Hamburg. HSV-Torhüter stellt sich selbst auf den Prüfstand. Ex-Hamburger Golz weiß, worauf es jetzt ankommt.

Es war erstaunlich ruhig am Nachmittag im Volkspark. Der HSV verlegte das ohnehin nicht öffentliche Abschlusstraining vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund (am heutigen Mittwoch, 20.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) kurzerhand ins Stadion und verschreckte damit auch die letzten Kiebitze, die für gewöhnlich versuchen, einen Blick auf das Gelände über einen Zaun mit weißem Sichtschutz zu ergattern. Markus Gisdol machte den Kiebitzen damit einen Strich durch die Rechnung und studierte unbeobachtet eine neue taktische Ausrichtung gegen den aktuellen Tabellenführer ein.

Der HSV-Trainer liebäugelt mit einem Systemwechsel auf ein 4-3-3 mit drei defensiven Mittelfeldspielern. Nur eine Woche nach seiner Verpflichtung soll Neuzugang Sejad Salihovic dabei eine zentrale Rolle einnehmen und der Mannschaft mehr Ballsicherheit verleihen. Zur Seite stehen werden dem Bosnier aller Voraussicht nach Gideon Jung und Albin Ekdal. Allerdings konnte der Schwede nach einem Tag Pause nur Teile des Mannschaftstrainings am Dienstag absolvieren. Eine finale Entscheidung über seinen Einsatz fällt erst wenige Stunden vor dem Anpfiff.

Es könnte Torwartdiskussion geben

Auch aus dem Rest seiner Startformation macht Gisdol noch ein Geheimnis. Lediglich Torhüter Christian Mathenia bescheinigte er trotz seiner beiden Fehler beim 0:2 in Hannover eine Stammplatzgarantie. „Es wäre absurd, ihn jetzt infrage zu stellen“, sagte Gisdol und verwies auf Mathenias bisherige Leistungen, mit denen er sich beim HSV bewährt habe. „Er hat in der vergangenen Saison hervorragende Spiele am Stück gemacht.“ Doch auch Gisdol weiß, wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist. Mathenia war bis zum Spiel in Hannover die unumstrittene Nummer eins des HSV. Mit seiner unfreiwilligen Beteiligung an beiden Gegentoren hat er sich aber selbst auf den Prüfstand gestellt. Weitere Fehler sollten Mathenia vorerst nicht unterlaufen, sonst könnte es in Hamburg schnell eine Torwartdiskussion geben.

Gegen den BVB wird der 25-Jährige vermutlich reichlich Gelegenheiten erhalten, sich auszuzeichnen, um seinen Status als Stammtorwart zu festigen. Die Westfalen, die am Dienstag im Millerntor-Stadion trainierten, haben bereits zehn Saisontreffer erzielt, stellen damit die torgefährlichste Offensive der Liga. Top-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang hat mit acht Toren in acht Spielen außerdem die beste Bilanz unter allen Bundesligisten gegen den HSV.

Woche für Woche neu beweisen

In der noch jungen Spielzeit erzielte der exzentrische Angreifer ebenfalls schon vier Tore. Erfolgreicher war lediglich Bayern Münchens Torjäger Robert Lewandowski (6 Tore). Auch beim bisher letzten Aufeinandertreffen der beiden Traditionsclubs stellte Aubameyang seine Treffsicherheit unter Beweis. Bei seinem Tor zum 3:0-Endstand prallte der Gabuner mit René Adler, der sich dabei einen Rippenbruch zuzog, zusammen. Die Szene war gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Ende von Adler in Hamburg, denn die damalige Nummer eins des HSV fiel verletzungsbedingt für den Rest der vergangenen Saison aus. Inzwischen spielt er in Mainz. Seitdem steht Mathenia zwischen den Pfosten.

Auch wenn er im Sommer den Konkurrenzkampf mit dem aus Kaiserslautern verpflichteten U-21-Europameister Julian Pollersbeck für sich entschied, müsse er sich „Woche für Woche neu beweisen“, sagte Ex-HSV-Torwart Richard Golz. „Es liegt allein an Mathenia, ob er spielt. Wenn er seine Leistung bringt, bleibt er auch im Tor“, sagt der aktuelle Torwarttrainer der rumänischen Nationalmannschaft, der zwischen 1987 und 1998 insgesamt 305-mal das HSV-Tor hütete. Golz, einst Torwarttrainer bei der zweiten Mannschaft des HSV und bei Hertha BSC, weiß, auf was es jetzt ankommt, damit Mathenia wieder Topleistungen wie noch zu Saisonbeginn gegen Augsburg (1:0) und in Köln (3:1) abrufen kann. Dabei sieht er vor allem Stefan Wächter in einer besonderen Funktion. So müsse der Torwarttrainer Mathenia sowohl mental unterstützen als auch sportlich fördern. „Das eine ist der Kopf, das andere der Körper – beides kann man trainieren. So wie ich Stefan Wächter kenne, weiß er genau, wie er ihn jetzt anpacken muss.“

Gisdol will Borussia Dortmund zu Hause ärgern

Nachdem Mathenia selbstkritisch mit seiner Leistung in Hannover ins Gericht gegangen war und den Abend als „gebraucht“ bezeichnete, betonte Gisdol, dass man Fehler auch abhaken müsse. Die von Golz angesprochene psychologische Komponente wollte der Trainer am Dienstag nicht zu hoch hängen. „Wir brauchen ihn nicht aufrichten, ich habe nicht den Eindruck, dass er in irgendeiner Form zusätzliche Unterstützung braucht“, sagte der HSV-Coach.

Mathenia sei bereit für das Duell mit dem „Nonplusultra in Deutschland“, wie Gisdol den kommenden Gegner bezeichnete. „Ich freue mich auf den Gegner, der sich in einer herausragenden Verfassung befindet.“ Weil die Hamburger zwei Tage mehr Regenerationszeit haben als der BVB, rechnet sich Gisdol gegen die noch ungeschlagenen Dortmunder einiges aus. „Vom körperlichen Zustand ist das ein Vorteil für uns. Mit der Unterstützung unseres Publikums sind wir in der Lage, ihnen wehzutun“, hofft Gisdol und setzt dabei auch auf einen starken Rückhalt im Tor: Christian Mathenia.

Hamburg: Mathenia – Diekmeier, Mavraj, Papadopoulos, Sakai – Jung, Salihovic, Ekdal (Walace) – Hahn, Wood, Holtby Dortmund: Bürki – Piszczek, Sokratis, Toprak, Zagadou – Sahin – Castro, Götze – Yarmolenko, Aubameyang, C. Pulisic