt von links in den Sechzehner. Dort Hunt kommt an den Ball, doch der Schuss wird zur Ecke geblockt.

13. Minute

Der HSV spielt in Überzahl! Schiedsrichter Winkmann schickt Stuttgarts Burnic nach wiederholtem Foulspiel mit Gelb-Rot vom Platz. Allerdings sind bei der Attacke gegen Hunt Zweifel angebracht. "Es ist keine Szene für den Video-Schiedsrichter, er hat da keine Handhabe, etwas zu machen", urteilt Experte Gagelmann bei Sky.

20. Minute

TOOOOOOOOOR für den HSV – 1:0! Was für ein Torwartfehler von Zieler, aber dem HSV kann es egal sein: Hunt zirkelt einen Freistoß rund 20 Meter vor dem Tor um die Stuttgarter Mauer. Zieler hat den auf die von ihm aus gesehene Ecke getretenen Ball eigentlich sicher, lässt ihn aber doch noch durchflutschen – mit Hilfe des Pfostens trudelt das Leder schließlich ins Tor.

26. Minute

Da ist Arp: Es ist bei Weitem nicht das erste Lebenszeichen des 17-Jährigen, aber seine erste Chance. Der Youngster behauptet im Strafraum den Ball, dreht sich und zieht ab – allerdings genau auf Zieler, der das Spielgerät wegfausten kann.

28. Minute

Diekmeier verpasst sein allererstes Bundesligator! Der Rechtsverteidiger kommt im Sechzehner nach Rückpass von Kostic völlig frei zum Abschluss, schießt aber ebenfalls zu zentriert, sodass Zieler abwehren kann.

41. Minute

Erste Abschluss von Kostic gegen seine Ex-Kollegen – und wiederholt wirkt Zieler äußert unsicher. Der Stuttgarter Keeper kann den aus der Zentrale abgegeben Schuss nur abklatschen lassen.

45. Minute

Doppelchance für den HSV: Erst holt Sakai mit einem Torschuss eine Ecke heraus, im Anschluss an diese wird auch Itos Versuch vereitelt. Doch einen weiteren Eckball gibt es nicht mehr – stattdessen den Halbzeitpfiff.

55. Minute

Tor für Stuttgart – 1:1. Ginczek trifft per Strafstoß, bei dem er Mathenia in die rechte Ecke verlädt. Vorausgegangen war ein Handspiel Diekmeiers im Duell mit dem späteren Torschützen, das Schiedsrichter Winkmann allerdings erst nach Videobeweis erkennt.

65. Minute

TOOOOOOOOOR für den HSV – 2:1! Die erneute Führung fällt nach einem schönen Spielzug über Hunt und Diekmeier, der von rechts

69. Minute

TOOOOOOOOOR für den HSV – 3:1! Arp, Arp, Arp! Der Youngster legt nach – im Stile eines Klassestürmers. Diekmeier spielt Arp an, der Pavard düpiert und dann auch noch Baumgartl umdribbelt. Aus 13 Metern findet sein Rechtsschuss mit Hilfe des linken Pfosten den Weg ins Tor.

73. Minute

Kostic um ein Haar mit seinem zweiten Treffer, doch Zieler reißt bei dem Distanzknaller erfolgreich die Fäuste hoch.

76. Minute

Und erneut Kostic, der nach feinem Zuspiel des eingewechselten Waldschmidt alleine vor Zieler auftaucht, diesen jedoch anschießt, statt querzulegen.

77. Minute

Kostic mit seinem fünften (!) Torschuss – diesmal wackelt immerhin das Außennetz.

81. Minute

Diesmal wird Hunts Freistoß abgefälscht, Zieler faustet den Ball zur Ecke.

