Nächster Patzer von Pollersbeck, dem Kult-Torwarttrainer Ehrmann aber einiges zutraut. Gisdol zieht sogar einen Vergleich zu Neuer.
Imst/Hamburg. Der Freistoß, der in der 28. Minute als Flanke in den HSV-Strafraum segelte, hätte harmloser kaum sein können. Viel zu hoch und unerreichbar für die Angreifer von Sparta Rotterdam war der Ball eigentlich eine leichte Beute im Fünfmeterraum für Julian Pollersbeck (22).
Doch Hamburgs Torhüter-Neuzugang (kam für 3,5 Millionen Euro aus Kaiserslautern), der beim Testspiel im Gurgltalstadion von Imst gegen den niederländischen Erstligisten (1:1) den Vorzug vor Konkurrent Christian Mathenia erhielt, ließ die Kugel vor den Füßen von Rick van Drongelen wieder fallen und verschuldete damit binnen einer Woche das zweite Gegentor in einem Vorbereitungsspiel.
Pollersbeck: „War schon beim Abwurf“
Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos schlug umgehend die Hände über dem Kopf zusammen, um dann aber den Ball aus dem Netz zu holen und seinen Schlussmann wieder aufzubauen. Bis auf den Griechen hatte kaum einer der 22 Akteure auf dem Platz den Treffer mitbekommen. Die meisten Spieler hatten die Situation bereits abgeschrieben und stellten sich auf einen Konter des HSV ein.
Auch Pollersbeck war gedanklich schon einen Schritt weiter. „Ich war mit den Gedanken schon beim Abwurf“, erklärte der U21-Europameister am Tag danach. „Natürlich ärgere ich mich darüber. Aber Fehler passieren. Ich muss daraus lernen und die Situation schnell abhaken.“ Dass ihm letzteres gelingt, daran hat Pollersbecks großer Förderer zu Lauterer Zeiten, Torwart-Kulttrainer Gerry Ehrmann, keinen Zweifel. "Den Fehler wird er schnell wegstecken. So etwas passiert, das hat mit Können nichts zu tun", sagt der 58-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt.
Ehrmann fand Feierbiest Pollersbeck nur bedingt witzig
Ehrmann, der Pollersbeck beim FCK zur Saison 2016/17 zur Nummer eins machte, kennt die Stärken und Schwächen seines ehemaligen Schützlings wie kein Zweiter. "Er hat eine gute Psyche, ist stark im Eins gegen Eins und verfügt durch seine Größe über eine enorme Ausstrahlung", lobt der frühere Bundesligatorwart, der Pollersbeck allerdings auch mangelnde Selbstkritik unterstellt. "In diesem Bereich hakt es bei ihm, wie bei vielen jungen Leuten."
Mit gemischten Gefühlen beobachte Ehrmann seinen ehemaligen Schüler, wie er Anfang des Monats nach dem EM-Titel mit dem deutschen Nachwuchs mit der Mallorca-Hitzeile "Currywurst und Dosenbier" singend aus der Mixed Zone abdrehte. "Wer feiern kann, muss auch seine Leistung abrufen", mahnt Ehrmann, der schon Talente wie Kevin Trapp, Roman Weidenfeller, Tim Wiese und Florian Fromlowitz hervorbrachte. "Der Grat zwischen Selbstvertrauen und Hochnäsigkeit ist schmal."
Gisdol zieht Vergleich zu Neuer
Nach dem Gegentor aus 55 Metern gegen Kiel (3:5) könnte Pollersbecks zweiter schwerer Patzer in der Saisonvorbereitung möglicherweise einer zu viel im Kampf um die Nummer eins gewesen sein. Wie schon beim Gegentor gegen die "Störche" sprang das Torwart-Talent nicht optimal vom Boden ab. "Die fehlende Dynamik ist sicherlich seine Achịllesferse", weiß Ehrmann, der die Entwicklung seines ehemaligen Schützling weiterhin verfolgt.
„Natürlich ist dieser Fehler nicht förderlich für ihn im Zweikampf gegen Mathenia. In der Entwicklung von jungen Torhütern gehört das aber dazu“, sagte Trainer Markus Gisdol nach der Partie. Der Trainer stellte sich schützend vor Pollersbeck und zog sogar einen Vergleich zum Stammkeeper des FC Bayern. „Ich erinnere mich an Manuel Neuer, der in seinen jungen Jahren oftmals daneben gegriffen hatte und im nächsten Moment aber wieder voll da war. Pollersbeck ist noch ein junger Bursche, Torhüter müssen sich auch entwickeln.“
Ehrmann hat einen Rat für Pollersbeck
In fünf Tagen beim Test gegen Antalyaspor im Tiroler Schwaz (31. Juli/18 Uhr) wird Mathenia im HSV-Tor stehen. Bei einer fehlerfreien Vorstellung könnte er sich im Duell mit Pollersbeck einen kleinen Vorsprung erarbeiten.
"Wenn du erstmal draußen bist, hast du es als Torhüter schwer, wieder in die Mannschaft zu kommen", weiß Ehrmann, der für diesen Fall einen Tipp für Pollersbeck parat hat. "Er dürfte sich dann nicht hängen lassen und müsste jederzeit bereit sein." Doch noch muss sich Pollersbeck im Zweikampf gegen Mathenia nicht geschlagen geben. "Wenn Gisdol überzeugt ist von Julian, spielen die beiden Patzer keine Rolle", so Ehrmann, der davon überzeugt ist, dass der 1,95 Meter große Schlaks sich beim HSV durchsetzen kann. "Er hat zweifellos das Zeug zum Bundesligaspieler, sonst hätte er beim FCK gar nicht erst gespielt."
HSV spielt 1:1 gegen Rotterdam:
HSV 1:1 gegen Rotterdam nach Pollersbeck-Fehler