Hamburg. Bis zur Aufsichtsratssitzung in zwei Tagen hat Clubchef Dietmar Beiersdorfer im Poker um VfL-Manager Hochstätter viel zu tun.
Besetzt. Nächster Versuch. Wieder besetzt. Und noch einmal: besetzt. Wer Dietmar Beiersdorfer am Freitag erreichen wollte, der brauchte Geduld. Und einen guten Akku. Der HSV-Chef sei in Gesprächen, hieß es. Ob es Neues gebe? Hat die Aufsichtsratssitzung des VfL Bochum am Donnerstag den erhofften Durchbruch im sich hinziehenden Poker um Noch-VfL-Manager Christian Hochstätter gebracht? Beiersdorfers Kommentar: kein Kommentar.
Doch auch ohne erneute Kommentierung scheint die Ausgangslage zum Ende einer wieder einmal sehr unterhaltsamen HSV-Woche klar. Erstens: Der HSV will Hochstätter. Zweitens: Hochstätter will zum HSV. Und drittens: Auch der VfL Bochum, Hochstätters Noch-Arbeitgeber, ist in dieser Angelegenheit durchaus willig. Die logische Konsequenz aus erstens, zweitens und drittens: Alles paletti. Oder? Von wegen! Eher: Alles katastrofi!
Beiersdorfer führte mit mehreren Gespräche
Aber alles der Reihe nach. Zumindest an „erstens“ gibt es keine Zweifel mehr. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung soll Beiersdorfer bereits vor Wochen ein Anforderungsprofil für einen Sportchef erarbeitet haben, das durch Schlagwörter wie „Empathie“, „harter Arbeiter“ und „Akzeptanz“ gekennzeichnet gewesen sein soll. Das Gerücht, das auch der Anfangsbuchstabe „H“ zum Anforderungsprofil gehörte, ließ sich dagegen nicht bestätigen. Jedenfalls führte Beiersdorfer Gespräche mit Nico-Jan Hoogma (Almelo), Horst Heldt (arbeitslos), Georg Heitz (Basel) und eben Christian Hochstätter. Von dieser H-Connection blieb aus unterschiedlichen Gründen am Ende nur Bochums Hochstätter übrig, der sich Anfang dieser Woche mit Beiersdorfer auf eine Zusammenarbeit bis 2019 geeinigt hat. Somit gibt es auch mit „zweitens“ keinerlei Probleme.
Doch der HSV wäre wohl nicht der HSV, wenn es so ganz ohne Probleme gehen würde. Und an dieser Stelle kommt „drittens“ ins Spiel. Denn obwohl sich Bochums Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis einen Wechsel Hochstätters zum HSV vorstellen kann, hakt der Poker weiter. Der Grund: Bochum will viel einnehmen, der HSV aber nur wenig zahlen. Noch immer soll die Differenz zwischen den Clubs im siebenstelligen Bereich liegen. Und obwohl mittlerweile auch Hochstätter auf seinen Wechsel drängen soll, scheint Villis sich nicht drängen lassen zu wollen. „Wir sind nicht die Getriebenen“, sagte der VfL-Chefkontrolleur bei „Sport1“. Nach Abendblatt-Informationen soll der frühere Manager von EnBW Energie aber zunehmend genervt vom zögerlichen HSV-Vorgehen sein. „Wir sagen nicht panikmäßig tschüss, aus und vorbei“, sagte Villis. „Von außen stehen alle Zeichen auf Abschied, vom VfL Bochum aus nicht.“
Vor 200 Tagen wurde Peter Knäbel beurlaubt
Tatsächlich könnte Bochums Verhandlungsbasis besser nicht sein: Beiersdorfer, der an diesem Montag vor genau 200 Tagen Peter Knäbel als Sportdirektor beurlaubt hatte, steht unter enormem Zeitdruck. Sollte der Vorstandsvorsitzende, dem auch Ex-Kühne-Berater Volker Struth bereits im Mai die zügige Verpflichtung eines neuen Managers nahegelegt hatte, die Verhandlungen bis zur Aufsichtsratssitzung des HSV am Montag nicht erfolgreich abgeschlossen haben, dürfte die Gemengelage auch für ihn selbst kompliziert werden. Zuletzt bröckelte im Kontrollgremium der Rückhalt für den HSV-Chef, der seit einem halben Jahr einen Knäbel-Nachfolger sucht.
Und es wird noch komplizierter. Denn auch der Aufsichtsrat der HSV-AG steht mehr denn je in der Kritik. Der Hauptvorwurf an die sechs Kontrolleure: mangelnde Kontrolle. Bei der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Montag, auf der auch über Beiersdorfers Zukunft gesprochen werden sollte, fehlte etwa Bernd Bönte wegen eines privaten Termins. Für ein sogenanntes Get-together der „Mopo“ im Landhaus Scherrer am Abend hatte der Klitschko-Manager dagegen Zeit.
An diesem Wochenende muss Beiersdorfer viel telefonieren
Ganz unabhängig davon dürfte ein Ende des AG-Aufsichtsrats in der aktuellen Besetzung ohnehin absehbar sein. Grund dafür ist eine veraltete Regelung, die für den ersten AG-Aufsichtsrat nur gut drei statt der normal fast fünf Jahre Amtszeit vorsieht. Bereits im Anschluss an das laufende Geschäftsjahr könnte und soll das Kontrollgremium neu besetzt werden. Das Prozedere: Das e.V.-Präsidium um Präsident Jens Meier kann nach dem laufenden Geschäftsjahr im Sommer 2017 neue Aufsichtsratskandidaten vorschlagen, die dann vom Beirat abgesegnet werden müssen. Dieser Wahlausschuss, den Wirtschaftsprofessor Stefan Prigge vor der HSV-Strukturreform als „das neue Machtzentrum des HSV“ bezeichnet hatte, wird durch Jan Wendt (Delegierter der Amateure), Patrick Ehlers (Supporters), Andreas Peters (Ehrenratsvorsitzender) und die Ehrenmitglieder Frank Mackerodt sowie Oliver Voigt besetzt. In der Hauptversammlung der HSV-AG, in der Meier und der HSV e. V. mit 85,2 Prozent die deutliche Mehrheit haben, würde dann anschließend der neu vorgeschlagene Aufsichtsrat gewählt.
Ziemlich graue Theorie. In der Praxis muss Clubchef Beiersdorfer an diesem Wochenende vor allem eines: verdammt viel telefonieren.