Hamburg. Sturmjuwel trifft auch bei seinem Startelf-Debüt und hilft Gisdol. Schiedsrichter gibt Fehler zu. Kostic und Diekmeier wie aufgedreht.
Es war – zumindest extern – zum Schicksalsspiel für Markus Gisdol ausgerufen worden, und die Mannschaft hat ihrem Trainer vorerst den Job gerettet: Dank eines 3:1 (1:0)-Sieges gegen den VfB Stuttgart hat der HSV am elften Spieltag der Fußball-Bundesliga den Relegationsplatz wieder an den SC Freiburg abgegeben. Es war gleichzeitig der erste dreifache Punktgewinn nach zuvor acht vergeblichen Versuchen und als zusätzliches Bonbon der 500. Heimsieg in der Hamburger Bundesligageschichte.
Apropos Geschichte: Die hat am Sonnabend erneut Fiete Arp fortgeschrieben. Der 17 Jahre alte Stürmer traf bei seinem Startelf-Debüt nur eine Woche nach seinem Premierentreffer erneut ins Schwarze. Er ist damit nach Christian Pulisic und Timo Werner nun der drittjüngste Spieler im deutschen Oberhaus mit zwei Toren. Und sein Erfolg in der 69. Minute war ein Treffer im Stile eines Klassestürmers: Nach einem Anspiel von Dennis Diekmeier umdribbelte Arp im Strafraum gleich zwei Gegenspieler und setzte den Ball dann mit rechts in die linke Ecke.
Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen
Kostic feuert aus allen Lagen
Es war nur vier Minuten nach dem erneuten Führungstreffer durch den abschlussfreudigen Filip Kostic (insgesamt fünf Torschüsse) die endgültige Entscheidung in einem Spiel, das furios begonnen hatte: Erst rettete Torhüter Christian Mathenia im Eins-zu-Eins gegen Daniel Ginczek (3.), zehn Minuten später agierte der HSV dann plötzlich in Überzahl. Zur Verwunderung vieler der 54.976 Zuschauer zeigte Schiedsrichter Guido Winkmann dem Stuttgarter Dzenis Burnic nach einem Einsteigen gegen Aaron Hunt Gelb-Rot. "Es war noch nicht einmal ein Foul. Ein Skandal, eine Frechheit. Der Schiedsrichter hat kein Fingerspitzengefühl bewiesen, gar nichts", echauffierte sich VfB-Teammanager Günther Schäfer in der Halbzeitpause.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Und der Schiedsrichter selbst stellte sich nach dem Spiel der Szene. "Ich habe heute einen Fehler gemacht", sagte Winkmann bei Sky. Burnic sei seiner Wahrnehmung nach rücksichtslos gegen Hunt eingestiegen, weshalb er sich nach Abwarten eines möglichen Vorteils zur zweiten Gelben Karte für den Stuttgarter Mittelfeldspieler entschied. Eine Entscheidung, die der Polizist nach erneuter Ansicht nach Abpfiff revidierte: "Die Fernsehbilder geben es nicht her, die Gelb-Rote Karte war nicht richtig."
Der Platzverwies hat eine Rolle gespielt, weil sich die Stuttgarter weit zurückziehen mussten", gestand Hamburgs Sportchef Jens Todt, während Gisdol befand: "Wir waren auch davor schon gut im Spiel."
Die Höhepunkte des Spiels
Zieler schätzt Hunt falsch ein
Noch besser ins Spiel brachte den HSV Hunt: In der 20. Minute zirkelte der Routinier, der wie die jungen Tatsuya Ito und eben Arp gegenüber der 0:2-Niederlage in der Vorwoche in Berlin in die Startelf rotiert war, einen Freistoß aus gut 25 Metern links an der Mauer vorbei aufs Tor. Und dort ließ sich Schlussmann Ron-Robert Zieler zu einem Riesenpatzer hinreißen, indem er den Ball durch die Finger an den Pfosten flutschen ließ, von wo aus er den Weg ins Netz fand. "Ich rechne damit, dass der Ball noch ein bisschen höher springt", sagte der ehemalige Nationaltorhüter später.
Der Jubel auf Hamburger Seite war nichtsdestotrotz groß, und der emsige Diekmeier hätte ihn durch seine eigene Geschichte noch größer werden lassen können. Doch der Rechtsverteidiger verpasste auch in seinem 192. Einsatz sein allererstes Bundesligator, als er nach Rückpass von Kostic völlig frei zum Abschluss kam, aber Zieler in die Arme schoss.
Die Statistik
Diekmeier erwartet wieder Sprüche
"Da hätte ich noch mehr Risiko gehen müssen", sagte Diekmeier selbstkritisch. "Das war sehr ärgerlich, jetzt gibt es wieder ein paar Sprüche", sagte der Rekordmann, der nun weiter an seinem ersten Treffer arbeiten möchte. Lob gab es für den dienstältesten HSV-Profi anschließend dennoch. "Er war klasse, er marschiert die Linie rauf und runter. Es hätte mich gefreut, wenn er getroffen hätte", sagte Sportchef Jens Todt, der sich aber noch viel mehr über einen eminent wichtigen Sieg freuen durfte. "Es fühlt sich an wie ein Befreiungsschlag", sagte Todt, der bereits vor dem Anpfiff noch einmal den Cheftrainer und die eigene Mannschaft gestützt hatte. "Unsere Mannschaft ist intakt und hat ein gutes Herz", sagte der Manager kurz vor dem Anpfiff noch einmal bei Sky.
Und dieses Herz bewies vor allem Kostic, der gegen seine Ex-Kollegen wie aufgedreht wirkte und Hamburg schließlich nach dem Ausgleich durch Ginczek (55., Handelfmeter nach Videobeweis) zurück auf die Siegerstraße brachte: Über Hunt gelangte der Ball zu Diekmeier, der maßgeschneidert von rechts in die linke Fünfmeterecke flankte, wo der Serbe nur noch einzuköpfen brauchte. Kostic verkniff sich zunächst den Jubel, am Ende brach es aber auch aus ihm heraus.
Todt tritt die Arp-Bremse
Und so durften er und seine Kollegen endlich einmal wieder vor die Nordkurve treten, um einen Sieg zu feiern. Mittendrin auch dabei: Ito und Arp. "Wir haben grundsätzlich den Auftrag, die jungen Spieler einzubinden", sagte Gisdol über seine Youngster. "Beide zeigen das, was wir auch im Training sehen."
Einen ersten Tritt auf die Euphoriebremse erlaubte sich dann aber der Sportchef – gerade auch im Hinblick auf die neuen jungen Wilden. "Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, die Verantwortung auf die Schultern des kleinen Ito und Fiete Arp zu legen", sagte Jens Todt. Den Anhängern dürften die mahnenden Worte zumindest an diesem Wochenende herzlich egal sein ...