Hamburg. Vor einem Jahr präsentierte der Club sein eigenes Leitbild. Eine Idee, die auch unter Heribert Bruchhagen fortgeführt werden soll.

Es ging um die Zukunft. Um die Zukunft des HSV. Am Mittwoch tagte im Volksparkstadion die HSV Fußball AG. Der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Gesellschafter trafen auf der Hauptversammlung Entscheidungen für die künftige Ausrichtung des Clubs. So wurde der Vertrag von Finanzvorstand Frank Wettstein bis 2020 verlängert.

Der 43-Jährige wurde zudem zum Stellvertreter von Clubchef Heribert Bruchhagen ernannt. Wie erwartet ist Ehrenrat Andreas Peters von sofort an neues Mitglied des Aufsichtsrats. Er gilt nun als Favorit für den vakanten Chefposten des Kontrollgremiums. Zudem verkündete der HSV am Mittwoch eine Kooperation mit dem finnischen Verein Käpylän Pallo. Alles für die Zukunft.

44 festgeschriebene Vorsätze

Wie die Zukunft des HSV aussehen soll, hat der Club bereits vor einem Jahr auf elf DIN-A4-Seiten formuliert. Am 17. Februar 2016 präsentierte der HSV sein eigenes Leitbild. Neun Leitsätze zur Identitätsstiftung mit insgesamt 44 festgeschriebenen Vorsätzen.

Beispiele? „Unsere sportlichen und unternehmerischen Entscheidungen treffen wir unabhängig.“ „Unser sportliches Ziel ist die Etablierung unter den besten fünf Mannschaften in Deutschland und eine ständige Teilnahme an internationalen Wettbewerben.“ Oder auch: „Teamgeist – arbeiten, gewinnen und verlieren. Wir und miteinander.“

Idee von Dietmar Beiersdorfer

Sätze, die man nicht unbedingt mit dem HSV in Verbindung gebracht hat. Und die man auch ein Jahr nach der Präsentation nicht unbedingt mit dem HSV in Verbindung bringt. Entsprechend fiel vor einem Jahr die Kritik an dem Leitbild aus, das sich der Club mithilfe einer externen Agentur in einem Workshopprozess für 50.000 Euro erstellen ließ.

Es war die Idee des ehemaligen Clubchefs Dietmar Beiersdorfer. Um den zerstrittenen HSV wieder zu einen, wollte er gemeinsame Werte definieren. „Wir haben ein Bekenntnis abgegeben. Jetzt geht es um Ableitungen, Haltung und Taten“, sagte Beiersdorfer bei der Präsentation vor genau einem Jahr.

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    Seit diesem Tag ist beim HSV viel passiert. Sportlich ging es steil bergab. Interne Grabenkämpfe auf vielen Ebenen prägten das Bild des HSV. Auf nahezu alle wichtigen Positionen wurden die handelnden Personen ausgetauscht. Im Dezember musste auch Beiersdorfer gehen.

    Doch auch unter seinem Nachfolger Heribert Bruchhagen will der HSV an seinem Leitbild festhalten. „Unser Leitbild ist eine Zielvereinbarung für die Zukunft“, sagte der neue Vizeclubchef Frank Wettstein am Mittwoch zum Abendblatt. „Jedes Unternehmen sollte ein eigenes Leitbild entwickeln.“

    Wichtigkeit des Leitbilds verstärken

    Damit die Vorsätze künftig auch gelebt und umgesetzt werden, will der HSV die Ideen nun auch verstärkt in die einzelnen Abteilungen tragen. Die noch immer bestehende Leitbild-Projektgruppe hat die Fachbereiche des Clubs wie Scouting, Ticketing, Greenkeeping, Museum oder Catering gebeten, die Leitsätze wie „Wir sind hanseatisch“ für ihre jeweilige Abteilung zu übersetzen.

