Hamburg. Seit drei Spielen trifft der HSV das Tor nicht mehr. Vor dem Leverkusen-Spiel könnte man sich Sorgen machen. Oder man lässt es einfach.

Am Morgen nach dem 0:3 des HSV gegen Dortmund schien sich der Himmel mit der allgemeinen Stimmungslage bestens abgestimmt zu haben. Dreimal in Folge verloren, dreimal in Folge kein Tor geschossen – und über dem Volksparkstadion drängelten sich graue Wolkenberge, die nichts Gutes im Sinn zu haben schienen. Ein waschechtes Sturmtief im Norden?

Von wegen! Just in dem Moment, als die HSV-Profis mit Trainer Markus Gisdol vorneweg von ihrer regenerativen Radtour aus dem Volkspark zurückkamen, riss die Wolkendecke plötzlich auf. Die Sonne blitzte hervor, und der blaue Himmel zeigte sich von seiner schönsten Seite. Hoch „Queena“ hatte sich durchgesetzt und sorgte am offiziell ersten Herbsttag für den inoffiziell ersten Sommertag des Jahres.

„Guten Tag, die Herren“, sagte der bestens gelaunte Gisdol wenig später, als er im Bauch des Stadions noch einmal „das sehr gute Spiel meiner Mannschaft“ Revue passieren ließ und einen Ausblick auf die Partie am Sonntag gab. „Leverkusen hat seinen Weg noch nicht gefunden“, frohlockte der Trainer, der sich für das Spiel durchaus Chancen ausrechnet: „Bayer ist eine schwierig einzuschätzende Mannschaft mit großen Leistungsschwankungen.“

BVB-Trainer lobt harmlosen HSV

Vor dem anspruchsvollen Betriebsausflug in den Westen der Republik könnte man also relativ pro­blemlos von eitel Sonnenschein in Hamburg berichten – wenn die tatsächliche Großwetterlage das auch zulassen würde. Tut sie nur leider nicht.

Denn ganz unabhängig von der Vorhersage, die für Leverkusen am Sonntag 19 Grad, blauen Himmel und Sonne satt prognostiziert, ist ein gewisses Sturmtief beim HSV kaum zu leugnen. „Es stimmt schon, dass uns leider oft der letzte Pass fehlt. Es fehlt die letzte Entschlossenheit“, räumt Trainer Gisdol ein, der aber trotzdem nichts von Schlechte-Laune-Wetter wissen will: „Ich würde mir ernsthafte Sorgen machen, wenn wir schlecht spielen. Aber das machen wir nicht.“

HSV-Trainer Gisdol nach Dortmund und vor Leverkusen

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    Darüber kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein. „Wir haben nicht erwartet, dass der HSV so viel Druck macht – das hat bislang keine Mannschaft gegen uns geschafft. Nicht einmal Tottenham Hotspur in der Champions League“, lobhudelte BVB-Trainer Peter Bosz auf der einen Seite. Auf der anderen Seite hat das mutig vorgetragene HSV-Pressing wenig bis gar nicht zu echten Torchancen am Mittwoch geführt. „Wir haben das couragiert gemacht. Aber es stimmt schon, dass bei den letzten Bällen im letzten Drittel zu oft die Präzision fehlt“, konstatierte Sportchef Jens Todt.

    Torflaute: Das Minutenzählen beginnt

    Tatsächlich warten HSV-Fans bereits seit 270 Minuten auf ein Tor. Überhaupt, Torchancen sind Mangelware. Gegen Dortmund erspielten sich die Hamburger drei mehr (Hahn) oder weniger (noch einmal Hahn und ­Mavraj) gute Chancen. Gegen Hannover gab es gar keine Tormöglichkeit, und gegen Leipzig hatte lediglich der später verletzte Filip Kostic eine echte Torchance. „Wir haben halt keinen Aubameyang – vielleicht liegt es daran“, orakelte Abwehrmann Mergim Mavraj.

    Einzelkritik: Sakai mit Knoten in den Beinen

    Theoretisch heißt Hamburgs Aubameyang Bobby Wood. Ganz praktisch kämpft der US-Amerikaner allerdings schon die ganze Saison mit leichten Knieproblemen und schweren Formschwankungen. Gegen Dortmund schoss Wood nicht ein einziges Mal auf das Tor, in insgesamt vier Spielen wagte er vier Versuche. Wood hat gerade mal ein Drittel seiner in dieser Saison 112 Zweikämpfe gewonnen, er hat kein einziges Mal geflankt und auch kein Tor vorbereitet. „Wir müssen das einfach einen Tick besser machen“, sagt der gebürtige Hawaiianer betont entspannt. Kein Problem. „Wenn ich spiele, dann ist alles gut.“

    Die HSV-Bilanz des Schreckens

    Ganz so gut dann aber doch nicht. Hamburgs Abteilung Attacke schießt im Schnitt dreimal seltener auf das Tor als der Gegner, der HSV läuft durchschnittlich einen Kilometer weniger, verliert mehr Zweikämpfe, hat nicht einmal 40 Prozent Ballbesitz, passt nur halb so oft den Ball hin und her und hat dafür deutlich mehr Fehlpässe.

    Muss man sich also doch langsam Sorgen machen? „Nein, ganz und gar nicht! Warum sollte ich mir jetzt Sorgen machen?“, beantwortet André Hahn die Frage mit einer rhetorischen Gegenfrage. „Uns fehlen im Moment im Abschluss einfach das nötige Glück und die Konsequenz, um das Tor zu erzielen“, sagt der Sechs-Millionen-Euro-Neuzugang, der bereits am Sonntag gegen Leverkusen Besserung gelobt.

