Hamburg. Tatsuya Ito begeisterte trotz des 0:0 die HSV-Fans. Gisdol: „Ein Weg, der uns gut zu Gesicht steht.“ Eine kuriose Frage blieb.

Beim Ausradeln durch den sonnigen Volkspark am Tag nach seinem großen Spiel war Tatsuya Ito wieder mitten dabei. Keine Spur mehr von den Krämpfen, die am Sonnabend seinen starken Auftritt beim 0:0 gegen Werder Bremen in der 53. Minute so jäh beendet hatten. „Er hat sich bei der Auswechslung noch bei mir entschuldigt, weil er nicht weiterspielen konnte“, erzählte Trainer Markus Gisdol, „das zeigt seine Einstellung.“

Aufgestanden waren viele Besucher, als der 20 Jahre junge Japaner das Feld verließ, herz­licher, lauter Applaus prasselte von den Rängen, selbst Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos klatschte für den jungen Mann demonstrativ in die Hände. Nur Sprechchöre gab es nicht, seinen Namen müssen die Fans erst noch lernen. Aber wenn der kleine Außenstürmer hält, was er an diesem Abend versprach, dann wird auch das ganz schnell gehen. „Ja“, bestätigte Ito nach seinem tollen Heimdebüt und dem zweiten Bundesligaspiel überhaupt, „das war mein größter Tag bisher als Spieler.“

