HSV gegen Werder Bremen – wer sticht wen aus? Das Abendblatt nimmt die Protagonisten des Nordderbys unter die Lupe.

Hamburg. HSV gegen Werder Bremen – was jahrelang ein Spitzenspiel in der Fußball-Bundesliga war, bei dem es um die Qualifikation für die Champions League oder das Erreichen des Uefa-Pokal-Finals ging, ist mittlerweile ein Duell gegen den Abstieg. Beide Vereine bestätigten Jahr für Jahr den sportlichen Abwärtstrend und finden sich nun mit drei beziehungsweise sieben Punkten nach elf Spielen am Tabellenende wieder.

Nicolai Müller oder Werders Max Kruse, der als Kind in HSV-Bettwäsche schlief, – wer nimmt eine tragende Rolle im Nordderby ein?
Nicolai Müller oder Werders Max Kruse, der als Kind in HSV-Bettwäsche schlief, – wer nimmt eine tragende Rolle im Nordderby ein? © Witters | TimGroothuis

Am Sonnabend im Volksparkstadion (15.30 Uhr) trifft die harmloseste Offensive der Liga (vier Tore) auf die schlechteste Defensive (29 Gegentore). Dennoch elektrisiert das Nordderby die Fans. „Bei uns steigt täglich das Kribbeln und die Vorfreude auf dieses Duell“, betont Rotationskünstler Markus Gisdol, der erstmals in seiner Zeit beim HSV auf Änderungen in der Startelf verzichten könnte. „Wir könnten tatsächlich mit derselben Aufstellung starten.“

Das Abendblatt hat die voraussichtliche Startformation beider Teams unter die Lupe genommen und die Positionen miteinander verglichen.

Tor

Christian Mathenia: Adlers Vertreter durchlebte bei seiner HSV-Premiere in Hoffenheim einen Abend mit Höhen und Tiefen. Sein Patzer zum 1:2 hätte beinahe die neunte Saisonniederlage eingeleitet. In der ersten Halbzeit bewahrte Mathenia die Hamburger mit seinen Reflexen auf der Linie aber auch das eine oder andere Mal vor dem Ausgleich.

Jaroslav Drobny: „Ich muss die HSV-Fans enttäuschen“, kündigte Werder-Trainer Alexander Nouri im Abendblatt-Interview ein Comeback des langjährigen Hamburgers an. Nicht ohne Grund löste Drobny nach wenigen Spieltagen Felix Wiedwald als Nummer eins ab. In den letzten Wochen wurde er jedoch durch einen Handgelenksbruch ausgebremst.

Fazit: 1:0 für Bremen! Drobnys Erfahrung macht den Unterschied.

Rechtsverteidiger

Dennis Diekmeier: Mangelnde Bereitschaft kann man ihm nie vorwerfen. Der Aufwand des fleißigen Rechtsverteidigers steht jedoch in keinem Verhältnis zum Ertrag. Trotz seiner permanenten Flanken in den Strafraum kommt der noch torlose Diekmeier in seiner siebten Saison beim HSV auf gerade mal acht Vorlagen. Nicht nur deshalb saß der 27-Jährige im letzten halben Jahr häufig auf der Bank.

Gebre Selassi: Mit sieben Treffern und sechs Vorlagen in fünf Jahren ist der Werderaner deutlich torgefährlicher als sein Hamburger Kontrahent. Seine Offensivstärke geht allerdings häufig auf Kosten seiner Defensivleistung. Nicht selten fällt ein Gegentor über Bremens rechte Abwehrseite.

Fazit: 2:1 für Bremen! Dieses Duell auf niedrigem Niveau endet unentschieden.

Innenverteidigung

Johan Djourou: Auf dem Platz Dortmunds zweiten Treffer mit einem verunglückten Rückpass aufzulegen und hinterher die Taktik zu kritisieren, kam bei Gisdol nicht gut an. Der Trainer setzte Djourou als Kapitän ab. Damit will Gisdol den Schweizer, dessen schwere Patzer schon häufig zu Gegentoren führten, auch aus der Schusslinie nehmen. Gegen Hoffenheim schien diese Maßnahme zu fruchten: Djourous zeigte sich leicht formverbessert.

