Hamburg. Der Hamburger Schlussmann über sein Wiedersehen mit René Adler, Streit unter Torwart-Konkurrenten und den Rückhalt durch Gisdol.

Als Christian Mathenia noch ein Kind war, musste er nur das Fenster aufmachen, um zu hören, wie es bei Mainz 05 steht. Der HSV-Torhüter ist in Sicht- und vor allem Hörweite des alten Bruchwegstadions aufgewachsen. Am Sonnabend spielt er nun erstmals mit dem HSV in der alten Heimat.

Hamburger Abendblatt: Herr Mathenia, wie viele Karten mussten Sie organisieren?

Christian Mathenia: Viele. Sehr viele. Meine ganze Familie wird im Stadion sein. Wahrscheinlich müsste ich noch mehr Karten organisieren, wenn nicht ohnehin viele Freunde von mir eine Dauerkarte hätten. So waren es 25 Karten, die ich bei Mainz 05 bestellt habe.

Und die müssen Sie alle bezahlen?!?

Mathenia: Selbstverständlich. Aber einmal im Jahr geht das schon in Ordnung.

Mit Ihrem Vater sind Sie früher als Kind oft zu Mainz-Heimspielen gegangen. Tut er sich schwer, am Wochenende Ihnen und nicht den 05ern die Daumen zu drücken?

Mathenia: Ich hoffe nicht (lacht). Er ist tatsächlich ein großer Mainz-Fan – so richtig mit Trikot und Schal. Aber wenn sein Sohn vor der Haustür spielt, dann ist er doch eher ein Christian-Mathenia-Fan.

Sie sind in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bruchweg-Stadion aufgewachsen …

Mathenia: … und immer an den Wochenenden zu den Spielen gegangen. Papa und Sohn. Viele Zuschauer waren am Anfang nicht da. Aber das änderte sich, als Jürgen Klopp Trainer wurde. Und irgendwie stand immer Dimo Wache im Tor – mein erstes Torhüteridol.

Später wurde Wache Ihr Torwarttrainer …

Mathenia: Cool, oder? Er war neben Oliver Kahn immer mein Vorbild – und plötzlich trainiert er mich.

Zuvor haben Sie alle Jugendmannschaften in Mainz durchlaufen, aber nie ein Spiel in der Bundesliga für den FSV gemacht. Wie hart war der Schritt, nach Darmstadt und zu Dimo Wache zu gehen und sich einzugestehen, dass es nicht für den Herzensverein reicht?

Mathenia: Sehr hart. Ich hatte mein ganzes Fußballerleben darauf hingearbeitet, für Mainz in der Bundesliga im Tor zu stehen. Und ich war auch ganz kurz davor. Dann entschied aber Thomas Tuchel, dass Loris Karius die Nase vorn hat. Für mich ist da natürlich eine Welt zusammengebrochen …

…­ und für Ihren Vater wohl auch?

Mathenia: Klar. Er wusste ja auch, dass es mein großer Traum war. Die ganze Geschichte war schon sehr emotional. Es hat auch ein paar Wochen gedauert, bis ich diesen Schock verarbeitet hatte. Ich bin meinen Weg aber trotzdem gegangen.

Nun treffen Sie am Sonnabend nicht nur auf Ihren früheren Traumverein, sondern auch auf Ihren ehemaligen Konkurrenten und Kollegen René Adler …

Mathenia: … für den ich mich total gefreut habe, als ich erfahren habe, dass er zu Mainz 05 wechselt. Für viele mag es ein Rückschritt sein, wenn man von der Großstadt Hamburg ins beschauliche Mainz wechselt. Aber ich bin mir sicher, dass sich René trotz all seiner Erfahrung noch mal weiterentwickeln kann.

Hat Adler Sie vor seinem Mainz-Wechsel mal um Ihren Rat konsultiert?

Mathenia: Er hat mal ein paar Bemerkungen gemacht, aber ich wusste zunächst gar nicht, was er meinte. Nach seiner Unterschrift haben wir uns natürlich ausführlich über Mainz unterhalten.

Sie haben oft betont, dass Sie ein kollegiales Verhältnis zu Adler hatten und zu Julian Pollersbeck haben. Verhalten Sie sich denn jetzt als Platzhirsch anders als in der vergangenen Saison als Herausforderer?

Mathenia: Überhaupt nicht. Ich habe meine Torwartkonkurrenten immer ernst genommen. Wichtig ist nur, dass man ehrlich miteinander umgeht. Auf dem Platz duellieren wir uns, aber neben dem Platz brauche ich keinen zusätzlichen Stress.

Waren Sie schon jemals mit Ihrem Torwartkonkurrenten befreundet?

Mathenia: Nein. Nie.

Wäre das denn möglich?

Mathenia: Schwierig. Man sollte sich respektieren und sich unterstützen. Aber ich stelle es mir schwer vor, mit meinem direkten Konkurrenten befreundet zu sein. Jeder will ja den Platz des anderen. Und als Torwart kann man nicht mal eben so auf einer anderen Position aushelfen, wenn die Stammposition besetzt ist. Man ist drin und draußen.

Und das Gegenteil? Hatten Sie schon mal Kahn-Lehmann-mäßig Stress mit Ihrem Konkurrenten?

Mathenia: Mit Loris Karius bei Mainz hat es tatsächlich ein bisschen gerappelt, aber nicht wirklich gekracht. Es war nun mal mein großer Traum – und er stand diesem Traum im Weg.

Kann man sich als Profitorhüter noch was bei anderen Torhütern abgucken?

Mathenia: Unbedingt. Ich schaue mir jedes Wochenende alle Bundesligaspiele und in der Woche internationale Spiele an – und achte selbstverständlich immer besonders auf den Torwart.

Was haben Sie sich von Adler abgeguckt?

Mathenia: Seine Ruhe hat mich immer sehr beeindruckt. Ihn bringt gar nichts aus der Ruhe, ich bin eher der emotionale Typ. Zudem ist René auf der Linie ein unglaublich guter Torhüter mit überragenden Reaktionen.

Das sind Sie auch, trotzdem hatten Sie zuletzt ein paar Schwierigkeiten. Haben Sie registriert, dass Trainer Gisdol jegliche Torwartdiskussion im Keim erstickte?

Mathenia: Das habe ich tatsächlich. Seine Aussagen hat man ja ohnehin über die sozialen Medien mitbekommen. Zudem hat mir noch ein Freund einen Artikel geschickt. Das hat mich natürlich extrem gefreut, weil Vertrauen gerade auf der Torhüterposition so wichtig ist.

Bleibt es Ihr Traum, irgendwann mal doch für Mainz 05 zu spielen?

Mathenia: Puh, andere werden gefragt, ob sie von Real Madrid träumen. Ich werde nach Mainz gefragt (lacht). Im Ernst: Ich will sehr gerne sehr lange noch in Hamburg spielen. Und wenn ich irgendwann mal 35 Jahre alt bin, könnte ich mir durchaus eine Rückkehr nach Mainz vorstellen – vielleicht als Torwarttrainer.