Berlin. Das Krisenduell geht verloren. Gisdol reagiert “total verärgert“, auch Diekmeier mit Redebedarf. Freude über Arps historisches Tor.

Ein Tag für die Geschichtsbücher – und dennoch steht der HSV im siebten der vergangenen acht Spiele der Fußball-Bundesliga komplett ohne Punkte da. Nach der 1:2 (0:1)-Niederlage im Krisengipfel bei Hertha BSC und dem Verharren auf Relegationsplatz 16 gibt es für Hamburg immerhin einen Grund zur Freude, denn Nachwuchsstürmer Fiete Arp krönte eine starke Leistung nach seiner Einwechslung in der 56. Minute mit seinem ersten Bundesligatreffer.

Die HSV-Profis in der Einzelkritik

Dabei bewies der Stürmer seinen Torinstinkt, indem er eine schöne Kombination über Dennis Diekmeier (Flanke nach Pass von Tatsuya Ito) und Kyriakos Papadopoulos (Kopfball-Vorlage) mit einem satten Volleyschuss abschloss. Als der Ball mit Hilfe des linken Innenpfostens den Weg ins Berliner Tor fand, war vor rund 8000 mitgereisten Fans und den Augen der Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Berti Vogts auf der Tribüne ein neuer HSV-Rekord perfekt: Nie war ein Torschütze der Rothosen jünger als der erst 17 Jahre alte Arp. In der Bundesliga katapultierte sich der Torjäger auf Rang sieben.

Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen

1. Nuri Sahin/Borussia Dortmund

17 Jahre, 2 Monate und 21 Tage

2. Julian Draxler/Schalke 04

17 Jahre, 6 Monate und 12 Tage

3. Timo Werner/VfB Stuttgart

17 Jahre, 6 Monate und 16 Tage

4. Christian Pulisic/Borussia Dortmund

17 Jahre, 6 Monate und 30 Tage

5. Lars Ricken/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 1 Tag

6. Ibrahim Tanko/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 7 Tage

7. Jann-Fiete Arp/Hamburger SV

17 Jahre, 9 Monate und 22 Tage

8. Kai Havertz/Bayer Leverkusen

17 Jahre, 9 Monate und 25 Tage

9. Mark-Andre Kruska/Borussia Dortmund

17 Jahre, 10 Monate und 22 Tage

10. Rüdiger Abramczik/Schalke 04

17 Jahre, 10 Monate und 25 Tage

1/10

Zweimal bei Standards geschlafen

Dennoch kam der Treffer des begehrten U-Nationalspielers, der später sogar noch die Chance auf den Ausgleich hatte (86.), zu spät. Schuld waren wiederholte Schlafmützigkeiten der Hamburger Defensive bei Standardsituationen. In der 17. Minute durfte Innenverteidiger Niklas Stark nach einem Eckball durch Marvin Plattenhardt von der rechten Seite unbedrängt zu seinem ersten Saisontreffer einköpfen. Gleich drei HSV-Profis waren am kurzen Pfosten mit hochgesprungen, doch weder der ganz schwache Rick van Drongelen, noch André Hahn und Papadopoulos bedrängten Stark ernsthaft.

Die Höhepunkte des Spiels

5. Minute

Die erste Ecke des Spiel bringt gleich die erste Gefahr für den Hamburger Kasten, doch Herthas Rekik rutscht der Ball letztlich über den linken Außenrist.

7. Minute

Der HSV geht in Führung – nach Ecken. Im Anschluss an den zweiten durch Kostic getretenen Standard kommt Sakai am Sechzehner zum Schuss, der jedoch abgeblockt wird.

9. Minute

Kostic prüft Jarstein mit einem Freistoß-Aufsetzer aus gut 25 Metern zentraler Position. Der Serbe war zuvor beim Konter selbst gefoult worden.

11. Minute

Hahn hat seine Haare nicht hoch genug frisiert und muss die Flanke von Kostic somit knapp über den Schädel streichen lassen.

17. Minute

Tor für Berlin – 1:0. Die nächste Standardsituation bringt die Führung für die Gastgeber. Plattenhardt zirkelt einen Eckball von rechts auf den Kopf von Stark, der unbedrängt in die von Mathenia aus gesehene linke Ecke einköpfen darf. Mit Hahn, Papadopoulos und van Drongelen springen zwar gleich drei HSV-Profis mit Stark hoch, sind aber allesamt viel zu weit weg vom Torschützen. Und die lange Ecke war ebenfalls verwaist.

29. Minute

Die Ausgleichschance! Douglas Santos kann sich am Strafraumeck den Ball zurecht legen und schlenzt diesen mit links toll Richtung Kreuzeck, doch Jarstein macht sich ganz lang und fingerspitzelt das Leder zur Ecke. Super Aktion des Hamburger Brasilianers!

39. Minute

Kostic flankt von links in den Strafraum, wo Plattenhardt vor dem einschussbereiten Hahn zur fünften Ecke des HSV klärt. Mit dieser findet Kostic jedoch keinen Abnehmer.