1/15

Zieler schätzt Hunt falsch ein

Noch besser ins Spiel brachte den HSV Hunt: In der 20. Minute zirkelte der Routinier, der wie die jungen Tatsuya Ito und eben Arp gegenüber der 0:2-Niederlage in der Vorwoche in Berlin in die Startelf rotiert war, einen Freistoß aus gut 25 Metern links an der Mauer vorbei aufs Tor. Und dort ließ sich Schlussmann Ron-Robert Zieler zu einem Riesenpatzer hinreißen, indem er den Ball durch die Finger an den Pfosten flutschen ließ, von wo aus er den Weg ins Netz fand. "Ich rechne damit, dass der Ball noch ein bisschen höher springt", sagte der ehemalige Nationaltorhüter später.

Der Jubel auf Hamburger Seite war nichtsdestotrotz groß, und der emsige Diekmeier hätte ihn durch seine eigene Geschichte noch größer werden lassen können. Doch der Rechtsverteidiger verpasste auch in seinem 192. Einsatz sein allererstes Bundesligator, als er nach Rückpass von Kostic völlig frei zum Abschluss kam, aber Zieler in die Arme schoss.

Die Statistik

HSV

Mathenia - Diekmeier , K. Papadopoulos , Mavraj , Douglas Santos - Ekdal (90. Janjicic), G. Sakai - Ito (68. Waldschmidt), Hunt (82. Hahn), Kostic - Arp

VfB Stuttgart

Zieler - Beck , Baumgartl , Pavard , Insua - Burnic , Aogo - Asano , Akolo (83. Ailton), Özcan (66. Mangala) - Ginczek (75. Terodde). Trainer: Wolf

Schiedsrichter

Guido Winkmann (Kerken)

Zuschauer

54.976

Tore

1:0 Hunt (20.), 1:1 Ginczek (55./Handelfmeter), 2:1 Kostic (65.), 3:1 Arp (69.)

Gelbe Karten

Douglas Santos, Papadopoulos –

Gelb-Rote Karte

 – Burnic (13.)

1/7

Diekmeier erwartet wieder Sprüche

"Da hätte ich noch mehr Risiko gehen müssen", sagte Diekmeier selbstkritisch. "Das war sehr ärgerlich, jetzt gibt es wieder ein paar Sprüche", sagte der Rekordmann, der nun weiter an seinem ersten Treffer arbeiten möchte. Lob gab es für den dienstältesten HSV-Profi anschließend dennoch. "Er war klasse, er marschiert die Linie rauf und runter. Es hätte mich gefreut, wenn er getroffen hätte", sagte Sportchef Jens Todt, der sich aber noch viel mehr über einen eminent wichtigen Sieg freuen durfte. "Es fühlt sich an wie ein Befreiungsschlag", sagte Todt, der bereits vor dem Anpfiff noch einmal den Cheftrainer und die eigene Mannschaft gestützt hatte. "Unsere Mannschaft ist intakt und hat ein gutes Herz", sagte der Manager kurz vor dem Anpfiff noch einmal bei Sky.

Und dieses Herz bewies vor allem Kostic, der gegen seine Ex-Kollegen wie aufgedreht wirkte und Hamburg schließlich nach dem Ausgleich durch Ginczek (55., Handelfmeter nach Videobeweis) zurück auf die Siegerstraße brachte: Über Hunt gelangte der Ball zu Diekmeier, der maßgeschneidert von rechts in die linke Fünfmeterecke flankte, wo der Serbe nur noch einzuköpfen brauchte. Kostic verkniff sich zunächst den Jubel, am Ende brach es aber auch aus ihm heraus.

Todt tritt die Arp-Bremse

Und so durften er und seine Kollegen endlich einmal wieder vor die Nordkurve treten, um einen Sieg zu feiern. Mittendrin auch dabei: Ito und Arp. "Wir haben grundsätzlich den Auftrag, die jungen Spieler einzubinden", sagte Gisdol über seine Youngster. "Beide zeigen das, was wir auch im Training sehen."

Einen ersten Tritt auf die Euphoriebremse erlaubte sich dann aber der Sportchef – gerade auch im Hinblick auf die neuen jungen Wilden. "Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, die Verantwortung auf die Schultern des kleinen Ito und Fiete Arp zu legen", sagte Jens Todt. Den Anhängern dürften die mahnenden Worte zumindest an diesem Wochenende herzlich egal sein ...