Hamburg . Der HSV kann auch im Krisengipfel gegen Werder Bremen seine Torflaute nicht beenden. Doch die Debütanten machen Hoffnung.

Ein letztes Mal herrschte Aufregung am Volkspark: Schiedsrichter Deniz Aytekin näherte sich der Bremer Bank und zeigte Michael Zetterer die Gelbe Karte. Der Ersatzkeeper hatte sich zu laut beschwert. Dann war Schluss. Ja, es waren alle Emotionen drin, die man von einem Nordderby erwarten durfte. Aber was fehlte, waren eben die Tore. Das 0:0 gegen Werder war für den HSV bereits das fünfte Spiel ohne eigenen Treffer. Immerhin: Nach vier Niederlagen ist zumindest der freie Fall gestoppt.

Hamburgs Trainer Markus Gisdol zog im Sky-Interview dennoch ein rundum positives Fazit. "Die Mannschaft hat es nicht nur gut, sie hat es sehr gut gemacht. Wir hätten heute den Sieg verdient gehabt." Doch der Lohn blieb aus, und so verharrt der HSV mit nun sieben Punkten auf Platz 15, unmittelbar vor dem Erzrivalen (vier Punkte), der auch im saisonübergreifend zehnten Bundesligaspiel ohne Sieg blieb.

Einen Tag nach seinem 130. Geburtstag wollte sich der HSV selbst beschenken und den 500. Heimsieg feiern. „Das wäre dann eine runde Sache“, hatte Gisdol gesagt. Der Trainer konnte wieder auf den Schweden Albin Ekdal und den Ex-Bremer Aaron Hunt zurückgreifen, beide standen prompt in der Startelf – und überraschend auch die Youngster Tatsuya Ito und Vasilije Janjicic. Ito (20) hatte erst beim 0:3 in Leverkusen sechs Tage zuvor ein achtminütiges Bundesliga-Debüt gegeben, Janjicic (18) in dieser Saison nur sechs Minuten auf dem Platz gestanden.

Die Statistik

HSV

Mathenia – Diekmeier, Papadopoulos, Gideon Jung, Sakai – Ekdal (74. Walace), Janjicic – Hahn, Hunt, Ito (53. Holtby) – Wood (89. Arp). – Trainer: Gisdol.

Werder Bremen

Pavlenka – Bauer, Veljkovic, Moisander – Gebre Selassie, Bargfrede (63. Maximilian Eggestein), Garcia – Kainz (63. Junuzovic), Delaney – Bartels (90. Hajrovic), Belfodil. – Trainer: Nouri

Schiedsrichter

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach).

Zuschauer

Zuschauer: 54.613.

Gelbe Karten

Gelbe Karten: Papadopoulos (5) – Bauer (3), Gebre Selassie (2).

Erweiterte Statistik

Torschüsse: 17:8;Ecken: 6:7;Ballbesitz: 55:45 Prozent;Zweikämpfe: 120:110.

1/6

Walace, Sejad Salihovic, Lewis Holtby und Mergim Mavraj fanden sich dafür auf der Bank wieder. Und erstmals überhaupt auch Nachwuchsstürmer Jann-Fiete Arp. Das 17 Jahre alte Supertalent des HSV hatte unter der Woche bei den Profis mittrainiert und Gisdol offenbar überzeugt. Zumal in der Offensive die Planstellen der verletzten Filip Kostic und Nicolai Müller weiterhin vakant sind.

Bei den Bremern kehrte Kapitän Zlatko Junuzovic in den Kader zurück. Dafür fielen Außenbahnspieler Ludwig Augustinsson und Verteidiger Lamine Sané kurzfristig aus. Dass Werders Topstürmer Max Kruse nicht würde mitwirken können, war ohnehin klar.

Gisdol gab vor dem Spiel am Sky-Mikrofon Einblick in seine Überlegungen: „Hunt und Ekdal sind bei uns Stammkräfte. Und die Jungen haben im Training viel Spirit auf den Platz gebracht.“ In den vergangenen Spielen habe seine Mannschaft über die Flügel zu wenig Eins-gegen-eins-Situationen für sich entschieden, zu wenig Durchbrüche nach vorn geschafft. Vor allem Ito, der in Leverkusen sein Bundesliga-Debüt gegeben hatte, sollte das ändern.

Ito sorgt für viel Wirbel

Die Strategie ging auf. Nach einer ausgeglichenen Anfangsphase, in der Bremens Stürmer Ishak Belfodil beinahe einen Patzer von HSV-Torwart Christian Mathenia bestraft hätte (10. Minute), übernahmen die Hamburger die Initiative und stießen immer wieder gefährlich und gefällig in die Bremer Hälfte vor – dank 1,63-Meter-Mann Ito, der auf dem linken Flügel seine Gegenspieler mit seinen schnellen Antritten überrumpelte. Gisdol durfte sich später bestätigt sehen: "Es ist toll, wie abgeklärt er es gemacht hat, das macht viel Hoffnung."

