Hamburg. Selbst bei der Rettung am letzten Spieltag schwänzten Dauerkarteninhaber. Verein zieht Konsequenzen aus der Mindestnutzung.

Als Luca Waldschmidt am letzten Bundesliga-Spieltag das 2:1 gegen den VfL Wolfsburg erzielte und sich damit in Hamburg unsterblich machte, versetzte er knapp 50.000 HSV-Fans im Volksparkstadion in Ekstase – nur 50.000. Und das, obwohl die wichtigste Partie der Saison mit 57.000 Zuschauer vom Verein als ausverkauft gemeldet wurde. Doch neben den etwa 6000 Gäste-Fans, denen besonders nach dem Schlusspfiff nicht nach Jubeln zumute war, verpassten 950 Dauerkartenbesitzer den Showdown um den Klassenerhalt.

Wie der HSV auf Anfrage mitteilte, war die Partie gegen Wolfsburg unter den 26.000 Besitzern einer Jahreskarte noch das am besten besuchte Heimspiel der Saison – trotz der fehlenden knapp vier Prozent. Selbst als es um die sportliche Existenz des Clubs ging, wurden nicht alle erworbenen Eintrittskarten genutzt, während andere Fans ohne Ticket leer ausgingen und das Schlüsselspiel mit etwas Wehmut vor dem Fernseher verfolgen mussten.

Kommentar: HSV braucht richtige Fans

Aus diesem Grund führte der HSV vor der Saison die Mindestnutzung für Dauerkarten ein. Zur Erinnerung: Mindestens zwölf von 17 Heimspielen müssen besucht werden – so sieht es das gemeinsam mit dem „Ständigen Arbeitskreis Fandialog“ (SAF) sowie dem Supporters Club entwickelte Konzept vor. Als erste Konsequenz hat der Verein rund 600 Dauerkartenbesitzern ihr Vorkaufsrecht für die kommende Saison entzogen.

HSV drückte bei Fans ein Auge zu

Dabei hat der HSV in der Premierensaison der neuen Regel Gnade vor Recht ergehen lassen. „Wir sind das Thema sehr kulant angegangen. So hat in dieser Saison nicht jeder, der weniger als zwölf Spiele besucht hat, sein Vorkaufsrecht verloren“, sagt Kai Voerste, Leiter des Ticketings, dem Abendblatt. Die betroffenen 600 Stadion-Schwänzer hätten „deutlich weniger als zwölf Heimspiele in der abgelaufenen Saison besucht“.

Auch bei Härtefällen, wie zum Beispiel einer schweren Krankheit, die zur vermehrten Nichtnutzung der Dauerkarte führen können, zeigt sich der HSV kulant. „Betroffene Personen haben deshalb die Möglichkeit, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir werden dann den Einzelfall nochmals sorgfältig prüfen“, verspricht Voerste. Und das, obwohl die Jahreskarte an Freunde oder Bekannte weitergegeben werden kann.

HSV-Dauerkarte im Fanblock am zweitteuersten

Dazu hätten sich auch viele Dauerkartenbesitzer entschlossen, weshalb der HSV die eingeführte Mindestnutzung insgesamt als Erfolg bewertet. „Es erhöht die Chancen der Mitglieder, die seit Längerem über die Warteliste auf eine Dauerkarte in den begehrten Bereichen (insbesondere Stehplätze im A-Rang der Nordtribüne) hoffen, deutlich“, so Voerste. So harren rund 1500 Mitglieder aus, um eine Dauerkarte im Wert von 225,70 Euro für den begehrten Stehplatzbereich auf der Nordtribüne zu ergattern – und würden diese womöglich auch häufiger nutzen.

Ligaweit ist nur ein Jahresabo für den Fanblock von Darmstadt 98 (240 Euro) teurer. Am günstigsten steht man wie schon seit Jahren beim VfL Wolfsburg (130 Euro). Bei einem konstanten Ticketpreis von 17 Euro auf der Nordtribüne rechnet sich eine Dauerkarte für den HSV bereits nach 14 Heimspielen, für die der Fan beim Kauf von Einzelkarten insgesamt 238 Euro ausgeben würde. Für zahlreiche Dauerkarten-Inhaber schien dennoch die Attraktivität des Gegners ausschlaggebend für einen Stadionbesuch gewesen zu sein. Doch dieser Entwicklung hat der HSV durch die Mindestnutzung den Kampf angesagt.

„Wir freuen uns natürlich, wenn verhinderte Dauerkartenbesitzer ihre Dauerkarte im Freundeskreis weiterreichen und so auch andere Menschen an dem HSV teilhaben lassen“, erklärt Voerste die Vorteile der neuen Regel.

HSV: Vorbild FC Bayern

Im Sommer vor Saisonbeginn hatte der HSV mit der Mindestnutzung für reichlich Wirbel unter den Anhängern gesorgt. Etwa ein Drittel aller Bundesligisten solidarisierte sich hingegen mit den Hanseaten und gab auf Anfrage an, Verständnis für die eingeführte Nutzungsquote zu haben. Gladbach und Bremen hätten sogar eine ähnliche Problematik unter ihren Anhängern erkannt, ohne dabei dagegen vorgegangen zu sein.

Dass die Mindestnutzung für Dauerkarten kein Einzelfall ist, zeigen die Beispiele von Bayern München und dem VfL Wolfsburg, wo eine ähnliche Regelung greift. Beim Rekordmeister, wo die Mindestnutzung von acht auf zehn Partien erhöht wurde, wurden vor der Saison 2016/17 gerade mal 20 Dauerkarten nicht verlängert. Von diesem Wert ist der HSV trotz einer ersten positiven Entwicklung noch weit entfernt.