Hamburg. Der aus Brasilien stammende Fußballprofi spricht über seinen Start in Hamburg, die Goldmedaille – und Weihnachten.

Seine Lebensfreude hat Douglas Santos wiedergefunden, als er zum Termin mit dem Abendblatt erscheint. Das Flugzeugunglück in Kolumbien, bei dem 71 Menschen starben, darunter viele Spieler des brasilianischen Erstligisten Chapecoense, hat den HSV-Profi am Dienstag schwer getroffen. Seine Mitspieler und Dolmetscher Edson Büttner, der beim Interview dabei ist, haben ihn aufgerichtet. Zwei Tage vor dem Spiel bei Darmstadt 98 am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) kann der brasilianische Olympiasieger, der Ende August zum HSV wechselte, wieder lachen.

Herr Santos, seit dieser Woche haben Sie beim HSV eine eigene Deutschlehrerin. Kennen Sie schon das Wort „Sieg“?

Douglas Santos: Sieg? Lassen Sie mich kurz überlegen. Ja, ich glaube das hat mir Edson heute erst beigebracht. Stimmt’s, Edson? (Edson Büttner nickt). Mir gefällt das Wort (lacht).

Sie sind jetzt seit drei Monaten in Deutschland und warten immer noch auf Ihren ersten Bundesligasieg. Wann können Sie das Wort endlich auch aufschreiben?

Santos: Jetzt wo ich das Wort kenne, natürlich am Sonntag gegen Darmstadt. Aber im Ernst: Es wird natürlich Zeit. Um ehrlich zu sein, sind wir schon über den Zeitpunkt hinaus.

Sie sind sehr gläubig, beten viel. Beten Sie auch für den Erfolg des HSV?

Santos: Jeden Tag. Ich bete für den ersten Sieg. Aber in erster Linie bete ich für Gesundheit, Glück und Fröhlichkeit für mich und meine Familie.

Sie sind in einer schweren Zeit zum HSV gekommen. Wie schaffen Sie es, ihre Fröhlichkeit zu erhalten?

Santos: Meine Familie unterstützt mich jeden Tag. Mein Glaube hilft mir, positive Energie und Liebe auszustrahlen. Sportlich ist es für mich wichtig, immer positiv zu bleiben und den Fokus auf die nächste Aufgabe zu legen. Niederlagen muss man schnell hinter sich lassen und wieder neue Geschichten schreiben.

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HSV-Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Darmstadt

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    Hilft es Ihnen, an den 20. August zurückzudenken?

    Santos: Was meinen Sie?

    An diesem Tag wurden Sie Olympiasieger. Maracanã. Das Finale gegen Deutschland.

    Santos: Aaahhh. Das Datum hatte ich nicht mehr im Kopf. Aber natürlich. Die Goldmedaille. Das war ein großer Traum. Ich denke häufig daran zurück.

    Verraten Sie uns, wo Sie Ihre Goldmedaille aufbewahren? In ihrer neuen Wohnung in Harvestehude unter dem Kopfkissen?

    Santos: Nein, die ist in Sicherheit (lacht). Ich habe sie in Brasilien in einem Geheimversteck hinterlegt. Da ist sie am besten aufgehoben.

    Sie hatten seit dem Olympiafinale noch keine Pause. Erst der Ligastart in Brasilien, dann der Wechsel zum HSV. Zuletzt wirkten Sie etwas überspielt. Sind Sie schon urlaubsreif?

    Santos: Überhaupt nicht. Ich bin noch sehr motiviert und will so viel wie möglich spielen. Das macht mich glücklich. Vor allem aber will ich endlich mit dem HSV Spiele gewinnen. An den Urlaub denke ich noch nicht.

    In ihrem Heimatort João Pessao wird es am Sonntag 33 Grad warm. Sie spielen bei drei Grad in Darmstadt ...

    Santos: Das ist nicht fair von Ihnen (lacht). Aber falls sie mich auf die Kälte in Deutschland ansprechen wollen: Damit komme ich gut zurecht. Natürlich vermisse ich den Strand von João Pessoa. Aber Gedanken an Brasilien bringen mich nicht weiter. Meine Aufgabe ist der HSV.

    Uns würde trotzdem interessieren, wie Sie Weihnachten verbringen. Feiern Sie am Strand?

    Santos: Am 25. Dezember gehen wir tatsächlich alle zum Strand. An Heiligabend kommen wir mit der Familie zusammen und treffen uns zum Abendessen. In diesem Jahr haben wir auch erstmals einen Weihnachtsbaum. Die Kinder bekommen Geschenke, das ist wie in Deutschland. Dann sprechen wir viel über die Familie und über das Jahr mit all seinen Höhepunkten und Problemen.

    War 2016 Ihr aufregendstes Jahr?

    Santos: Noch ist es ja nicht vorbei. Wir haben noch wichtige Spiele mit dem HSV und wollen bis Weihnachten noch so viele Punkte wie möglich holen. Aber es stimmt, 2016 war für mich ein spannendes und wichtiges Jahr. Ich habe für die brasilianische A-Nationalmannschaft debütiert, dann kam Olympia und der Wechsel nach Europa zum HSV. Ich habe wahnsinnig viel gelernt. Es war die richtige Entscheidung. Meine Frau und ich fühlen uns in Hamburg sehr wohl.

    Sie haben sich an den Fußball in der Bundesliga schnell gewöhnt. Das gelingt nicht jedem Brasilianer ...

    Santos: In der Bundesliga wird viel Pressing gespielt, man hat als Abwehrspieler wenig Zeit. Diesen Stil spielen wir auch mit den brasilianischen Auswahlmannschaften, deswegen war es keine große Umstellung für mich. Die Trainer haben mir vertraut und mir viel Einsatzzeit gegeben. Das hat es mir einfacher gemacht.

    Welche Ziele haben Sie sich für das kommende Jahr vorgenommen?

    Santos: Wie ich bereits sagte, fängt der Dezember doch gerade erst an, und es sind noch viele Punkte zu vergeben. Wenn ich in den Urlaub gehe, will ich besser dastehen als jetzt. Ich werde versuchen, meine ganze Kraft für den HSV zu geben. Was in der Zukunft dabei rauskommt, liegt in Gottes Hand.

    Dann erlauben Sie uns noch eine Frage aus dem Deutschunterricht: Kennen Sie schon das Wort Klassenerhalt?

    Santos: Klassenerhalt? Nein, das kenne ich noch nicht. (Edson Büttner übersetzt das Wort ins Portugiesische). Klassenerhalt. Das ist ein kompliziertes Wort (lacht). Aber natürlich ist das unser großes Ziel. Für die Stadt Hamburg wäre das sehr wichtig. Dafür kämpfen wir.