HSV-Idol Uwe Seeler äußert Kritik an der Einkaufspolitik und hat Verständnis für Investor Kühne. Gegner Leverkusen unter Druck.
Beiersdorfer nach Wolfsburg?
Der frühere HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer wird laut dem Fachmagazin "Kicker" beim VfL Wolfsburg als Geschäftsführer Sport gehandelt. Der Posten ist seit der Entlassung von Klaus Allofs vakant. Ein weiterer Kandidat sei der frühere Bayern-Manager Christian Nerlinger. Beiersdorfer war im Dezember als Vorstandsvorsitzender und Direktor Profifußball des HSV abberufen worden.
Nach Informationen der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung" könnte auch der bisherige VfL-Sportdirektor Olaf Rebbe zum Geschäftsführer Sport befördert werden. Rebbe steht allerdings aufgrund der sportlichen Krise des Clubs massiv unter Druck. Sollte der Trainerwechsel von Andries Jonker zu Martin Schmidt nicht den erwünschten Erfolg bringen, droht Rebbe die Entlassung.
Geschäftsführer Wolfgang Hotze stärkte Rebbe vor dem Spiel beim FC Bayern am Freitagabend (20.30 Uhr/Eurosport Player) den Rücken. „Es gibt keine Notwendigkeit, in dem Bereich jetzt etwas zu ändern“, sagte er der „Wolfsburger Allgemeinen“. Der Finanzfachmann selbst will sich Anfang kommenden Jahres aus der Geschäftsführung des Bundesligaclubs zurückziehen: „Dass sich dann auch in der Struktur etwas ändert, ist anzunehmen.“
Gisdol: "Leistung war am Maximum"
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Um zehn Uhr versammelte HSV-Trainer Markus Gisdol seine Mannschaft zum Auslaufen am Volkspark. Die Spieler, die am Mittwochabend nicht aktiv an der 0:3-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund beteiligt waren, übten (nicht öffentlich) auf dem Platz. Es gilt sich auf die Partie bei Bayer Leverkusen am Sonntag zur Wahllokalschließungszeit um 18 Uhr (Sky, Liveticker auf Abendblatt.de) vorzubereiten.
Gisdol begann noch am Mittwochabend mit dem psychologischen Wiederaufbau und redete seine Mannschaft stark. „Auch wenn es sich blöd anhört: Wir haben ein gutes Spiel gemacht“, sagte der Trainer, "die Leistung war am Maximum." Das Spiel sei lange Zeit offen gewesen, letztlich habe Dortmund seine Klasse durchgesetzt. Lob gab es aber auch vom Gegner. BVB-Trainer Peter Bosz, der übrigens als erster Bundesligatrainer seine ersten fünf Spiele ohne Gegentor überstand, sprach hinterher sogar vom „schwierigsten Spiel der Saison“. Nicht einmal die Tottenham Hotspurs, die seine Mannschaft in der Champions League mit 3:1 bezwungen hatten, hätten so viel Druck gemacht wie der HSV.
HSV verliert gegen Borussia Dortmund
"Es ist schön, wenn man Lob bekommt", sagte Gisdol am Donnerstag bei einer Presserunde, "aber die Währung, die im Fußball gilt, sind immer noch Punkte." Einer wäre für die Moral seiner Mannschaft gut gewesen, aber dafür sei die Qualität des Gegners einfach zu gut gewesen: "Gegen Dortmund bekommst du kein Spiel hin, wo du alles verhindern kannst, dafür ist ihr Umschaltspiel einfach zu gut." Gegen andere Mannschaften reiche eine Leistung wie am Mittwoch aber aus, um Punkte zu holen.
Dazu aber bedarf es einer Zutat: Tore. Drei Spiele hat der HSV nun schon keines mehr gemacht – geschuldet vor allem der großen Personalnot im Sturm. Gisdol hatte gegen Dortmund auf die Misere reagiert, indem er sein System auf ein 4-3-3 umstellte und den erst vor einer Woche verpflichteten Sejad Salihovic erstmals in die Startelf berief. Viel Auswahl hatte er allerdings ohnehin nicht.
Kommen Hunt und Ekdal zurück?
Immerhin: Bobby Wood konnte nach seiner Kniereizung wieder mitstürmen. Ob Aaron Hunt nach seinem Muskelfaserriss in Leverkusen sein Comeback geben kann, ist fraglich, ebenso wie bei Albin Ekdal, dessen Rücken wieder Probleme macht. Beide waren am Donnerstag im Training am Ball. Gisdol: "Sie sind nahe dran, wieder eine Rolle spielen zu können." Wobei man gegen Dortmund gar nicht gemerkt habe, dass der eine oder andere Stammspieler ausgefallen sei.