Lamine Sané: Der aus Bordeaux gekommene Innenverteidiger hat sich nach ganz schwachem Saisonstart inzwischen stabilisiert. Der Nationalspieler Senegals war in den letzten Wochen der einzige Lichtblick einer Bremer Defensive, die einem Hühnerhaufen gleichkam.

Fazit: 3:1 für Bremen! Klarer Punktsieg für Sané.

Gideon Jung: In Hoffenheim war beim Aushilfsverteidiger ein erfreulicher Aufwärtstrend festzustellen. Jung scheint sich mit seiner neuen Rolle immer mehr anzufreunden. Sein Stellungsspiel wird besser und auch in hart geführten Zweikämpfen lässt er sich nicht mehr wie einen Schuljungen abkochen.

Niklas Moisander: Der 31 Jahre alte Finne ist noch nicht die erhoffte Verstärkung. Dass Werder die mit Abstand meisten Gegentore kassiert hat, liegt auch am für einen Innenverteidiger 1,83 Meter kleinen Moisander. Dennoch hält Trainer Nouri weiterhin an ihm fest.

Fazit: 3:2 für Bremen! Jung sei dank, der HSV holt auf.

Linksverteidiger

Douglas Santos: Ganz unbrasilianisch spielte sich der Brasilianer in Kürze in die Herzen der Fans. Defensiv solide sorgt der Olympiasieger auch im Spiel nach vorne für Impulse. Darüber hinaus beeindruckt der 22-Jährige trotz seines Alters mit einem ausgereiften Stellungsspiel. Auch wenn er in Hoffenheim sein schlechtestes Spiel mit der Raute auf der Brust ablieferte, scheint Douglas Santos genau zu wissen, wann er sich ins Offensivspiel einschalten muss und wann nicht.

Santiago García: Der Italien-Argentinier (28) fühlt sich in der Offensive deutlich wohler als in der Defensive. Wirklich erfolgreich agiert er aber in dieser Saison in keinem seiner beiden Aufgabenfelder. Gegen Frankfurt (1:2) war García der schwächste Mann auf dem Platz.

Fazit: 3:3! Santos gleicht für den HSV aus.

Defensives Mittelfeld

Gotoku Sakai: Der konstanteste Hamburger der Saison ist mittlerweile auf die wichtigste Position ins defensive Mittelfeld gerutscht. Auch dort erledigt der neue Kapitän seinen Job nahezu fehlerfrei. Sakai ist zweifellos einer der wenigen HSV-Spieler, die ihre Leistung Woche für Woche abrufen.

Florian Grillitsch: Der junge Österreicher unterliegt noch Leistungsschwankungen. Gegen Frankfurt zeigte er seine beste Saisonleistung und belohnte sich mit einem Tor. Dennoch fällt er zu häufig im Vergleich zu seinen Nebenleuten ab.

Fazit: 4:3 für den HSV! Sakai lässt keine Zweifel an diesem Punktgewinn.

Matthias Ostrzolek: Der gelernte Linksverteidiger muss aufgrund eines unausgewogen zusammengestellten Kaders plötzlich auf der Sechs aushelfen. In Hoffenheim machte er seine Sache ohne große Fehler, mehr ist vom früheren Augsburger wohl auch nicht zu erwarten.

Clemens Fritz: Werders Kapitän hat seine Karriere im Sommer eigentlich nur verlängert, weil er sich nicht nach einem Jahr Existenzkampf verabschieden wollte. Nun spielt Bremen erneut gegen den Abstieg und der fast 36-jährige Fritz wirkt nicht immer bundesligatauglich. Dennoch ist er aufgrund seiner Erfahrung und Kommunikation auf dem Platz unersetzlich.

