Hamburg. Der HSV-Vorstandsvorsitzende über die Pokalblamage von Osnabrück, seine Erwartungen an die Saison und die Geldschere in der Liga.

Der HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen (68) äußert sich im Interview über den verkorksten Pokalauftakt und seine Erwartungen an die neue Saison.

Frage: Was erhoffen Sie sich von der Saison mit dem HSV?

Heribert Bruchhagen: Wir wollten natürlich mit einem Sieg gegen Osnabrück starten. Das hat leider nicht geklappt. Wir haben eine enttäuschende Leistung geboten. Ich erwarte, dass unsere Mannschaft zum Bundesliga-Auftakt gegen den FC Augsburg hochkonzentriert auftritt. Wir hatten zwei Runden geplant, das wären 477.500 Euro an garantierten Einnahmen gewesen. Nun sind es nur 159.000 Euro. In der Meisterschaft haben wir in der Hinrunde die Bayern zu Hause, RB Leipzig zu Hause, Borussia Dortmund zu Hause. Da muss man kein großer Prophet sein, wenn man die Hinrunde als sehr schwer und die Rückrunde als punkteträchtiger ansieht.

Welches sind Ihre Verdienste seit Amtsübernahme im Dezember 2016?

Der Aufsichtsrat hat zu 100 Prozent eingehalten, dass er sich nicht mehr äußert. Es gibt mehr Ruhe im Verein. Die Zusammenarbeit der Gremien klappt reibungslos.

In den vergangenen Wochen hieß es erst Transferstopp, dann gab es grünes Licht. Waren Sie sich in der Führung nicht einig?

Es geht um die Frage der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Aus dem strukturellem Defizit der vergangenen Jahre hatten wir Konsequenzen gezogen. Wir glaubten, mit einem Lizenzspieler-Etat von 48 Millionen Euro in die Saison gehen zu müssen. Wir haben aber festgestellt, dass der Wettbewerb enorm hart wird. Zehn Vereine sind Kandidaten für die letzten drei Plätze. Die Analyse von Trainer Gisdol und Manager Todt sowie zusätzliche Hilfe von Herrn Kühne haben aber dazu geführt, dass wir unseren ursprünglichen Beschluss modifiziert haben und mit einem Lizenzspieler-Etat von circa 55 Millionen Euro in die Saison gehen. Wir glauben, mit dieser Summe wettbewerbsfähig zu sein.

Kommentar: Der HSV setzt alles auf null

Können Sie nach den sportlich mageren Jahren eine realistische Platzierung als Ziel nennen?

Jeder Verein setzt sich ein um zwei, drei Plätze höheres Ziel als in der Vorsaison. Schon rein mathematisch geht das nicht. Zwölf Vereine erreichen ihr Ziel also nicht, davon entlassen sechs ihren Trainer. Das ist vorhersehbar. Warum soll man eine blumige Erwartungshaltung in die Welt setzen?

Was ist wirtschaftlich machbar?

Wir wollen ein ausgeglichenes Geschäftsjahr. Wir haben wieder Unterstützung von Herrn Kühne erhalten. Das macht uns möglich, eine gewisse Flexibilität im Lizenzspieler-Etat zu entwickeln. Und um es nochmals klar zu sagen: Herr Kühne nimmt keinen Einfluss auf das operative Geschäft des Vereins.

Wie will sich der Verein unabhängiger machen?

Wir sind im TV-Ranking 16. Das ist desaströs. Der FC Augsburg etwa bekommt zehn Millionen Euro mehr an TV-Geld als wir. Fernsehgeld fällt netto vom Himmel. Unser Ranking müssen wir zwingend verbessern, das können wir nur tabellarisch machen.

Die Erstrunden-Pleiten des HSV im DFB-Pokal

2017/18

VfL Osnabrück – HSV 3:1

2015/16

FC Carl Zeiss Jena – HSV 3:2 n.V.

2012/13

Karlsruher SC – HSV 4:2

2006/07

Stuttgarter Kickers – HSV 4:3 n.V.

2004/05

Paderborn 07 – HSV 4:2

1995/96

Arminia Bielefeld – HSV 2:1

1989/90

HSV – MSV Duisburg 2:4

1985/86

VfL Bochum – HSV 3:2

1984/85

SC Geislingen – HSV 2:0

1967/68

Hertha BSC – HSV 1:0 n.V.

1963/64

SpVgg Fürth – HSV 2:1 n.V.

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Ist es bei dieser Konstellation überhaupt noch realistisch, irgendwann Bayern München wieder auf Augenhöhe zu begegnen?

Kaum. Ich habe vor 25 Jahren diese Entwicklung prognostiziert. Damals haben wir bei Schalke 790.000 D-Mark Fernsehgeld bekommen. Alle anderen bekamen das Gleiche. Dann wurde die Spreizung beschlossen. Die habe ich mit Wolfgang Holzhäuser kritisiert. Aber auch wir hätten damals nie geglaubt, dass wir alle vier Jahre solche Quantensprünge erleben würden.

Heißt das, wer erst mal im Finanzloch sitzt, kommt nicht mehr raus?

1992 hatte Bayern München einen um 40 Prozent höheren Etat als der HSV. Heute ist er um 500 Prozent höher. Die TV-Geld-Spreizung hat zu einer Zementierung der Liga geführt. In einer Untersuchung hat Wirtschaftsprüfer Deloitte die Lizenzspieler-Etats der Vereine in den vergangenen sechs Jahren mit dem Tabellenplätzen verglichen. Sie haben eine fast 90-prozentige Kongruenz festgestellt. Also: Geld schießt natürlich Tore! Es ist am Ende alles dem Etat unterworfen. Deshalb wird erneut Bayern München Meister. Selbst Borussia Dortmund hat keine Chance.

Für HSV-Fans sind das keine tröstenden Worte.

Schmerzhaft ist für die HSV-Anhänger, wenn sie mit ihren Erwartungen in den 80er-Jahren leben, als Magath, Kaltz und Keegan Titel holten. Da waren Zuschauereinnahmen, Mitgliedsbeiträge und ein paar Schleichwerbungen um das Stadion herum die Geldquellen. Die Balance zwischen realistischer Einschätzung und dem, was die Menschen von uns hören wollen, ist ganz schwer.

Der Club hat bundesweit viel von seiner einstigen Strahlkraft eingebüßt.

Ich bin total enttäuscht von Leuten, die sagen: „Jetzt muss der Dino endlich mal absteigen.“ Warum begegnet man dem Verein, der es geschafft hat, als einziger seit 1963 nie abgestiegen zu sein, nicht mit mehr Respekt? Ich spüre oftmals Häme. Das finde ich nicht fair.