Hamburg/Wolfsburg. Schmutzig gespielt, aber nicht schmutzig gewonnen. HSV hinkt gesamter Bundesliga hinterher. Fan-Randale und Chaos in Zügen.

Man kann es schon fast als Galgenhumor bezeichnen: Er sähe es ganz gerne, sagte HSV-Trainer Markus Gisdol nach dem unnötigen 0:1 beim VfL Wolfsburg, wenn seine Mannschaft die nächste Partie beim FC Ingolstadt mit elf Spielern beenden würde. Und damit kritisierte Gisdol nicht die hervorragende Leistung der nach dem Platzverweis (Gelb-rot für Albin Ekdal) toll kämpfenden Zehn. Vielmehr wies der HSV-Coach darauf hin, dass die Rothosen ihrem Namen in dieser Saison alle Ehre machen. Fünf Platzverweise stehen für den HSV in der Bilanz, davon dreimal Rot und zweimal Gelb-rot. Das ist Bundesliga-Rekord in dieser Spielzeit.

Zwar haben auch Eintracht Frankfurt und Mainz 05 mit je vier Platzverweisen eine ähnliche Brutalo-Bilanz. Aber beide Mannschaften sind alles andere als abstiegsgefährdet. Und ausgerechnet an diesem Spieltag zeigte sich, wie nach einem Trainerwechsel – von Markus Gisdol auf Julian Nagelsmann – ein Verein innerhalb kurzer Zeit von einer Zitter-Relegation an die Spitze stürmen kann. Das ist die TSG 1899 Hoffenheim, Gisdols früherer Verein. Hoffenheim ist als einzige Mannschaft einer ernst zu nehmenden Liga in Europa in der laufenden Saison noch ungeschlagen.

Ähnlich wie Eintracht Frankfurt, das nach der Relegation unter Trainer Niko Kovac wieder spielerisch und kämpferisch erblühte, hat es in Hoffenheim „Klick“ gemacht. Jetzt werden von dort sogar Spieler zum FC Bayern transferiert, wie die Beispiele von Niklas Süle und Sebastian Rudy zeigen.

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Und der HSV? Hat den Titel eines lange ungeschlagenen Clubs wie Hoffenheim auch schon einmal geschafft. Eine ungeschlagene Hinrunde glückte den Hamburgern in der Saison 1982/1983. Fast überflüssig zu sagen, was diese Serie damals einbrachte: Platz eins zur Halbzeit und die Meisterschaft am Saisonende und der Gewinn des Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin.

In dieser Saison droht die dritte Relegation der jüngeren Vereinsgeschichte. Denn offenbar können die Profis von Markus Gisdol schmutzig spielen, aber nicht mehr „schmutzig gewinnen“. So führte ein nicht mal besserer VfL Wolfsburg vor, wie man mittelmäßig kickt, ein Tor schießt und sich aus der Abstiegszone befreit. „Schmutzige“ Siege gelangen an diesem Wochenende auch dem FC Bayern München (2:1 in Freiburg in letzter Sekunde), Borussia Dortmund und Schalke 04.