50. Minute

Tor für Berlin – 2:0. Déjà-vu kurz nach Wiederanpfiff: Erneut kommt ein Herthaner nach einem Eckball von rechts zum Kopfball. Diesmal setzt sich Rekik gegen Ekdal durch und wuchtet den Ball in den linken Knick.

56. Minute

Doppelwechsel: Gisdol setzt alles auf eine Karte und wirft die Youngster Ito und Arp ins Rennen (für Ekdal und Wood).

73. Minute

TOOOOOOOOR für den HSV – 2:1. Wahnsinn, Arp trifft rund eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung. Diekmeier flankt nach Doppelpass mit Ito von rechts in den Strafraum, wo Papadopoulos in die Mitte köpft. Dort nimmt Arp den Ball volley und trifft mit Hilfe des linken Innenpfosten zu seinem ersten Bundesligatreffer – und das mit 17 Jahren!

79. Minute

Mathenia rettet gegen Selke in höchster Not und verhindert beim Berliner Konter somit die Vorentscheidung.

86. Minute

Was für ein Junge, dieser Arp! Der U-Nationalspieler zieht im Strafraum ab – der Schuss wäre aufs Tor gekommen, wird aber zur Ecke abgefälscht.

1/12

Kurz nach Wiederbeginn dann fast eine Kopie des ersten Treffers: Diesmal schlug Mitchell Weiser von rechts einen Eckball in den Fünfmeterraum, wo sich Karim Rekik energisch gegen Albin Ekdal durchsetzte. Der Schwede wurde wenig später wie auch der extrem blasse Bobby Wood ausgetauscht. Es kamen die Youngster Ito und Arp – und mit ihnen neue Hoffnungsschimmer. "Fiete, Aaron Hunt und Ito haben alle nochmal mehr Schwung gebracht", befand denn auch Diekmeier bei Sky.

Die Statistik

Hertha BSC

Jarstein - Pekarik, Langkamp, Rekik, Plattenhardt -  Stark,  Skjelbred - Weiser, Lazaro (87. Maier) - Ibisevic (72. Selke), Kalou. - Trainer: Dardai

HSV

Mathenia - Papadopoulos, Mavraj, van Drongelen - Diekmeier, Ekdal (56. Ito), Sakai, Santos - Hahn (67. Hunt), Wood (56. Arp), Kostic. - Trainer: Gisdol

Schiedsrichter

Felix Brych (München)

Zuschauer

40.000

Tore

1:0 Stark (17.), 2:0 Rekik (50.), 2:1 Arp (73.)

Gelbe Karten

Stark, Pekarik – Kostic

1/6

HSV gewinnt die Eckball-Statistik

Dennoch überwog beim Rechtsverteidiger das Unverständnis über die eigenen Standardschwäche. "Es ist extrem ärgerlich, dass wir heute so extrem blöde Standardtore bekommen. Das müssen wir uns noch einmal angucken, das darf natürlich nicht sein." Dabei hatte zumindest Hertha-Ikone Andreas "Zecke" Neuendorf gewusst, worauf es beim Eckball-Festival (11:9 für den HSV) an diesem Sonnabend ankommen würde. "Ich habe gesagt, ein Standard könnte entscheidend sein", sagte Neuendorf schon in der Halbzeitpause bei Sky.

Gisdol ist "total verärgert"

"Wir haben die erste Halbzeit total verschlafen, wir wollten eigentlich die gute Leistung gegen Bayern bestätigen", sagte Torhüter Christian Mathenia, der bei einem Berliner Konter durch Davie Selke noch das 1:3 verhindert hatte. "Wir müssen jetzt Tacheles reden", forderte Mathenia anschließend.

Den größten Frust trug aber Gisdol zur Schau. "Ich bin nicht nur frustriert, sondern total verärgert", sagte der Coach, der ungeachtet des Hamburger Spielerkreises unmittelbar nach dem Schlusspfiff in den Katakomben verschwand. "Wir machen uns schon wieder ein Spiel kaputt, in dem wir auf Augenhöhe sind. So haben wir keine Chance zu punkten. Es bringt ja nichts, wenn wir Woche für Woche an einem Plan arbeiten und in den entscheidenden Momenten schlafen."

Vor allem das Verhalten bei den folgenschweren Eckbällen stieß Gisdol bitter auf. "Die Standardsituationen waren ganz klar besprochen", erklärte der 48-Jährige, der mitansehen musste, wie die Zuteilung in den entscheidenden Situationen dennoch nicht stimmte: "Wenn wir dann zwei solche Tore herschenken, hast du es auch nicht verdient, etwas mitzunehmen."

Werder kann am HSV vorbeiziehen

Und so gab es nach der fünften Pleite in Folge im Berliner Olympiastadion am Ende neben der Freude über Torschütze Arp immerhin noch ein weiteres, jedoch schwächeres Trostpflaster: Da Schlusslicht 1. FC Köln in Leverkusen noch eine Führung aus der Hand gab (1:2), bleibt zumindest der Abstand auf Platz 18 nach dem 10. Spieltag konstant (5 Punkte). Sollte Werder Bremen allerdings am Sonntag gegen Augsburg gewinnen, würde der HSV erstmals in dieser Saison auf einen direkten Abstiegsplatz abrutschen.