HSV gegen Werder – das Nordderby in Bildern

HSV-Toptalent Jann-Fiete Arp (l., gegen Bremens Milos Veljkovic) gab ein kurzes, aber umjubeltes Bundesligadebüt
HSV-Toptalent Jann-Fiete Arp (l., gegen Bremens Milos Veljkovic) gab ein kurzes, aber umjubeltes Bundesligadebüt © WITTERS | Tim Groothuis
HSV-Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier (r.) gerät gegen Ishak Belfodil aus dem Gleichgewicht
HSV-Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier (r.) gerät gegen Ishak Belfodil aus dem Gleichgewicht © imago/MIS | Cathrin Müller /M.i.S.
Werder Bremen Ersatztorwart Michael Zetterer bekommt von Deniz Aytekin die Gelbe Karte gezeigt
Werder Bremen Ersatztorwart Michael Zetterer bekommt von Deniz Aytekin die Gelbe Karte gezeigt © imago/Nordphoto | nordphoto / Ewert
Drei Spieler, aber keine drei Punkte: Dennis Diekmeier, André Hahn und Jann-Fiete Arp (v.l.n.r.) ist die Enttäuschung anzusehen
Drei Spieler, aber keine drei Punkte: Dennis Diekmeier, André Hahn und Jann-Fiete Arp (v.l.n.r.) ist die Enttäuschung anzusehen © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Bremens Fin Bartels (l.) kann beim Kopfball von Kyriakos Papadopoulos nur zuschauen
Bremens Fin Bartels (l.) kann beim Kopfball von Kyriakos Papadopoulos nur zuschauen © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Stürmer Bobby Wood (M.) bahnt sich einen Weg zwischen Niklas Moisander (l.) und Philipp Bargfrede
HSV-Stürmer Bobby Wood (M.) bahnt sich einen Weg zwischen Niklas Moisander (l.) und Philipp Bargfrede © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Wirbelwind Tatsuya Ito (l.) ist von Robert Bauer nur mit den Händen zu halten
HSV-Wirbelwind Tatsuya Ito (l.) ist von Robert Bauer nur mit den Händen zu halten © WITTERS | Valeria Witters
Der kleine Japaner (l., gegen Philipp Bargfrede) lieferte ein starkes Debüt in der HSV-Startelf ab ...
Der kleine Japaner (l., gegen Philipp Bargfrede) lieferte ein starkes Debüt in der HSV-Startelf ab ... © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
... musste es aber aufgrund von Wadenkrämpfen frühzeitig abbrechen, was ihn sichtlich ärgerte. Physiotherapeut Benjamin Eisele begleitete Ito vom Feld
... musste es aber aufgrund von Wadenkrämpfen frühzeitig abbrechen, was ihn sichtlich ärgerte. Physiotherapeut Benjamin Eisele begleitete Ito vom Feld © imago/MIS | Cathrin Müller /M.i.S.
HSV-Defensiv-Allrounder Gideon Jung (l.) beim Tête-à-Tête mit Bremens Fin Bartels
HSV-Defensiv-Allrounder Gideon Jung (l.) beim Tête-à-Tête mit Bremens Fin Bartels © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
HSV-Spielmacher Aaron Hunt (l., mit Philipp Bargfrede) gab gegen sein Exteam sein Comeback
HSV-Spielmacher Aaron Hunt (l., mit Philipp Bargfrede) gab gegen sein Exteam sein Comeback © WITTERS | TimGroothuis
HSV-Kapitän Gotoku Sakai (l.) und Vasilije Janjicic (r.) nehmen die Verfolgung von Fin Bartels auf
HSV-Kapitän Gotoku Sakai (l.) und Vasilije Janjicic (r.) nehmen die Verfolgung von Fin Bartels auf © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Bremens Stürmer Ishak Belfodil nutzt einen Fehler von HSV-Torwart Christian Mathenia beinahe zum 0:1
Bremens Stürmer Ishak Belfodil nutzt einen Fehler von HSV-Torwart Christian Mathenia beinahe zum 0:1 © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Vasilije Janjicic (l.) und Tatsuya Ito (M.) bekämpfen Bremens Theodor Gebre Selassie. Die beiden Youngster standen überraschend in der HSV-Startelf
Vasilije Janjicic (l.) und Tatsuya Ito (M.) bekämpfen Bremens Theodor Gebre Selassie. Die beiden Youngster standen überraschend in der HSV-Startelf © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Sportchef Jens Todt klatscht sich nach dem Spiel mit Maskottchen
HSV-Sportchef Jens Todt klatscht sich nach dem Spiel mit Maskottchen "Dino Hermann" ab © dpa | Christian Charisius
André Hahn (r.) hatte auf dem rechten Angriffsflügel des HSV keinen leichten Stand gegen Niklas Moisander
André Hahn (r.) hatte auf dem rechten Angriffsflügel des HSV keinen leichten Stand gegen Niklas Moisander © dpa | Daniel Reinhardt
HSV-Kapitän Gotoku Sakai (l., gegen Theodor Gebre Selassie) erhielt auf der Linksverteidigerposition erneut den Vorzug vor Douglas Santos
HSV-Kapitän Gotoku Sakai (l., gegen Theodor Gebre Selassie) erhielt auf der Linksverteidigerposition erneut den Vorzug vor Douglas Santos © WITTERS | Valeria Witters
Hart, aber fair war das Nordderby: Hamburgs André Hahn (l.) und Bremens Robert Bauer verabschieden sich nach dem Spiel
Hart, aber fair war das Nordderby: Hamburgs André Hahn (l.) und Bremens Robert Bauer verabschieden sich nach dem Spiel © dpa | Daniel Reinhardt
Die Hamburger Fans ließen bei ihrer Choreografie Wasserträger Hummel die Bremer
Die Hamburger Fans ließen bei ihrer Choreografie Wasserträger Hummel die Bremer "entsorgen" © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Trainer Markus Gisdol überraschte mit seiner Startformation
HSV-Trainer Markus Gisdol überraschte mit seiner Startformation © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Toptalent Jann-Fiete Arp (M.) durfte erstmals auf der HSV-Bank Platz nehmen – neben den rausrotierten Walace (l.) und Mergim Mavraj
Toptalent Jann-Fiete Arp (M.) durfte erstmals auf der HSV-Bank Platz nehmen – neben den rausrotierten Walace (l.) und Mergim Mavraj © WITTERS | TimGroothuis
Bremens Torwart Jaroslav Drobny freute sich über die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte
Bremens Torwart Jaroslav Drobny freute sich über die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte © WITTERS | TimGroothuis
Auch Werder-Trainer Alexander Nouri hatte vor dem Spiel Personalsorgen
Auch Werder-Trainer Alexander Nouri hatte vor dem Spiel Personalsorgen © WITTERS | ValeriaWitters
Vorstandschef Heribert Bruchhagen plauscht auf der Ehrentribüne mit HSV-Altstar Peter Nogly
Vorstandschef Heribert Bruchhagen plauscht auf der Ehrentribüne mit HSV-Altstar Peter Nogly © WITTERS | TimGroothuis
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Neben Ito stand auch der erst 18 Jahre alte Vasilije Janjicic im defensiven Mittelfeld überraschend in der Startformation und machte seinen Job sehr gut. Und in der 87. Minute kam dann der Moment, auf den viele HSV-Fans schon lange gewartet haben: Sturmtalent Jann-Fiete Arp gab sein Bundesligadebüt, als erster Spieler mit dem Geburtsjahr 2000 überhaupt in der Liga. „Ich mache es gerne, dass ich junge Spieler bringe, wenn ich Sachen im Training sehe, die mir gefallen“, sagte Gisdol.