Für die besten Hamburger Chancen allerdings mussten trotz Itos Vorstößen vorerst Standardsituationen herhalten. Kyriakos Papadopoulos köpfte nach einem Hunt-Freistoß am Tor vorbei (16.). Noch knapper war es nach knapp einer halben Stunde. Hunt spielte einen Eckstoß flach zu Kapitän Gotoku Sakai, dessen Linksschuss das Bremer Tor nur um Zentimeter verfehlte. Eine HSV-Führung zur Pause wäre durchaus angemessen gewesen.

Hahn und Wood verpassen Führung

"Wir lassen die Hamburger zu oft in unsere Hälfte vordringen", erkannte Werder-Manager Frank Baumann in der Pause im Sky-Interview, "wir müssen enger dran und gedanklich schneller sein." Doch auch nach dem Seitenwechsel lag der HSV in diesen Kriterien weiterhin klar vorn.

Für Wechsel hatte Gisdol keinen Anlass – doch das sollte sich bald ändern. Von Krämpfen geplagt, humpelte Ito vom Platz (52.). "Beide Waden waren zu, er war eigentlich schon zur Halbzeit platt", sagte Gisdol. Er brachte nun Holtby. Am Gesamtbild änderte das nichts. Der HSV drängte auf die Führung und hätte sie beinahe erzielt, doch Werder-Torwart Pavlenka konnte André Hahns Lupfer im Zurücklaufen mit den Fingerspitzen über die Latte lenken (56.). Vier Minuten später kann der umtriebige HSV-Stürmer Bobby Wood aus allerdings spitzem Winkel den Ball nicht aufs lange Eck ziehen.

Doppelwechsel lässt Werder aufkommen

Bremens Trainer Alexander Nouri sah sich gezwungen zu handeln und brachte Junuzovic für Kainz und Eggestein für Bargfrede ins Spiel. Prompt begann sich die Balance des Spiels etwas zu verschieben. Papadopoulos konnte einen Bremer Angriff nur auf Kosten der fünften Gelben Karte stoppen (68.), der Innenverteidiger fehlt dem HSV somit nach der Länderspielpause am 14. Oktober in Mainz.

Drei Minuten später dann die beste Bremer Chance: Junuzovic verlängert per Hacke auf Bartels, dessen Schuss HSV-Torwart Mathenia stark parieren konnte. Eine Viertelstunde vor dem Ende war auch Rückkehrer Ekdal am Ende mit seinen Kräften, für den Schweden kam Walace ins Spiel, das nun ein völlig offenes war.

Arp kommt zu seinem Debüt

Die nächste Chance, die HSV-Torflaute zu beenden, hatte Hunt, doch seinen Schlenzer aus rechter Position konnte Pavlenka sehenswert abwehren.

Nach 88 Minuten zog Gisdol seinen letzten Joker: Jann-Fiete Arp. Der Novize durfte zur Freude der Fans als Ersatz für Wood zum ersten Mal Bundesligaboden betreten. Er als Siegtorschütze im Derby – was wäre das für ein märchenhaftes Ende dieses Kampfspiels gewesen! Doch Schiedsrichter Aytekin pfiff es kurz darauf ab.

"Ich glaube, wir hätten heute drei Punkte holen können", sagte HSV-Verteidiger Dennis Diekmeier am Sky-Mikrofon. Seine wichtigste Erkenntnis: "Wir waren wieder voll da, die Körpersprache war positiv, Werder hatte kaum Chancen. Das können wir mitnehmen." Angreifer André Hahn sah es ähnlich: "Wir haben gut gekämpft und nicht schlecht gespielt. Jetzt geht es darum, in der Länderspielpause den Kopf frei zu bekommen, dann können wir positiv in die nächsten Spiele gehen."

Bremer Ultras bleiben draußen

Bliebe noch zu erwähnen, dass die 107. Auflage des Klassikers mit 54.613 Zuschauern wieder nicht ausverkauft war – zum sechsten Mal nun schon in den vergangenen acht Jahren. Offenbar passen Preisgestaltung und Platzierung beim HSV für manche Fans nicht mehr zusammen. Obwohl dieses Nord- zum wiederholten Mal zum Notderby verkommen war, hatten die Hamburger einen Topzuschlag auf die Tickets erhoben.

Im Stadion selbst blieb es dann friedlich – wohl auch, weil die Polizei die Bremer Ultras erst gar nicht einließ. Die Behörden hatten für die Begegnung strenge Sicherheitsauflagen verfügt. In vielen Zügen von und nach Hamburg und auf Bahnhöfen waren Alkohol, das Mitführen von Glasflaschen, Pyrotechnik sowie Schutzbewaffnung und Vermummungsgegenstände verboten. Um Pyro-Ausschreitungen zu unterbinden, war das Stadion mehrmals durchsucht worden.