Hamburg. Für den HSV-Chef wird es nach dem geplatzten Hochstätter-Deal eng. Heute tagt der Aufsichtsrat. Kommt ein anderer Zweitliga-Manager?
„Die Länderspielpause wertvoll nutzen“, stand am Sonntagabend prominent auf der Homepage des HSV. Was sich eigentlich auf einen Artikel über die sportliche Lage der Hamburger bezog, hätte auch für die Sportchefsuche des Clubs gelten sollen. An diesem Montag, da waren sich eigentlich alle einig, sollte die Verpflichtung von Bochums Manager Christian Hochstätter perfekt gemacht und die monatelange Suche nach einem Nachfolger für den im Mai entlassenen Peter Knäbel beendet werden. Doch am Sonntagabend um 20.40 Uhr kam alles anders. Der Hochstätter-Deal war geplatzt.
„Die Ablöseforderung des VfL war nicht hinnehmbar“, sagte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer dem Abendblatt. „Wir werden nicht zusammenkommen.“ So lautete die erste Version des HSV. 500.000 Euro hatten die Hamburger als Ablösesumme für den 53-Jährigen Sportvorstand des Zweitligisten geboten. Doch Bochum forderte einen siebenstelligen Betrag und war auch nicht bereit, in der Summe nach unten zu gehen. „Christian Hochstätter hat uns am Sonntag informiert, dass er im Bochumer Aufsichtsrat keine Chance sieht, dass man sich einigt“, sagte Beiersdorfer. Damit hatte sich das Thema für den HSV erledigt.
In Bochum allerdings klang die Version anders. „Die Darstellung, dass uns der HSV abgesagt hätte, ist schlichtweg falsch“, sagte der Aufsichtsratschef des VfL, Hans-Peter Villis. „Christian Hochstätter hat mich gegen 20 Uhr informiert, dass er dem HSV abgesagt hat. Und darüber bin ich froh.“ Villis dementierte die Meldungen, dass die Hamburger ihr Angebot am Wochenende erhöht hätten. Ohnehin hätte es gar keine wirklichen Verhandlungen gegeben, zumindest nicht mit Beiersdorfer. Lediglich HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein habe sich beim VfL gemeldet. Von Beiersdorfer hätte er gar nichts gehört, so Villis.
Aufsichtsratstreffen wird wegweisend
Der HSV hatte sich zuvor mit Hochstätter über einen Wechsel geeinigt. Der Vertrag sollte bis 2019 laufen. Hochstätter soll sogar bereit gewesen sein, beim Gehalt Abstriche zu machen. „Wir waren ja auch bereit, aber ein gewisses Maß an Professionalität muss man uns schon einräumen. So oder so sind wir nun froh, dass eine Woche des Hickhacks endlich vorbei ist“, sagte Villis.
Für den in der Kritik stehenden Beiersdorfer wird es nun richtig eng. An diesem Montagabend trifft sich der Aufsichtsrat des HSV. Dabei soll es auch um die Zukunft des Clubchefs gehen. Der 52-Jährige hatte gehofft, mit der Verpflichtung von Hochstätter endlich ein Ergebnis präsentieren zu können. Doch schon vor den gescheiterten Verhandlungen wurde bekannt, dass Beiersdorfer den Rückhalt im Aufsichtsrat verlieren könnte.
Der geplatzte Hochstätter-Deal ist für Beiersdorfer der negative Höhepunkt der quälenden Sportchefsuche – und das mitten in einer der größten Krisen der Vereinsgeschichte. Zuvor hatte er sich Beiersdorfer bereits mit Georg Heitz (FC Basel), Nico Hoogma (Heracles Almelo) und dem ehemaligen Schalker Sportvorstand Horst Heldt nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können.
Insbesondere in den Verhandlungen mit Ex-HSV-Kapitän Hoogma hinterließ Beiersdorfer einen schlechten Eindruck. Mit dem Niederländer hatte der Clubchef Gespräche geführt. Von Beginn an war der 48-Jährige aber nicht der Wunschkandidat. Das ließ Beiersdorfer Hoogma auch wissen, worauf dieser sich zurückzog und absagte. „So geht man nicht mit einem Menschen um“, sagte Hoogma. Beiersdorfer dagegen beharrte auf der Version, er habe dem früheren Verteidiger abgesagt.
DFB-Präsident Grindel bedauert Situation des HSV
Ein möglicher Kandidat für den Sportchefposten ist nun der Karlsruher Jens Todt. Der 46-Jährige ist ein guter Freund Beiersdorfers und arbeitete einst als Nachwuchschef beim HSV. Allerdings sagte auch Todt erst in der vergangenen Woche, dass er seinen Vertrag beim Zweitligisten erfüllen will. Da gingen aber auch alle noch davon aus, dass sich die Hamburger mit Hochstätter einigen werden.
Das Chaos beim HSV ist mit dem gescheiterten Deal in jedem Fall perfekt. Und mitten drin steht Trainer Markus Gisdol, der den Tabellenletzten irgendwie sportlich wieder in die Spur bringen muss. Am Sonntagabend war der 47-Jährige zu Gast im NDR-„Sportclub“. Da war die Nachricht, dass er weiterhin ohne Sportchef auskommen muss, gerade wenige Minuten alt. „Ich habe vollstes Verständnis für den Vorstand, dass er sich nicht über den Tisch ziehen lässt“, sagte Gisdol über das Ende des Hochstätter-Pokers.
Die verschiedenen Versionen werden bleiben, die Kritik am HSV dafür weiter zunehmen. Seit Wochen äußern sich nahezu täglich Experten aus der Fußballbranche über den katastrophalen Zustand des HSV. "Die Außendarstellung des Vereins ist zum Fremdschämen“, sagte am Sonntag bereits der frühere Kommentator Marcel Reif im Sport1-„Doppelpass“. Der HSV sei seit einigen Jahren eine „Lachnummer“. Zuvor hatte sich HSV-Legende Sergej Barbarez zu Wort gemeldet und seinen Ex-Club in der "Morgenpost" als "Trauerfall" bezeichnet.
Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel äußerte sich fassungslos: Es sei traurig anzuschauen, wie der HSV es nicht schaffe, „mit solchen Fans, solcher Tradition und solch einem Hinterland“ aus der Misere herauszukommen. Er dürfte nicht der letzte gewesen sein, der sich in dieser Form äußert.