Hamburg. Das 2:5 des HSV gegen Dortmund war ein Offenbarungseid auf allen Ebenen. Vorstandschef Beiersdorfer schließt Rücktritt aus.
Er wirkte getroffen. Angefasst. Fast schon ein wenig gekränkt. Dietmar Beiersdorfer stand am Sonntagmittag vor fünf Kamerateams und versuchte irgendwie Worte zu finden für das, was seinem Club am Tag zuvor widerfahren war. Bei der 2:5 (0:3)-Niederlage gegen Borussia Dortmund hatte sich der HSV zum wiederholten Male in einem dramatisch schlechten Zustand präsentiert. Und der Gesamtverantwortliche, der vor dem Spiel bei der Ehrung zum 80. Geburtstag von HSV-Idol Uwe Seeler von den eigenen Fans ausgepfiffen wurde, suchte nach Erklärungen.
Beiersdorfers Gesicht sagte einiges aus über sein eigenes Innenleben, aber auch über das Innenleben des Clubs. „Sie können sich vorstellen, dass das kein gute Situation ist“, sagte Beiersdorfer über seine Gefühlslage. „Es geht hier aber um den HSV.“ Und die Lage des HSV, sie wird von Woche zu Woche schlimmer. Auch nach dem zehnten Spieltag bleiben die Hamburger in der Bundesliga sieglos und jagen einen Negativrekord nach dem nächsten.
Einzelkritik: Grauen in der Dreierkette
Sprach Beiersdorfer noch vor einer Woche von einer „Ergebniskrise“, gab er nun erstmals auch eigene Fehler zu. „Wir haben mit Sicherheit in der Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle Fehler gemacht, sonst ist diese Bilanz schwierig zu erklären. Da muss etwas falsch gelaufen sein“, sagte Beiersdorfer am Sonntag. Die Rufe nach einem Rücktritt des glücklosen Vorstandschefs werden bereits lauter. Doch diesen schließt Beiersdorfer aus. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich trage die Verantwortung und der stelle ich mich. Ich gehe vorne weg und werde das auch in Zukunft tun.“
HSV kassiert Debakel gegen Dortmund an Seelers 80.
Dass beim HSV etwas passieren muss, verdeutlichte das Debakel gegen Dortmund durch die vier Tore von Pierre-Emerick Aubameyang (4., 23., 27., 48.) sowie den Treffer von Ousmané Dembélé (76.) eindringlich. Der HSV befindet sich weiter im freien Fall. „Wir müssen versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen“, sagte der angeschlagene Beiersdorfer.
Spannungen zwischen Team und Trainer
So hilflos wie der HSV-Chef hatte sich während des Spiels die Mannschaft präsentiert. Mit teilweise haarsträubenden Fehlern im Spielaufbau, allen voran durch die Abwehrroutiniers Emir Spahic und Johan Djourou, schenkten die Hamburger die Partie gegen keinesfalls stürmisch auftretende Dortmunder frühzeitig her. Der ebenso hilflose Trainer Markus Gisdol hatte es erstmals in dieser Saison mit einer Abwehrkette aus drei Innenverteidigern probiert. Doch dieser Plan scheiterte krachend.
Ob diese Taktik die Niederlage mitverursachte, sorgte nach dem Spiel für Spannungen zwischen der Mannschaft und dem Trainer. Kapitän Johan Djourou sprach davon, dass die Umstellung schwer gefallen sei. Die Automatismen hätten gefehlt. Gisdol gab den Ball an den Schweizer zurück. „Wir hätten heute auch mit einer Viererkette Probleme bekommen, wenn wir solche Fehler gemacht hätten“, sagte Gisdol mit einer kleinen Spitze Richtung Djourou, der das 0:2 mit einem fatalen Rückpass aufgelegt hatte. „Ich glaube jeder Profi sollte in der Lage sein, Dreier- oder Viererkette spielen zu können. Das gehört zur Grundausbildung in jedem Nachwuchsleistungszentrum“, so Gisdol.
Der Trainer nutzte zudem die Möglichkeit nach dem Spiel, um über seine Sicht der Ursachen für die HSV-Krise zu urteilen. Die übertriebene Erwartungshaltung vor der Saison sei schuld, dass die Mannschaft so große Probleme habe. „Es gilt für uns nichts anderes als reiner Existenzkampf, das muss spätestens heute jedem zu hundert Prozent klar sein“, sagte Gisdol. „Die Träumereien müssen aufhören.“ Wen genau der Trainer meinte, konnte er nicht vollständig auflösen.
Fans haben Glauben verloren
Beiersdorfer wies die Kritik des eigenen Trainers in jedem Fall zurück. „Wir haben gesagt, dass wir uns verbessern wollen. Wir haben nie gesagt dass wir ganz nach oben wollen.“ Gleichzeitig schützte der Clubchef den Coach, der auch in seinem fünften Bundesligaspiel beim HSV ohne Sieg blieb. Beiersdorfer appelliert an die Fans, die ihre Mannschaft vor und während des Spiels mit Häme begleiteten. „Man muss die Menschen verstehen. Aber wer ein echter HSVer ist, den verliert man nicht.“
Den Glauben an eine Wende in der derzeitigen Führungskonstellation haben viele Fans allerdings bereits verloren. Und auch in der Mannschaft fehlt es nach dem erneuten Zusammenbruch mittlerweile an Zuversicht. „Um ehrlich zu sein ist es schwierig, den Kopf oben zu halten“, sagte Mittelfeldspieler Albin Ekdal. Der Schwede bemühte sich in Zweckoptimismus. „Wir haben zwei schöne Tore geschossen.“ Und das gab es im Volkspark tatsächlich lange nicht.