Hamburg. Immer mehr Bundesligisten setzen in der Abwehr auf die Dreierkette. Beim HSV entzündete sich an der Systemfrage ein Streit.

Der HSV und die Dreierkette – in dieser Saison ein echter Streitpunkt, der nicht zuletzt den Abschied Johan Djourous eingeleitet, ja sogar beschleunigt haben könnte. Schließlich monierte der damalige Kapitän nach dem 2:5 gegen Dortmund in der Hinrunde öffentlich die seiner Ansicht nach kurzfristige Umstellung von Vierer- auf Dreierverbund in der Abwehr.

Markus Gisdol hielt dagegen und entmachtete den Spielführer. Dieser legte nun mit dem Trainer-kritischen Interview in der "Aargauer Zeitung" nach – was zwar von Vereinsseite nicht sanktioniert wird, aber aller Voraussicht nach die Trennung von dem Schweizer Nationalspieler zum Saisonende zur Folge haben wird.

Dreierkette liegt im Bundesliga-Trend

Dabei beweist ein Blick auf die Konkurrenz, dass Gisdols Maßnahme in der Hinrunde nur billig und recht erschien. Schließlich ist die Dreierkette in der Bundesliga geradezu en vogue, allein am vergangenen Spieltag liefen acht von 18 Teams in entsprechender defensiver Grundordnung auf.

"Wir erleben einen neuen Trend“, sagt Tobias Escher. Der Taktik-Blogger (spielverlagerung.de) und Buchautor ("Vom Libero zur Doppelsechs. Eine Taktikgeschichte des deutschen Fußballs“) erklärt, dass die Idee der Dreierkette von Pep Guardiola beim FC Barcelona und Antonio Conte bei Juventus Turin wiederbelebt wurde.

Auch Löw setzt auf das Abwehrsystem

Selbst bei der deutschen Nationalmannschaft ist die Dreierkette längst eine Option. Inspiriert durch die Nationalelf Chiles, die das System unter Trainer Marcelo Bielsa bei der WM 2010 und Jorge Sampaoli beim Turnier 2014 in Brasilien spielte, hat Bundestrainer Joachim Löw die Variante einstudiert.

Löw favorisiert sie aber nur gegen Teams mit zwei Angreifern wie beim EM-Viertelfinale gegen Italien 2016. Trainer wollen mit der Dreierkette im Zentrum stets einen Mann mehr haben, so Escher. Dadurch sei es schwerer durchzukommen. Zudem habe man im Spielaufbau bessere Möglichkeiten, weil drei Verteidiger von den gegnerischen Stürmern schwer attackiert werden können.

Hoffenheim praktiziert es am besten

Und überhaupt erzeuge man durch die Flügelspieler, die mal als Außenverteidiger und mal Außenstürmer auftreten, oft Überzahlsituationen. "Das bedeutet aber auch eine sehr hohe Anforderung an die Köpfe. Wenn wir nicht an einem Seil ziehen, funktioniert es nicht“, sagt etwa Hoffenheims Abwehrspieler Kevin Vogt.

Die Kraichgauer praktizieren das System in der Bundesliga derzeit am erfolgreichsten. Dort stellte Julian Nagelsmann um und machte somit aus einer Schießbude die zweitbeste Defensive der Liga (25 Gegentore) nach Bayern München (13). "In unserem Fall passt die Dreierkette einfach gut zu unseren Spielern“, sagt der TSG-Coach.

Dabei verschweigt Nagelsmann allerdings, dass er mit Vogt auch erst einen Spieler dazu passend geformt hat. In Hamburg schien Gisdol diese Perspektive vorerst nicht gesehen zu haben. Nach der saftigen Heimpleite gegen den BVB kehrte er doch lieber zur altgedienten Reihe mit je zwei Außen- und Innenverteidigern zurück.

Sollte sich Djourou doch umstellen?

Zwar bewährte sich an der Elbe auch dieser Schritt – nach zuvor 23 Gegentoren in zehn Spielen verteilte sich anschließend dieselbe Anzahl auf immerhin 15 Partien (der Ausreißer mit dem 0:8 in München einberechnet) – zumindest ein prominentes Opfer förderte das kurze Aufflackern der Dreierkette an der Elbe dennoch zutage: Johan Djorou.

Nach der offen zur Schau gestellten Ablehnung der Dreierkette sollte sich der 30-Jährige jedenfalls schnell mit dem nicht aufzuhaltenden Trend anfreunden. Zumindest wenn er nach Ablauf des HSV-Vertrags zum 30. Juni dieses Jahres seine Zukunft weiter im deutschen Oberhaus sehen möchte.