    Aber auch bei den Profis soll die Wichtigkeit des Leitbilds verstärkt vermittelt werden. Für die Neuzugänge hat der HSV deswegen sogenannte Boarding days eingeführt. Die Spieler werden hierbei durch den Club und die Abteilungen geführt, um ihnen die Bedeutung des HSV vor Augen zu halten. Die Hamburger folgen damit einem Trend, der in immer mehr Unternehmen Einzug hält. Auch in der Bundesliga haben Clubs wie Borussia Mönchengladbach, Schalke, Wolfsburg, Hoffenheim oder Leverkusen ein eigenes Leitbild eingeführt.

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    Er war der erste Neuzugang des HSV: US-Nationalspieler Bobby Wood kommt für 3,5 Millionen Euro vom Zweitligisten Union Berlin © Imago
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    Christian Mathenia soll den Kasten im Volkspark sauber halten - sofern er René Adler verdrängt © Witters
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    Bei Alen Halilovic blieb Dietmar Beiersdorfer hartnäckig und wurde vom FC Barcelona für eine Zahlung von fünf Millionen Euro mit einem Vierjahresvertrag belohnt. Allerdings sicherten sich die Katalanen eine Rückkaufoption für den 20-Jährigen © Witters
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    Bis der serbische Flügelflitzer endlich unterschreiben konnte, spielte Beiersdorfer einen zähen Transferpoker mit dem VfB Stuttgart und dem vorigen Besitzer FC Groningen © Witters
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    Der albanische Nationalspieler soll die Innenverteidigung gemeinsam mit Kyriakos Papadopoulos (l.) stabilisieren © Imago/Sven Simon
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    Der Grieche stieß leihweise von RB Leipzig nach Hamburg und war der erste Transfer des neuen Sportchefs Jens Todt © Witters
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    Kurz vor Ende der Wintertransferperiode schlug der HSV noch einmal auf dem Markt zu und verpflichtete den brasilianischen Sechser Walace für knapp 10 Millionen Euro © Witters | ValeriaWitters
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    Der 21-Jährige (l.) kommt mit der Empfehlung eines Olympiasiegs nach Hamburg © Imago/GEPA Pictures
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    Florian Grolman, Geschäftsführer von initio Organisationsberatung, berät Unternehmen seit zehn Jahren beim Erstellen von Leitbildern. Auf den ersten Blick ist er von der Hamburger Version überzeugt. „Das Leitbild des HSV ist sehr gut strukturiert, inhaltsstark und professionell gemacht“, sagt Grolman. „Es gab offenbar einen starken Bedarf, sich Ziele zu setzen.“

    Grolman glaubt an die Wirkung eines Leitbilds für das Innenleben eines Unternehmens – wenn es entsprechend umgesetzt wird. „Ein Leitbild alleine hilft nicht. Es muss gelebte Praxis werden“, sagt Grolman. „Man muss es übersetzen in Taten, erst dann wird es nützlich. Es sollte nicht zu weit weg von der Realität sein, sollte aber auch einen Zukunftsanspruch formulieren. “

    „Leitbilder sind Leitplanken“

    Und in diesem Spannungsfeld bewegt sich der HSV mit seinem Leitbild. Insbesondere die sportlichen Visionen sind Ziele, die kurzfristig gar nicht zu erreichen sind. „Leitbilder sind Leitplanken und haben eine Lebensdauer von sieben bis zehn Jahren“, erklärt Grolman. „Sie sind nicht zu verwechseln mit der Strategie, die die kurzfristige Ausrichtung bestimmt.“

    Langfristig will der HSV nach Europa, kurzfristig droht der Abstieg. „Wir sind immer erstklassig“, heißt es gleich in der Präambel des Leitbilds. Ein Satz, der auch in der Zweiten Liga Bestand haben würde. Der HSV definiert ihn als Anspruch für die tägliche Arbeit und das Zusammenleben. „Der Leitbildprozess war eine gute Idee, um die Leute im HSV zusammenzubringen“, sagt der frühere Aufsichtsratschef Horst Becker, der an einem der ersten Workshops teilgenommen hat, dem Abendblatt. Nun sei die Umsetzung gefragt. „Das ist ein Prozess, der Jahre dauert“, sagt Becker. Oder anders ausgedrückt: Die Zukunft wird es zeigen. Die Zukunft des HSV.