Berlin/Hamburg. Nach dem achten Spiel ohne Sieg erhöht der Trainer den Druck auf sein Team. Rutscht Arp gegen Stuttgart in die Startelf?
Im Stimmungs-Sturmtief beim Hamburger SV wird ein 17-Jähriger zum großen Hoffnungsträger. Während der größten Negativserie unter Markus Gisdol sorgt einzig Angriffsjuwel Jann-Fiete Arp mit seinem Rekordtor für einen Hoffnungsschimmer – ansonsten verschärfte der Coach massiv den Ton. „Wenn wir mit diesen Nachlässigkeiten in den entscheidenden Momenten spielen, werden wir keine Punkte holen. Das ist Fakt“, betonte Gisdol nach dem ernüchternden 1:2 im Krisenduell bei Hertha BSC und kündigte mit eindringlichen Worten an: „Ich als Trainer werde den Druck auf die Mannschaft erhöhen, niemand sonst.“
Schon um 7.30 Uhr – Winterzeit – versammelte der Coach am Sonntag sein Team zur Analyse und Auslaufen. Keine Strafmaßnahme, betonte Gisdol, da die Profis anschließend zu Fanclub-Besuchen aufbrachen.
Mit der Kuschelstimmung beim HSV ist es dennoch endgültig vorbei. „Fakt ist, wir können das nicht Woche für Woche so weiterlaufen lassen“, sagte Gisdol und kündigte am Sonntag Veränderungen an. „Vielleicht ist es an der Zeit, ein bisschen strengere Maßstäbe anzusetzen.“
Die sportlich Verantwortlichen setzten angesichts des achten Spiels ohne Sieg in Serie intensive Gespräche vor dem wegweisenden Duell mit dem VfB Stuttgart am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr, Volksparkstadion/Sky, Liveticker auf Abendblatt.de) an. „Die Zeit ist vorbei, sich in Ruhe zu lassen“, sagte Jens Todt. Auch die einzige Wohlfühlstory des HSV dieser Tage wollte der Sportdirektor nicht überbewerten. „Deswegen wird aber keine Feier stattfinden“, sagte er zum Treffer von Arp, mit dem der 17-Jährige Heung-Min Son als jüngsten HSV-Torschützen ablöste. „Es ist toll, und wir wissen, dass Fiete ein großes Talent ist und es wahnsinnig reif macht für sein Alter. Aber wir brauchen Punkte, keine Komplimente.“
Die Defensive bei zwei Kopfball-Gegentreffern nach Ecken unkonzentriert, die Offensive harmlos: Beim erneut biederen Auftritt ließen lediglich Arp und der ebenfalls eingewechselte Tatsuya Ito (20) auf baldige Besserung hoffen. „Diese Jungen machen Spaß, sie geben Gas, sind erfrischend für unser Spiel“, lobte Gisdol, warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen. „Es könnte sein, dass wir das Risiko erhöhen. Wir müssen aber vorsichtig sein, weil wir nicht alles auf den Schultern der jungen Spieler abladen können.“
Rutscht Arp in die Startelf?
Zumindest Arp darf jedoch auf eine wichtigere Rolle in der nahen Zukunft hoffen. Auf die Frage, ob der Kapitän der U-17-Nationalmannschaft gegen Stuttgart sein Startelfdebüt geben wird, antwortete Gisdol vielsagend: Es wird im Lauf der Woche sicher einiges passieren." Der HSV hatte sich in den vergangenen Wochen seine Bemühungen intensiviert, damit Arp noch häufiger als bisher am Training der Profimannschaft teilnehmen kann, ohne dass die Vorbereitung auf das Abitur im kommenden Jahr leidet. So sollen Privatlehrer einen Teil des Unterrichts abdecken.
Eins ist klar: Schlechter als Bobby Wood würde es Arp in der Startelf sicher nicht machen. Der US-Stürmer steckt weiterhin in einem persönlichen Tief. "Er muss sich da rausarbeiten", sagte Gisdol, "und wir unterstützen ihn dabei. Aber letztlich gilt auch für ihn das Leistungsprinzip." Auch das könnte als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Wood sich am Sonnabend auf der Bank oder gar der Tribüne wiederfinden könnte.
Nach seiner Rückkehr von der kräftezehrenden U-17-WM aus Indien am Dienstag ist Arp nun der erste Liga-Torschütze, der in den 2000er-Jahren geboren wurde. „Nach Abpfiff hat es erst mal gedauert, bis ich an das Tor gedacht habe“, berichtete der Junioren-Nationalspieler, nachdem er zunächst wortlos in der Kabine verschwunden war. „Ich mag es nicht, wenn Leute nach einer Niederlage zu mir kommen und mir gratulieren.“
Gisdol kündigt härtere Gangart an
Acht Ligaspiele ohne Sieg – so schlecht war der HSV zuletzt in der Hinserie der vergangenen Saison. Inmitten dieser Serie musste Bruno Labbadia gehen. Nach den beiden Auftaktsiegen dieser Spielzeit droht den Hamburger Relegationsspezialisten nun schon wieder ein zäher Abstiegskampf. „Langsam brauchen wir die Punkte, sonst ist langsam der Abstand ziemlich weit“, sagte Verteidiger Dennis Diekmeier frustriert. „Das kotzt einen extrem an, dass wir wieder ein paar Stunden nach Hause gurken und keine Punkte mitgenommen haben. Das ist das Brutalste.“
Gisdol ist sich bewusst, dass ihn das gleiche Schicksal ereilen könnte wie seinen Vorgänger: "Zum Schluss ist immer der Trainer verantwortlich." Ihn verbinde aber mit Sportchef Todt und dem Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen eine Vertrauensbasis, die es ermögliche, "gemeinsam aus dieser Situation herauszukommen". Er und sein Trainerteam arbeiteten "wie die Hunde Tag und Nacht und werden auch keinen Millimeter nachlassen". Er werde sehr engagiert und zugleich mit kühlem Kopf weiterarbeiten.
Veränderungen werde es aber auf inhaltlicher Ebene geben. "Wir können es nicht Woche für Woche so weiterlaufen lassen", sagte Gisdol und kündigte eine härtere Gangart an:. "In der Intensität, im Umgang miteinander sollte sich vielleicht einiges ändern."