Hamburg. Aaron Hunt sollte gehen. Nun sehnt HSV-Trainer Gisdol sein Comeback herbei, das der Ex-Bremer ausgerechnet gegen Werder feiern will.

Als Aaron Hunt erstmals nach einem Monat Pause um 10.20 Uhr den Trainingsplatz im Volkspark betritt, dauert es nur wenige Momente, ehe sich die Nachricht auch 110 Kilometer weiter südwestlich herumgesprochen hat. „Und?“, fragt Werder Bremens Sportchef Frank Baumann ungeduldig am Telefon. „Ist der Aaron wieder fit?“

Der Aaron ist fit, dem zuletzt maladen Oberschenkel geht es bestens. „Alles gut“, sagt Hunt, als er knapp zwei Stunden später den Trainingsplatz wieder verlässt. „Ich habe ja schon eine Woche lang intensiv Einzeltraining gemacht, jetzt habe ich erstmals mit der Mannschaft trainiert.“ Hunt macht eine kurze Pause, gibt ein Autogramm. „Es könnte eine echte Punktlandung bis zum Werder-Spiel werden“, sagt er und grinst. „Die Vorfreude ist riesig.“

13 Jahre lang spielte Aaron Hunt für Werder Bremen. 285 Bundesligaspiele, 52 Tore, 50 Torvorlagen. „Aaron kann Dinge, die andere nicht können“, sagt Baumann, der von 2004 bis 2009 immerhin fünf Jahre lang mit Hunt bei Werder zusammengespielt hat.

Beim HSV nur selten herausragend

„Ich kann mich noch genau erinnern, wie Aaron als junger Bursche aus dem Nachwuchs zu den Profis kam“, sagt Baumann. „Wir haben gerade das Double geholt, sind Meister und Pokalsieger geworden.“ Es war Werder Bremens beste Saison der Geschichte. Spieler wie Ailton, Ivan Klasnic und natürlich der legendäre Johan Micoud verzauberten die Fans, als plötzlich dieser 17 Jahre alte Blondschopf aus Goslar nach der Sommerpause mittrainieren durfte. „Aaron hat sich von diesen Namen überhaupt nicht beeindrucken lassen. Er war extrem forsch, hat direkt versucht, seinen Platz in dieser wirklich tollen Werder-Mannschaft zu finden.“

All das ist lange her. Bekanntlich kehrte Hunt zehn Jahre nach seinem nassforschen Auftritt als Youngster Bremen den Rücken und ging 2014 für eine Saison und viel Geld nach Wolfsburg, ehe es ihn ein Jahr später weiterzog. Nach Hamburg. Ausgerechnet nach Hamburg.

„Aaron Hunt ist ein herausragender Fußballer, für den die Leute ins Stadion gehen“, sagte Ex-Trainer Bruno Labbadia, als er Hunt auf dem letzten Drücker im Sommer 2015 für drei Millionen Euro zum HSV holte. Das Problem: Dieser herausragende Fußballer spielte fortan nur selten herausragend. Und Förderer Labbadia, der trotz allem immer an Hunt festhielt, ereilte ein Jahr später dann auch das Schicksal, das HSV-Trainer im Schnitt nach Pi mal Daumen einem Jahr immer ereilt.

Von Gisdol zunächst kaum berücksichtigt

Markus Gisdols Stern ging auf – und Hunts Stern ging unter. Der Fußball­ästhet wurde fortan nur noch ein- und ausgewechselt – oder überhaupt nicht mehr berücksichtigt. Im Winter sollte endgültig Schluss sein: Trabzonspor wollte den gut verdienenden Ersatzmann verpflichten, konnte sich mit dem HSV aber bis zum Ende der Transferfrist nicht einigen. „Ich weiß, dass ich Fußball spielen kann. Das habe ich nicht verlernt, nur weil die eine oder andere Sache in der Vergangenheit nicht so optimal gelaufen ist“, sagte Hunt nach dem Scheitern der Gespräche – und machte dann das, was er tatsächlich am besten kann: Fußball spielen.

Der gebürtige Niedersachse traf nach der Winterpause, in der er doch eigentlich den HSV verlassen sollte, gegen Leipzig, gegen Freiburg und war plötzlich wieder gefragt. „Ich weiß, wie schnell es nach oben geht – aber auch in die andere Richtung“, sagte Hunt. Als Ü-30-Jähriger wird man entspannt.

Daran änderte sich auch nichts, als der Mittlerweile-wieder-Stammspieler im Sommer erneut abgegeben werden sollte. Nicht die Leistung, sondern das liebe Geld war nun das Problem. Mehr als drei Millionen Euro bekommt der frühere Bremer in Hamburg – was ihn in der Sommerpause zum Spekulationsobjekt Nummer eins werden ließ. „Hunt vor dem Abflug“ titelte die „Sport-Bild“ am 12. Juli, „Hunt wird gejagt“ schrieb die „Hamburger Morgenpost“. „Hunt in die Türkei“ spezifizierte das Abendblatt, und „Ich habe einen neuen Verein“ stand schließlich Mitte Juli über einem Interview mit dem Onlineportal „Transfermarkt.de“.

Hunt will „aus Respekt“ nicht jubeln

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Wie schon im Winter platzte auch im Sommer der angedachte Transfer in die Türkei. Diesmal war es Osmanlispor, das ein gesteigertes Interesse an dem Hamburger Ballvirtuosen zeigte. „Ich könnte zeitnah wechseln, einen Verein habe ich. Die Sache liegt beim HSV, der jetzt Ja oder Nein sagen muss“, hatte Hunt gesagt – und der HSV hatte trotz Sparzwangs Nein gesagt.

Alles auf Anfang also. Mal wieder. Am ersten Spieltag kam Aaron Hunt nach nur 15 Minuten für den verletzten Nicolai Müller rein – am zweiten Spieltag musste er dann selbst nach 29 Minuten verletzt raus. Der Oberschenkel.

In den Spielen danach hat der HSV kein einziges Mal mehr getroffen. Vier Partien, viermal stand die Null. In Spiel fünf soll sich das nun unbedingt ändern. Mit Hunt. Hoffen die Hamburger. Befürchten die Bremer.

„Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist Aaron noch immer ein außergewöhnlicher Fußballer“, sagt Baumann. Ein außergewöhnlicher Fußballer, der am Sonnabend „aus Respekt“ nicht jubeln – „aus purer Lust“ aber treffen will. Gegen sein Werder. Für seinen HSV.