    HSV vs. BVB in Bildern:

    HSV verliert deutlich gegen Borussia Dortmund

    Minute 64: Pierre-Emerick Aubemeyang feiert seinen insgesamt neunten Treffer gegen den HSV, der in diesem Fall das 2:0 für Borussia Dortmund bedeutete
    Minute 64: Pierre-Emerick Aubemeyang feiert seinen insgesamt neunten Treffer gegen den HSV, der in diesem Fall das 2:0 für Borussia Dortmund bedeutete © dpa
    Der Dank des Gabuners ging an einen Ukrainer: Andrej Jarmolenko hatte die Vorarbeit geleistet, Douglas Santos (hinten) hatte ihn gewähren lassen
    Der Dank des Gabuners ging an einen Ukrainer: Andrej Jarmolenko hatte die Vorarbeit geleistet, Douglas Santos (hinten) hatte ihn gewähren lassen © Getty Images
    Hamburger Körpersprache, die nichts Gutes verheißt: Bobby Wood...
    Hamburger Körpersprache, die nichts Gutes verheißt: Bobby Wood... © Witters
    ...Kyriakos Papadopoulos...
    ...Kyriakos Papadopoulos... © WITTERS | TimGroothuis
    ...und ein genervter Sejad Salihovic (r., mit Nuri Sahin)
    ...und ein genervter Sejad Salihovic (r., mit Nuri Sahin) © Witters
    Besser, weil eleganter sah das in dieser Situation schon bei Walace aus
    Besser, weil eleganter sah das in dieser Situation schon bei Walace aus © WITTERS | FrankPeters
    Die Choreographie von Gotoku Sakai und Andrej Jarmolenko konnte sich ebenfalls sehen lassen
    Die Choreographie von Gotoku Sakai und Andrej Jarmolenko konnte sich ebenfalls sehen lassen © Witters
    Richtig losgelöst wirkte der BVB ab der 24. Minute, als Shinji Kagawa die Westfalen in Führung brachte
    Richtig losgelöst wirkte der BVB ab der 24. Minute, als Shinji Kagawa die Westfalen in Führung brachte © Witters
    Der Japaner stocherte den Ball im Anschluss an einen Freistoß über die Linie
    Der Japaner stocherte den Ball im Anschluss an einen Freistoß über die Linie © Witters
    HSV-Torhüter Christian Mathenia passte das natürlich ebenso wenig...
    HSV-Torhüter Christian Mathenia passte das natürlich ebenso wenig... © Witters
    ...wie dem Rest der Mannschaft
    ...wie dem Rest der Mannschaft © Witters
    Auch HSV-Trainer Markus Gisdol wirkte nicht gerade zufrieden
    Auch HSV-Trainer Markus Gisdol wirkte nicht gerade zufrieden © Witters
    Verstecken spielen wollte André Hahn eigentlich nicht
    Verstecken spielen wollte André Hahn eigentlich nicht © Witters
    BVB-Keeper Roman Bürki im Infight mit
    BVB-Keeper Roman Bürki im Infight mit "Papa" © Witters
    Nach dieser Aktion...
    Nach dieser Aktion... © Imago/Michael Schwarz
    ...langte sich der gerade erst von einer Kniereizung genesene Bobby Wood an Kopf und Schienbein gleichzeitig
    ...langte sich der gerade erst von einer Kniereizung genesene Bobby Wood an Kopf und Schienbein gleichzeitig © Imago/MIS
    Neuzugang Sejad Salihovic kam zu seinem Startelf-Debüt
    Neuzugang Sejad Salihovic kam zu seinem Startelf-Debüt © WITTERS | TimGroothuis
    Kapitän Gotoku Sakai rückte indes zurück ins Team, hatte gegen den bärenstarken Andrej Jarmolenko allerdings einen schweren Stand
    Kapitän Gotoku Sakai rückte indes zurück ins Team, hatte gegen den bärenstarken Andrej Jarmolenko allerdings einen schweren Stand © WITTERS | TimGroothuis
    Lewis Holtby und der HSV hielt gegen den Tabellenführer aus Dortmund (hier mit Sokratis) zunächst gut mit
    Lewis Holtby und der HSV hielt gegen den Tabellenführer aus Dortmund (hier mit Sokratis) zunächst gut mit © WITTERS | FrankPeters
    Applaus statt Trauerflor gab es vor dem Spiel für den verstorbenen HSV-Präsidenten Wolfgang Klein
    Applaus statt Trauerflor gab es vor dem Spiel für den verstorbenen HSV-Präsidenten Wolfgang Klein © Witters
    Willkommen in Hamburg, Peter Bosz: Zumindest als Trainer stand der Niederländer erstmals auf dem rasen des Volksparkstadions
    Willkommen in Hamburg, Peter Bosz: Zumindest als Trainer stand der Niederländer erstmals auf dem rasen des Volksparkstadions © Witters
    Markus Gisdol kennt die Hamburger Arena dagegen schon wie seine Westentasche
    Markus Gisdol kennt die Hamburger Arena dagegen schon wie seine Westentasche © Witters
    Gisdol erwies sich vor dem Spiel als gewohnt guter Gastgeber
    Gisdol erwies sich vor dem Spiel als gewohnt guter Gastgeber © Witters
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    Also heiter weiter. Oder wie sagt der Volksmund: Auf Regen folgt Sonnenschein. Und wie floskelt Gotoku Sakai: „Wenn man vorne kein Tor erzielt, ist es schwer zu gewinnen.“