Fazit: 5:4 – dieses Duell auf Augenhöhe endet unentschieden!

Rechtes Mittelfeld

Nicolai Müller: Hamburgs torgefährlichster Spieler der Vorsaison hat sich nach wochenlanger Formkrise vielleicht gerade so noch rechtzeitig wieder gefangen. Drei Tore stehen in den letzten beiden Spielen zu Buche – damit ist Müller schon wieder HSV-Saison-Rekordtorschütze. Nicht nur aufgrund seiner Abschlussstärke, auch durch seine Tempodribblings über die rechte Seite kann er zu einer Waffe für die Hanseaten werden.

Fin Bartels: Der frühere St.-Paulianer kommt dieses Jahr nicht über die Rolle des Mitläufers hinaus. Seine Offensivaktionen verpuffen meist ohne Wirkung. Nouri will ihn dennoch Rekord-Torschütze Pizarro vorziehen.

Fazit: 6:4 für den HSV! Müller weist Bartels in die Schranken.

Zentrales Mittelfeld

Lewis Holtby: Als Dauerläufer sammelt Holtby jedes Spiel Fleißpunkte. Seine Unachtsamkeiten im Defensivspiel ermöglichen dem Gegner allerdings zu viele Torchancen. In seiner neuen, offensiveren Rolle ist er sicherlich besser aufgehoben als auf der Sechs.

Zlatko Junuzovic: An seine Leistung aus der Saison 2014/15, als er sechs Tore und 15 Vorlagen beigesteuert hatte, kann er zwar nicht mehr anknüpfen. Dennoch ist der Standardspezialist weiterhin eine wichtige Säule in Werders Offensive.

Fazit: 6:5! Holtby hat nach seinen bisherigen Saisonleistungen keinen Punkt verdient.

Linkes Mittelfeld

Filip Kostic: In Hoffenheim zeigte der Serbe erstmals, warum der HSV im Sommer 14 Millionen Euro nach Stuttgart überwies und ihn somit zum teuersten Transfer der Clubgeschichte machte. Ein Tor und eine Vorlage, dazu zahlreiche gelungene Tempodribblings – die Fans hoffen nicht unbegründet, dass Kostic jetzt endlich den Durchbruch geschafft hat. Allerdings muss er seine Leistung in Hamburg erst noch bestätigen.

Serge Gnabry: Der Olympia-Zweite kostete weniger als die Hälfte der Kostic-Ablöse. Gnabry, der für 6,5 Millionen Euro von Arsenal London verpflichtet wurde, startete auf Anhieb durch und rechtfertigt bislang jeden Cent. Der Neu-Nationalspieler ist an sechs von 13 Bremer Saisontoren beteiligt gewesen.

Fazit: 6:6 – Ausgleich für Bremen! Hier stehen sich ein Transfer-Flop und ein Top-Transfer gegenüber.

Sturm

Michael Gregoritsch: Anders als Pierre-Michel Lasogga nimmt Gregoritsch aktiv am Spiel teil und kann aufgrund seiner besseren Technik auch mal einen Ball festmachen. Gefahr vor dem Tor, die einen Stürmer normalerweise auszeichnet, ließ aber auch der Österreicher in seinen bisherigen Einsätzen vermissen.

Max Kruse: In Bremen rätselt man über den Fitnesszustand des Mannes, der die ersten zehn Spiele wegen einer Außenbandverletzung im linken Knie verpasste. Kruse meint, er sei fit. Seine Leistung gegen Frankfurt ließ jedoch Gegenteiliges vermuten. Für große Töne scheint es immerhin schon wieder zu reichen. „Es geht darum, dass wir auf dem Platz den Rasen umpflügen müssen“, sagt Kruse, den eine Hamburger Boulevardzeitung im Sommer noch zum HSV geschrieben hatte.

Fazit: 7:6! Ein fitter Gregoritsch ist besser als ein Kruse, bei dem es noch nicht rund läuft. Der HSV stellt somit die Weichen für einen Derbysieg.