Gotoku Sakai fiel zwar nicht aus, doch der Kapitän läuft schon seit Saisonbeginn seiner Form hinterher. Gisdol ersetzte ihn gegen Dortmund anfangs der zweiten Halbzeit durch Douglas Santos, weil Sakai nach einem rüden Foul an Andrej Jarmolenko kurz vor dem Platzverweis stand. Gisdol bescheinigte Sakai aber, seine Aufgabe auf der linken Abwehrseite nach anfänglichen Schwierigkeiten "gut gemacht" zu haben.
Das Formtief des Japaners sei "eine menschliche Komponente". Sakai selbst sei sich seiner Krise bewusst und zeige Verständnis dafür, wenn er nicht spiele. Trotzdem setze er sich als Kapitän voll für die Mannschaft ein. Gisdol: "Er ist so ein feiner Bursche, mit ihm kann man ganz offen darüber reden." Ob Sakai in Leverkusen in der Startformation des HSV steht, wird sich zeigen.
Leverkusen unter Druck
Was sich sagen lässt: Leverkusen hat nicht weniger Probleme als der HSV, im Gegenteil. In fünf Spielen hat Bayer nur vier Punkte geholt und bereits zehn Tore kassiert. Trainer Heiko Herrlich ging mit seinen Profis nach der 1:2-Niederlage in Berlin am Mittwoch hart ins Gericht: Sie seien in einigen Szenen „einfach zu langsam im Kopf“ gewesen.
Auch Gisdol wird aus dem nächsten HSV-Gegner nicht schlau. "Sie haben große Leistungsschwankungen drin, von top bis deutlich unter Bundesliga-Durchschnitt." Die Mannschaft sei zwar gut besetzt, habe aber unter Herrlich noch nicht ihren Weg gefunden. Gisdol: "Sie bieten uns Chancen." Jetzt müssen sie nur noch genutzt werden.
Von einer Krise jedenfalls will Gisdol nichts wissen. Würde die Mannschaft schlecht spielen, würde er sich mehr Sorgen machen. Aber das sei nicht der Fall: "Die Mannschaft ist stabil, vieles ist auf dem richtigen Weg."
Verwirrung um Müllers Vertragslaufzeit
Nicolai Müller kann dem HSV aktuell nicht helfen. Der Topscorer der vergangenen Saison hatte sich bekanntlich beim Torjubel im Saisonauftaktspiel gegen Augsburg einen Kreuzbandriss zugezogen. Im Interview mit dem Fernsehsender Sky kündigte Müller (29) am Mittwoch an, seinen Vertrag nun doch verlängern zu wollen. Ob ihn die Verletzung umdenken ließ oder die Wechselabsichten nur ein Gerücht waren, sei dahingestellt. Tatsache ist: Die Unterschrift soll in den kommenden Tagen erfolgen, nur Details seien noch zu verhandeln.
Fragt sich noch, wie lange sich Club und Spieler treu bleiben wollen. Müller sprach bei Sky schwammig von "so ungefähr drei Jahren" Laufzeit. Laut "Bild"-Zeitung sollen der Vertrag aber nur bis 2020 gelten. Das wären zwei Jahre länger als der bisherige, der am Saisonende ausläuft.
Seeler: „Mischung stimmt nicht“
Uwe Seeler, Sie ahnen es, sorgt sich mal wieder um seinen HSV. „Aktuell stimmt bei vielen Spielern das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht. Ganz entscheidend für den Erfolg ist, dass man eine gute Mischung in der Mannschaft hat – und ich glaube, dass die Mischung beim HSV nicht stimmt“, sagte die Stürmerlegende dem Sportmagazin „Socrates“.
Seeler (80) äußerte zudem Verständnis für die Kritik von Investor Klaus-Michael Kühne: „Es ist doch klar, dass er wissen will, wo sein Geld bleibt und was damit passiert. Deswegen habe ich auch zu den Verantwortlichen beim HSV gesagt: Nun vertragt euch mal, redet vernünftig miteinander. Aber ihr müsst auch mal anfangen, vernünftig einzukaufen mit seinem Geld.“
Die heutigen Transfersummen kann der 80-Jährige nicht nachvollziehen. „Es kann kein Spieler so gut spielen, dass er diese Millionensummen wirklich wert ist. Jedenfalls hätte ich das nie von mir behauptet und auch von keinem anderen“, sagte Seeler. Der Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft sieht in der Überbezahlung von jungen Fußballprofis Gefahren: „Wenn die Jungs mit 18, 19 nun schon Millionen kriegen und kein gutes Elternhaus haben, kann es gut sein, dass sie abdriften. Es ist schwer geworden für die heutige Fußballer-Generation, auf dem Boden zu bleiben.“