Twitter-Häme gegen den HSV

Fiete Arp schreibt Bundesliga-Geschichte

Schon als Trainer in Hoffenheim hatte er das praktiziert. Er ermöglichte Topleuten wie Nikolas Süle, Jeremy Toljan oder Mark Uth ihr Bundesligadebüt. „Spieler wie Ito, Janjicic oder Arp können die Zukunft unseres Vereins sein. Wenn man nicht so viel Geld hat, muss man das machen. Wir haben doch alle gesehen, wie verrückt der Transfermarkt inzwischen ist. Das ist auch ein Weg, der uns gut zu Gesicht steht“, glaubt Gisdol.

Schon am vergangenen Sonntag in Leverkusen durfte Ito für acht Minuten Bundesligaluft schnuppern, nach einer weiteren guten Trainingswoche entschied Gisdol nun, es mit dem kleinen Japaner schon in der Startelf zu versuchen. Gezockt und gewonnen. „Nach dem Ausfall von Filip Kostic war klar, dass wir links Tempo brauchen“, erklärte der Trainer, „deshalb habe ich ihn von der Regionalligamannschaft hochgeholt. Er hat sehr gut trainiert. Aber die Wahrheit ist auf dem Platz und da hat er die richtige Antwort gegeben.“

Ito suchte immer wieder Eins-zu-eins-Situationen

Immer wieder suchte Hamburgs Nummer 43 Eins-zu-eins-Situationen und dribbelte sich mit diesen mutigen Attacken in die Herzen der Fans. „Das sollte ich machen, hat der Trainer gesagt, und Papadopoulos hat gemeint, ich kann es auch hundertmal versuchen“, erzählte Ito, „aber ich kann es noch besser machen und muss noch torgefährlicher werden.“

Itos Auftritt war der hellste von einigen Lichtblicken beim HSV in diesem 107. Nordderby, dessen Ergebnis ja eigentlich einen schlimmen Krisenkick vermuten lässt. „Ich bin zwiegespalten, es war über weite Strecken ein gutes Spiel von uns. Die Leistung war positiv“, urteilte Gisdol am Morgen danach, „wir spielen uns Chancen heraus, das ist gut. Der Wermutstropfen ist, dass wir halt wieder kein Tor erzielt haben.“ Papadopoulos (16.), Gotoku Sakai (28.), Aaron Hunt (30.), André Hahn (56.) und Bobby Wood (60.) hatten Großchancen, doch Pech, Unvermögen oder Werders starker Torwart Jiri Pavlenka verhinderten einen Erfolg. „Wenn wir die Tore machen, dann wäre es ein perfektes Spiel gewesen“, meinte Trainer Gisdol.

"Zu viel Aufwand, zu wenig Ertrag"

Entscheidend für die Steigerung – bei allerdings immer noch eklatanten spielerischen Defiziten, die die Betrachter folterten – waren neben den Youngstern aber auch die Oldies Aaron Hunt und Albin Ekdal, die nach ihren Verletzungspausen zurückgekehrt sind. Ekdal sorgte für Ruhe und Stabilität im Mittelfeld, Hunt für gute Standards und kreative Ideen. „Das war ein Schritt in die richtige Richtung“, meinte Hunt, „aber mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein.“ Auch Vorstandschef Heribert Bruchhagen war nicht vollständig einverstanden mit dem Auftritt. „Wir müssen zu viel Aufwand treiben für zu wenig Ertrag“, sagte er, „unser Spiel ist zu kraftaufwendig.“

In den zwei Wochen Länderspielpause trainieren die Hamburger natürlich voll durch, auch wenn wieder zehn Profis unterwegs sind. Ito allerdings hat seinen Platz im Kader unabhängig davon nun sicher. Im Juli 2015 wagte er als 18-Jähriger vom Verein Kashiwa Reysol aus einem Vorort von Tokio den Sprung nach Europa in die U19 des HSV. Nach sechs Einsätzen in der A-Jugend war er in der letzten Saison in der Regionalliga aktiv und spielte sich dabei in den Fokus. Im Sommer 2018 endet sein Vertrag, da gibt es jetzt schnellen Handlungsbedarf für Sportchef Jens Todt.

Ito spricht gutes Deutsch und ist seine große Bewährungsprobe ohne sichtbare Nervosität angegangen. „Aber natürlich war ich etwas aufgeregt“, erzählte er und wunderte sich: „Im Fußball geht alles sehr schnell. Vor zwei Wochen habe ich noch vor 200 Zuschauern in der Regionalliga gespielt und jetzt vor 55.000. Das ist schon etwas überraschend.“ Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Wie groß ist er denn jetzt? Zwischen 1,63 und 1,66 Metern schwanken die Angaben. „Ich bin 1,68 Meter“, sagt Ito, „mit Schuhen.“