HSV – Wolfsburg: Die besten Bilder

Der HSV-Jahresauftakt in Wolfsburg

In der 83. Minute jubelte Wolfsburg über den Siegtreffer durch Mario Gomez
In der 83. Minute jubelte Wolfsburg über den Siegtreffer durch Mario Gomez © Imago/foto2press
Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt Albin Ekdal (HSV) zunächst die Gelbe Karte
Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt Albin Ekdal (HSV) zunächst die Gelbe Karte © WITTERS | ValeriaWitters
Der Trip nach Wolfsburg begann für den HSV mit einer Hiobsbotschaft: Johan Djourou verdrehte sich beim Aufwärmen das Knie
Der Trip nach Wolfsburg begann für den HSV mit einer Hiobsbotschaft: Johan Djourou verdrehte sich beim Aufwärmen das Knie © Witters
Für den Schweizer war ein Einsatz unmöglich
Für den Schweizer war ein Einsatz unmöglich © Witters
Für den Innenverteidiger rückte Winter-Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (im Hintergrund) kurzfristig in die Startelf
Für den Innenverteidiger rückte Winter-Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (im Hintergrund) kurzfristig in die Startelf © Witters
Dem Teamgeist tat die Umstellung keinen Abbruch
Dem Teamgeist tat die Umstellung keinen Abbruch © Witters
Und
Und "Papa" löste seine Aufgaben wie hier gegen Yunus Malli mit gewohnt hoher Einsatzbereitschaft © Witters
Auch der neue Abwehrchef Mergim Mavraj flog voller Leidenschaft über den Platz
Auch der neue Abwehrchef Mergim Mavraj flog voller Leidenschaft über den Platz © Witters
Auch Albin Ekdal flog – allerdings vom Platz. Der Schwede kassierte schon in der 33. Minute die Gelb-Rote Karte
Auch Albin Ekdal flog – allerdings vom Platz. Der Schwede kassierte schon in der 33. Minute die Gelb-Rote Karte © dpa
Schiedsrichter Felix Zwayer kannte keine Gnade
Schiedsrichter Felix Zwayer kannte keine Gnade © Imago/Contrast
Da nützte alles Reklamieren nichts
Da nützte alles Reklamieren nichts © Imago/foto2press
Das Kartenspiel war eindeutig
Das Kartenspiel war eindeutig © Witters
Zuvor hatte sich der HSV mit Mann und Maus gegen einen Gegentreffer gewehrt
Zuvor hatte sich der HSV mit Mann und Maus gegen einen Gegentreffer gewehrt © Witters
HSV-Trainer Markus Gisdol (l., mit Teammanager Tobias Hauke) bei der Ankunft im Wolfsburger Stadion
HSV-Trainer Markus Gisdol (l., mit Teammanager Tobias Hauke) bei der Ankunft im Wolfsburger Stadion © WITTERS | ValeriaWitters
Zum Rückrundenabschluss nominierte er erstmals Talent Vasilije Janjicic in den Bundesligakader
Zum Rückrundenabschluss nominierte er erstmals Talent Vasilije Janjicic in den Bundesligakader © WITTERS | ValeriaWitters
Der neue Abwehrchef Mergim Mavraj ist dagegen ein alter Hase
Der neue Abwehrchef Mergim Mavraj ist dagegen ein alter Hase © WITTERS | ValeriaWitters
Hier dachte Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (r., mit Filip Kostic) noch an einen Platz auf der Bank
Hier dachte Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (r., mit Filip Kostic) noch an einen Platz auf der Bank © WITTERS | ValeriaWitters
Die Wolfsburger Sitzgelegenheiten wurden derweil von zwei weiteren HSVern in neuen Positionen ausgetestet: Sportchef Jens Todt (l.) und Pressesprecher Till Müller
Die Wolfsburger Sitzgelegenheiten wurden derweil von zwei weiteren HSVern in neuen Positionen ausgetestet: Sportchef Jens Todt (l.) und Pressesprecher Till Müller © WITTERS | ValeriaWitters
Ansonsten hatte Todt auch in Wolfsburg stets sein Handy griffbereit – ein defensiver Mittelfeldspieler wird noch gesucht
Ansonsten hatte Todt auch in Wolfsburg stets sein Handy griffbereit – ein defensiver Mittelfeldspieler wird noch gesucht © Getty Images
Und noch ein Neuer: HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen setzte sich auf die Tribüne
Und noch ein Neuer: HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen setzte sich auf die Tribüne © Witters
Bei Wolfsburg gab Stürmer Paul-Georges Ntep sein Bundesliga-Debüt
Bei Wolfsburg gab Stürmer Paul-Georges Ntep sein Bundesliga-Debüt © Witters
Der Franzose beschäftigte HSV-Kapitän Gotoku Sakai zur Genüge
Der Franzose beschäftigte HSV-Kapitän Gotoku Sakai zur Genüge © Getty Images
Engagiert an der Seitenlinie: Wolfsburgs Trainer Valerien Ismael
Engagiert an der Seitenlinie: Wolfsburgs Trainer Valerien Ismael © dpa
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Gisdol sagte: „Ich hätte nicht gedacht, dass sich Ekdal so eine Gelb-Rote abholt. Das geht nicht. Darüber müssen wir reden.“ Ob das Reden hilft? Am kommenden Wochenende geht es in Ingolstadt (Sonnabend, 15.30 Uhr) darum, immerhin diese Bayern auf Abstand zu halten – und den Relegationsplatz zu verteidigen.

