Hamburg. HSV erhöhte Angebot an Bochum mündlich um lediglich eine fünfstellige Summe. Aufsichtsrat gibt defensives Beiersdorfer-Bekenntnis ab.

Es läuft einfach nicht beim HSV. Wer angesichts der jüngsten Pleiten-Pech-und-Pannen-Nachrichten zum Wochenstart zu diesem naheliegenden Schluss gekommen war, der musste sich am Montagvormittag im Volkspark eines Besseren belehren lassen. Denn dort liefen die HSV-Profis wie schon lange nicht mehr. Zehn Minuten, 20 Minuten, 30 Minuten. Immer schön im Kreis. Mal langsamer, mal schneller. „Wir wollten verstärkt etwas für unsere Kondition tun“, sagte Co-Trainer Frank Fröhling nach der Laufeinheit.

Zeitgleich mit Fröhlings Erklärung der Vormittagseinheit platzierte der HSV auf seiner clubeigenen Homepage noch eine weitere Erklärung, die letztendlich den Schluss nach sich ziehen musste, dass es beim HSV eben doch nicht läuft. „Wir brauchen die richtige Lösung“, stand in der Überschrift, die über einem Foto von HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer und einem PR-Interview zu sehen war, das mit der investigativen Frage begann, wer denn nun eigentlich wem am Vortag abgesagt habe.

HSV und VfL lagen geringe Summe auseinander

Die Hauptfiguren in diesem Drama ohne Happy End: Beiersdorfer, Bochums umworbener Sportvorstand Christian Hochstätter, der HSV und der VfL. „Herr Hochstätter hat mich gestern telefonisch informiert, dass er keine Chance mehr für eine Einigung beider Clubs sieht und er daher seinen Aufsichtsrat informieren werde, dass er in Bochum bleibt“, sagte Beiersdorfer, der auch auf die Nachfrage, ob diese Entwicklung ein weiterer Rückschlag auf seiner Suche nach einem Sportdirektor sei, die passende Gegenfrage hatte: „Ist eine beendete Verhandlung ein Rückschlag, weil der HSV den absurden Forderungen eines anderen Clubs nicht folgt?“, fragte er und lieferte die Antwort direkt: „Aus meiner Sicht nicht.“

Kommentar:Der Aufsichtsrat steht in der Verantwortung

Über diese Sicht der Dinge kann man streiten. Die Medienabteilung des HSV und Beiersdorfer, der wenig später auch den Aufsichtsräten, von denen nur Dieter Becken krankheitsbedingt fehlte, die Hochstätter-Absage erklären musste, ließen jedenfalls offen, inwiefern Bochum genau „absurde Forderungen“ aufgestellt habe. Nach Abendblatt-Informationen hatte der HSV tatsächlich nur ein schriftliches Gebot in Höhe von 500.000 Euro abgegeben, am Sonntag dieses dann im Gespräch mit Hochstätter mündlich um lediglich eine fünfstellige Summe erhöht. Bochums angebliche Forderung von drei Millionen Euro, die zuletzt die Runde machte, soll es dagegen nie gegeben haben.

„Das Angebot hat mich geehrt“, sagte Hochstätter am Morgen danach dem Abendblatt, „aber ich habe mich am Sonntagabend entschieden, den Vereinen die Entscheidung abzunehmen.“ Der HSV habe ihn als junger Spieler immer geprägt. Hamburg habe früher eine eigene Philosophie gehabt. „Aber“, so Hochstätter bei Sky „wenn Sie mich so fragen, dann hat der HSV aus meiner Sicht seine Philosophie verloren.“

Warum meldete sich Beiersdorfer nicht beim VfL?

Was Hochstätter nicht sagte: Ähnlich wie Bochums Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis soll auch er – vorsichtig formuliert – vom Prozess des Pokers irritiert gewesen sein. So hat sich lediglich HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein in Bochum direkt gemeldet. Und auch die Verhandlungen über Hochstätters HSV-Gehalt soll nicht Beiersdorfer, sondern Wettstein geführt haben. Hinter vorgehaltener Hand hieß es in Bochum, dass eine Einigung zwischen den Clubs ohne große Probleme möglich gewesen wäre, sofern der HSV Ernst gemacht hätte. Am Sonntag sollen die Clubs „nur“ noch wenige 100.000 Euro voneinander entfernt gewesen sein. „Ich betrachte die Gesamtlage und muss neben der wirtschaftlichen Machbarkeit auch die Selbstbestimmung des HSV beachten“, konterte Beiersdorfer.

Doch wie soll es nun weitergehen? Hochstätter-Verpflichtung? Geplatzt. Nico-Jan Hoogma, Horst Heldt, Georg Heitz? Nein, nein und nein. Und auch abgesehen von der chaotischen Sportchefsuche, die eher durch die Dauerfrage, wer wann wem abgesagt hat, als durch die entscheidende Frage, wer wann dem HSV helfen könnte, gekennzeichnet ist, bleibt im Spätherbst 2016 unter dem Strich eine verheerende Bilanz von Beiersdorfers bisheriger Amtszeit stehen. Vier Trainerwechsel, zwei Managerentlassungen, rund 90 Millionen Euro Transferausgaben und Platz 18. Die Zahlen sind nicht neu, bleiben aber genauso erschreckend wie die immer noch fehlende Clubstruktur und die Kaugummi-Suche nach einem Manager. „Wir könnten morgen problemlos einen Sportdirektor präsentieren“, sagte Beiersdorfer am Montag – und damit auf den Tag 200 Tage nach der Entlassung von Ex-Manager Peter Knäbel.

Beiersdorfer bleibt HSV-Boss

Anders als von vielen angenommen, hat der Aufsichtsrat auf seiner Sitzung aber nicht die Reißleine gezogen. Beiersdorfer darf weitermachen – bis auf Weiteres, wie es beim HSV in so schöner Regelmäßigkeit heißt. Im Gegensatz zur Präsentation des Abendblatt-Buchs über Uwe Seeler vor wenigen Tagen, als Chefkontrolleur Karl Gernandt dem strauchelnden Beiersdorfer auch öffentlich zur Seite sprang („Es macht keinen Sinn, den Kapitän von Bord zu schicken im Sturm“), beließen es die Räte am Montag bei einem Bekenntnis hinter verschlossenen Türen.

Und der angeschlagene Beiersdorfer? Darf – ebenfalls bis auf Weiteres – die Suche nach einem neuen Sportchef weiter leiten. „Wir führen Gespräche und werden uns dann entscheiden, wenn wir überzeugt sind“, sagte er. Sein Schlusswort: „Bis dahin werde ich meine Aufgaben so erfüllen wie in den vergangenen Wochen – sehr nah an der Mannschaft und am Trainer.“

In dem Sinne: läuft.