Hamburg. HSV-Präsident will schon bald seine Kandidaten für den neuen Aufsichtsrat präsentieren. Wird der umstrittene Kühne-Vertraute abgesetzt?

Jens Meier war am Sonntagabend genervt. Der Chef der Hamburg Port Authority saß in der Lufthansa-Lounge am Frankfurter Flughafen und bekam kein Handynetz. „Weltstadt Frankfurt“, grummelte Meier, als er doch noch rechtzeitig vor seinem Abflug am späten Abend mit der LH732 nach Shanghai-Pudong telefonieren konnte. Viel mehr wollte der HSV-Präsident, der in dieser Woche Hamburgs Partnerhafen in Shanghai besucht, aber ohnehin nicht verraten. „In Sachen HSV und Aufsichtsrat gibt es derzeit noch gar nichts zu sagen“, antwortete Meier auf Nachfrage.

Das ist selbstverständlich nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn natürlich weiß auch Meier ganz genau, dass es über den HSV und den kommenden Aufsichtsrat jede Menge zu bereden gibt – spätestens nach seiner Rückkehr aus China an diesem Freitag. So will (und muss) der Präsident des HSV e.V. zeitnah den neuen AG-Aufsichtsrat vorschlagen, der auf der richtungweisenden Hauptversammlung der HSV Fußball AG im Dezember bestellt wird.

Meier schielt mit einem Auge auf den HSV-Beirat

Was zunächst ganz simpel klingt, ist tatsächlich höchst kompliziert. Denn erstmals seit der Ausgliederung im Mai 2014 kommt in diesem Herbst die neue AG-Konstruktion zum Tragen, die folgendermaßen aussieht: Da der HSV e. V. noch immer 79 Prozent der Clubanteile hält, hat Meier, der als Präsident ohnehin im kommenden AG-Aufsichtsrat gesetzt ist, auf der entscheidenden Hauptversammlung der HSV-Aktionäre die Entscheidungsgewalt über die Besetzung des restlichen Kontrollgremiums – mit einer kleinen, aber feinen Einschränkung. Vor der Hauptversammlung muss zunächst noch der 2014 neu gegründete HSV-Beirat seine Zustimmung geben. Und an dieser Stelle dürfte die Geschichte interessant (und kompliziert) werden.

Denn obwohl Meier betont, im guten und ständigen Austausch mit den Beiratsmitgliedern zu stehen, tappen diese bislang überwiegend im Dunkeln, was die mögliche Besetzung des kommenden Aufsichtsrats betrifft. Brisant wird die Konstellation aber vor allem, weil der Beirat nicht nur seine Zustimmung für das kommende Kontrollgremium geben muss, sondern auch die Kandidaten auswählt und vorschlägt, die im Februar auf der Mitgliederversammlung zum neuen HSV-Präsidenten gewählt werden wollen – also auch Meier.

Das „neue Machtzentrum des HSV“, wie HWWI-Chef Henning Vöpel den Beirat in einem Abendblatt-Interview einst titulierte, hat also einen erheblichen Einfluss auf das beim HSV traditionell beliebte Posten-wechsel-dich-Spielchen. Die kaum bekannten Mitglieder sind Kai Esselsgroth (Vorsitzender des Ehrenrats), Jan Wendt (Delegierter der Amateure), Patrick Ehlers (Delegierter der Förderer) sowie Frank Mackerodt und Oliver Voigt, beide Träger der Goldenen Nadel. Und nach Informationen des Abendblatts soll die vorherrschende Meinung dieses Quintetts sein, dass dem bisher eher glücklosen Aufsichtsrat ein radikaler Neuanfang guttun würde. Bleibt die Frage: Wie radikal ist radikal?

Gernandts Rolle: Riskiert der HSV Ärger mit Kühne?

Diese Frage bereits beantwortet hat Ex-HSV-Chef Carl Jarchow. „Die Bilanz der Vergangenheit kann nur zur Konsequenz haben, sich um eine andere Besetzung für den Aufsichtsrat zu bemühen.“ Und noch deutlicher: „Ich halte den Aufsichtsrat für hauptverantwortlich für das, was in den vergangenen drei Jahren passiert ist.“

Jarchow machte im Abendblatt-Gespräch auch kein Geheimnis daraus, dass er es für einen legitimen Wunsch hält, dass Anteilseigner Klaus-Michael Kühne weiterhin einen Vertrauten in den Aufsichtsrat entsendet. „Wenn jemand 17 Prozent der AG-Anteile hält, ist das nachvollziehbar. Er wäre jedoch gut beraten, sich eine andere Person als Karl Gernandt zu suchen.“

Sollte Gernandt dem Aufsichtsrat nicht mehr angehören, wäre Ärger mit Investor Kühne programmiert
Sollte Gernandt dem Aufsichtsrat nicht mehr angehören, wäre Ärger mit Investor Kühne programmiert © Witters/TimGroothuis

Tatsächlich scheint Gernandt zur entscheidenden Personalie im Zukunftspuzzle des zu bestellenden Aufsichtsrats zu werden. Kühne hat im Sommer sehr deutlich gemacht, dass er weiterhin auf seinen Vertrauten setzt: „Ich würde mir wünschen, dass die Investoren bei der Besetzung von Aufsichtsräten ein Mitspracherecht haben (…). Vielleicht habe ich bei einer 17-prozentigen Beteiligung ein moralisches Recht, einen Aufsichtsrat bestellen zu dürfen“, sagte er. „Jedenfalls hoffe ich, dass Karl Gernandt dabeibleibt.“

An diesem Wunsch hat sich bis heute nichts geändert – was Aufsichtsratszusammensucher Meier nun unter erheblichen Zugzwang setzt. Denn sollte er dem allgemeinen (und im Speziellen dem Beirats-)Wunsch entsprechen und Gernandt nicht mehr nominieren, wäre der Krach mit Investor Kühne programmiert. Einen alternativen Vertrauensmann soll sich der Milliardär nicht vorstellen können. Gernandt selbst wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.

HEK-Chef Jens Luther ist ein Aufsichtsratskandidat

Neben der Personalie Gernandt sorgt zudem die Frage für Spannung, wer dem kommenden Kontrollgremium vorstehen soll. Meier selbst steht wegen politischen Widerstands aufgrund seiner Rolle als Hafenchef nicht zur Verfügung. Genauso wenig wie der bisherige Übergangsvorsitzende Andreas Peters, der neben Meier als gesetzt für den kommenden Rat gilt.

Aus dem alten Gremium definitiv nicht mehr dabei sein wird Klitschko-Manager Bernd Bönte, auch Unternehmer Dieter Becken dürfte kaum eine Chance haben. Unklar ist noch, ob Meier weiterhin Wirtschaftsmanager Felix Goed­hart dabeihaben will. Neue Kandidaten sickerten dagegen noch nicht durch: Die kolportierten Ex-Präsidenten Jürgen Hunke und Ronny Wulff haben keine Chance, im Gegensatz zum HEK-Vorsitzenden Jens Luther, mit dem sich Meier beschäftigt hat.

„Niemand braucht sich Sorgen zu machen“, sagte der Hafen-Chef am Sonntag, bevor er ins Flugzeug stieg. „Wir werden jeden rechtzeitig informieren.“