Die Höhepunkte des Spiels

8. Minute

Erste Gelegenheit für Wolfsburg: Gomez legt ab für Malli, doch der Schuss des Neuzugangs aus Mainz landet über dem HSV-Tor.

21. Minute

Ntep narrt Sakai auf der rechten Abwehrseite und legt zurück auf Gomez. Der Versuch des Nationalspielers fliegt allerdings ebenfalls über den Kasten.

26. Minute

Erster zaghafter Vorstoß des HSV, doch weder Holtby noch Müller können an der Sechzehner-Grenze zum Abschluss kommen.

33. Minute

Platzverweis für Ekdal: Der Schwede kommt gegen Ntep zu spät und fällt den VfL-Angreifer. Nach Wolfsburger Protesten, bei denen sich Torhüter Benaglio eine Gelbe Karte einhandelt, schmeißt Schiedsrichter Zwayer den Hamburger mit Geld-Rot vom Platz.

54. Minute

Elfmeter oder nicht? Müller wird an der Strafraumgrenze gefoult, Zwayer sieht den Tatort außerhalb. Den Freistoß kann Kostic nicht ganz in Hamburgs ersten Torschuss umwandeln.

57. Minute

Erneut sind Müller und Kostic an der nächsten Offensiv-Aktion beteiligt: Der Serbe tänzelt auf links und passt quer zurück auf Müller, dem der Ball allerdings kurios verspringt.

69. Minute

Konfusion im Hamburger Strafraum nach einem Eckstoß von links, doch Bruma & Co. können den Ball nicht über die Linie drücken.

76. Minute

Wood schickt den mitgelaufenen Kostic, doch der Serbe gibt einen Schuss ab, der sich irgendwo zwischen Flanke und Torversuch bewegt. Dennoch sucht der HSV weiter sein Heil in der Offensive!

83. Minute

Tor für Wolfsburg. Ganz bitterer Nadelstich durch Gomez: Der Nationalspieler wird von Ntep bedient, der sich im Doppelpack in den Straufraum spielt. Bei der Hereingabe muss Gomez im Fünfmeterraum nur noch den Schlappen hinhalten.

1/9

Unterdessen haben randalierende Hamburger Fans für einen massiven Polizeieinsatz am Hauptbahnhof Hannover gesorgt. Schon auf der Fahrt zum HSV-Spiel in Wolfsburg sei im Metronom die Notbremse gezogen, es sei geraucht und Alkohol getrunken worden. Außerdem wurden Betäubungsmittel versprüht und Sachbeschädigungen verübt.

In Hannover seien etwa 120 Fans durch aggressives Verhalten aufgefallen, so ein Polizeisprecher. Die Polizei sprach ein sogenanntes „Betretungsverbot“ aus. Die randalierenden Fans durften nicht mehr weiterreisen und wurden wieder zurück nach Hamburg geschickt. Gegen elf Störer seien Strafverfahren unter anderem wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung eingeleitet worden.

Bundespolizisten wurden in Hannover unter anderem mit Flaschen beworfen. Wegen Gleisüberschreitungen mussten die Gleise im hinteren Bereich des Bahnhofs für mehrere Stunden gesperrt werden. Die Bundespolizei nahm nach eigenen Angaben 286 Personen "zur Unterbindung weiterer Straftaten und zur Identitätsfeststellung" in Gewahrsam. Von diesen seien 40 Jugendliche und 14 sogenannte Gewalttäter Sport gewesen.

HSV-Fanbeauftragte besprechen Vorgehen

Auf Nachfrage des Abendblatts ließ der HSV-Fanbeauftragte Cornelius Göbel am Sonntag schriftlich ausrichten: „Wir prüfen derzeit den vielschichtigen Sachverhalt und können deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch kein seriöses Statement abgeben. In dem Prozess der Auswertung holen wir uns verschiedene relevante Informationen ein und hören uns die unterschiedlichen Versionen der beteiligten Gruppen an. Es ist uns erst nach einer vollständigen Auswertung möglich, ein abschließendes Statement zu veröffentlichen.“

An diesem Montag will sich die Abteilung der HSV-Fanbeauftragten zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen.