Mönchengladbach/Hamburg. Trotz des verdienten 0:0 hat die Leistung von Torwart René Adler einen Schönheitsfehler. Der Clubchef des HSV denkt längst weiter.

So geht Abstiegskampf! So geht Teamgeist! So gehen kämpfen, kratzen, beißen! Dank einer Energieleistung und einem glänzend aufgelegten Torhüter René Adler hat der HSV seinem neuen Trainer Markus Gisdol im zweiten Spiel den ersten Punkt beschert und sich gleichzeitig vom letzten auf den 17. Platz der Fußball-Bundesliga gerobbt.

Dass am Ende des Gastspiels bei Borussia Mönchengladbach ein 0:0 stand, grenzte schon fast an ein Wunder. Denn die Gastgeber vergaben gleich zwei Elfmeter, nach dem ersten Strafstoß musste zudem Cléber mit glatt Rot vom Platz (25. Minute). 65 Minuten in Unterzahl waren die Folge.

Der Brasilianer hatte Borussen-Kapitän Lars Stindl an der Strafraumgrenze gefoult. Der erfahrene Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) zögerte bei seiner Premiere des Duells Gladbach gegen den HSV keine Sekunde und zeigte auf den Punkt. Doch von diesem scheiterte der ehemalige Hamburger Nachwuchsspieler André Hahn an Adler.

Die Bilder des Spiels:

HSV bei Borussia Mönchengladbach

René Adler, du bist ein Teufelskerl! Der Torhüter bewahrte den HSV in der 27. Minute mit einem gehaltenen Elfmeter vor dem Rückstand
René Adler, du bist ein Teufelskerl! Der Torhüter bewahrte den HSV in der 27. Minute mit einem gehaltenen Elfmeter vor dem Rückstand © WITTERS | UweSpeck
Allerdings schoss André Hahn auch nicht sonderlich platziert
Allerdings schoss André Hahn auch nicht sonderlich platziert © Imago/Jan Hübner
Allerdings musste Cléber für seine Notbremse gegen Lars Stindl mit glatt Rot vom Platz
Allerdings musste Cléber für seine Notbremse gegen Lars Stindl mit glatt Rot vom Platz © Bongarts/Getty Images | Dean Mouhtaropoulos
Schiedsrichter Wolfgang Stark kannte für die Attacke an der Strafraumgrenze keine Gnade
Schiedsrichter Wolfgang Stark kannte für die Attacke an der Strafraumgrenze keine Gnade © Bongarts/Getty Images | Dean Mouhtaropoulos
Für den Brasilianer war es die erste Rote Karte nach einer Ampelkarte in seiner Premierensaison
Für den Brasilianer war es die erste Rote Karte nach einer Ampelkarte in seiner Premierensaison © WITTERS | UweSpeck
Später gab es das Duell Adler gegen Hahn noch einmal
Später gab es das Duell Adler gegen Hahn noch einmal © WITTERS | UweSpeck
Obwohl schon wegen Abseits abgepfiffen war, leistete sich der Keeper einen Kung-Fu-Tritt gegen den früheren Hamburger Nachwuchsspieler
Obwohl schon wegen Abseits abgepfiffen war, leistete sich der Keeper einen Kung-Fu-Tritt gegen den früheren Hamburger Nachwuchsspieler © WITTERS | UweSpeck
Hahn blutete aus der Nase, doch Adler kam ohne Verwarnung davon
Hahn blutete aus der Nase, doch Adler kam ohne Verwarnung davon © Jan Huebner | Huebner/Blatterspiel
Auch sonst war Kampf Trumpf im Borussia-Park
Auch sonst war Kampf Trumpf im Borussia-Park © imago/Kolvenbach | imago sportfotodienst
Dazu gehörte auch diese Kopfballduell zwischen Patrick Herrmann und Douglas Santos
Dazu gehörte auch diese Kopfballduell zwischen Patrick Herrmann und Douglas Santos © Bongarts/Getty Images | Dean Mouhtaropoulos
Auch Emir Spahic traf es zum Teil hart
Auch Emir Spahic traf es zum Teil hart © WITTERS | UweSpeck
In der zweiten Halbzeit pfiff Stark erneut Elfmeter, diesmal hämmerte Stindl den Ball an die Unterkante der Latte
In der zweiten Halbzeit pfiff Stark erneut Elfmeter, diesmal hämmerte Stindl den Ball an die Unterkante der Latte © WITTERS | UweSpeck
Für seine Entscheidung musste Stark Proteste der HSV-Profis hinnehmen
Für seine Entscheidung musste Stark Proteste der HSV-Profis hinnehmen © Bongarts/Getty Images | Dean Mouhtaropoulos
Am Ende konnten sich Adler, Spahic & Co. über einen wichtigen Punkt in Unterzahl freuen
Am Ende konnten sich Adler, Spahic & Co. über einen wichtigen Punkt in Unterzahl freuen © dpa | Maja Hitij
HSV-Trainer Markus Gisdol schickte in Pierre-Michel Lasogga nur einen Stürmer in die Startelf
HSV-Trainer Markus Gisdol schickte in Pierre-Michel Lasogga nur einen Stürmer in die Startelf © imago/Revierfoto | imago sportfotodienst
Cléber stand schon bei der ersten Chance für Gladbach im Mittelpunkt, als er Hahn foulte
Cléber stand schon bei der ersten Chance für Gladbach im Mittelpunkt, als er Hahn foulte © Imago/Jan Huebner
Dennoch konnte der VfL-Angreifer den Ball noch über Adler heben, allerdings auch neben das Tor
Dennoch konnte der VfL-Angreifer den Ball noch über Adler heben, allerdings auch neben das Tor © Imago/Jan Huebner
Der eine war schon mal in Hamburg, der andere ist gerade erst angekommen: Der ehemalige St.-Pauli-Trainer André Schubert (l.) begrüßt seinen Kollegen Markus Gisdol
Der eine war schon mal in Hamburg, der andere ist gerade erst angekommen: Der ehemalige St.-Pauli-Trainer André Schubert (l.) begrüßt seinen Kollegen Markus Gisdol © WITTERS | UweSpeck
Vor dem Spiel grüßte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer die rund 5000 mitgereisten Anhänger und sprach noch einmal über sein Vorhaben, einen neuen Sportdirektor zu sichten
Vor dem Spiel grüßte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer die rund 5000 mitgereisten Anhänger und sprach noch einmal über sein Vorhaben, einen neuen Sportdirektor zu sichten © WITTERS | UweSpeck
Für Optimist Gisdol war es in seinem zweiten Spiel für den HSV gleich die zweite Auswärtshürde
Für Optimist Gisdol war es in seinem zweiten Spiel für den HSV gleich die zweite Auswärtshürde © WITTERS | UweSpeck
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Adler tritt Hahn blutig

Dessen Glanzleistung erfuhr kurz vor dem Halbzeitpfiff einen empfindlichen Schönheitsfehler, als sich der 31-Jährige zu einem Kung-Fu-Tritt gegen Hahn hinreißen ließ. Erinnerungen an Tim Wieses Aktion gegen Ivica Olic wurden wach. Da die Szene zuvor bereits wegen Abseits abgepfiffen wurde, beließ es Stark bei mahnenden Worten für Adler, der in Abwesenheit von Johan Djourou (Muskelfaserriss) die Kapitänsbinde trug.

Hahn ging blutend in die Kabine, wurde dort ohne Betäubung mit drei Stichen genäht und trat später wieder an. "Natürlich hätte er abstoppen können", urteilte Gladbachs Legende Rainer Bonhof über Adler, der allerdings auch dessen Tat beim Elfmeter anerkannte: "Der war nicht schlecht geschossen, aber René hat gut antizipiert."

Für Adler schloss sich damit ein Kreis: Den bis dato letzten Elfmeter parieren konnte der frisch vermählte 31-Jährige im März 2014 ebenfalls in Mönchengladbach (damals gegen Filip Daems).

Umstrittener zweiter Elfmeter

In der 60. Minute wäre Adler dann machtlos gewesen, als Stindl zum zweiten Strafstoß antrat, den Stark erst nach Rücksprache mit seinem Assistenten Martin Petersen freigab. Der Pfiff nach einem Laufduell zwischen Douglas Santos und Ibrahima Traore blieb allerdings schmeichelhaft.

Und so war es ausgleichende Gerechtigkeit, dass Stindl den Elfmeter an die Unterkante der Latte jagte. Was folgte, war eine Abwehrschlacht bis zur 95. Minute, in deren Verlauf der Ball nach einem Distanzschuss von Jonas Wendt ein weiteres Mal ans Hamburger Aluminium klatschte.

Die Höhepunkte des Spiels

2. Minute

Erster gefährlicher Vorstoß der Borussia: Hahn lupft den Ball über den herausgeeilten Adler hinweg ins Toraus, bekommt aber noch einen Freistoß. Denn Cléber hatte den Gladbacher zu hart attackiert.

3. Minute

Den anschließenden Freistoß setzt Wendt von der Strafraumgrenze hoch rechts am Tor vorbei.

11. Minute

Erster Eckball für den HSV, doch nach der Hereingabe durch Kostic von links pfeift Schiedsrichter Stark Stürmerfoul.

17. Minute

Auch die zweite Ecke durch Kostic muss bis dato schon als offensiver Höhepunkt der Gäste bezeichnet werden.

25. Minute

Rot für Cléber und Elfmeter gegen den HSV! Dahoud schickt Stindl in den Straufraum, der Borusse nimmt den Kontakt mit Cléber dankend an und fällt. Stark zeigt auf den Elfmeterpunkt und dem HSV-Abwehrspieler die Rote Karte.

27. Minute

Adler hält!! Hahn schnappt sich den Ball und schießt mit rechts, doch der HSV-Keeper kann den halbhohen Schuss des ehemaligen Hamburger Nachwuchsspielers nach rechts wegfausten.

45. Minute

Kurz vor dem Pausenpfiff wird es noch einmal hitzig: Zuerst hat Adler Glück, dass er für einen Wiese-ähnlichen Kunf-Fu-Tritt gegen Hahn ohne Verwarnung bleibt. Anschließend kassiert Stindl die Gelbe Karte für einen Ellbogencheck gegen Spahic.

58. Minute

Nach einer knappen Stunde erst der zweite Schuss auf Adlers Kasten, doch Stindl zielt im Sechzehner genau in die Arme des HSV-Kapitäns

60. Minute

Der zweite Elfmeter gegen den HSV! Traore kommt im Laufduell mit Douglas Santos zu Fall, Stark zeigt schon wieder auf den Punkt. Doch diesmal roch der Faller schon eher nach Schwalbe.

61. Minute

Stindl verschießt!! Unglaublich, diesmal rettet die Latte für den HSV. Stindl jagt den Ball mittig an die Unterkante, Adler wäre geschlagen gewesen.

77. Minute

Adler wird zum großen Rückhalt, diesmal pariert er famos gegen einen strammen Schuss von Johnson

90. Minute

Jetzt rettet der Pfosten, der einen Distanzschuss von Wendt allerdings genau zu Stindl abprallen lässt. Doch der Gladbacher Spielführer kann den Ball nicht kontrollieren.

90. Minute + 5

Um ein Haar doch noch die bittere Niederlage, doch Elvedi verstolpert die letzte Chance der "Fohlen" in der Nachspielzeit.

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Lasogga lobt den Teamgeist

"Nach dem zweiten Elfer wusste ich, dass der Fußballgott heute auf unserer Seite ist", sagte Lewis Holtby hinterher. Pierre-Michel Lasogga, diesmal einzige Sturmspitze, sprach von einer "super Teamleistung": "Wir hatten heute das nötige Glück, aber jeder war für jeden da. Der Punkt tut uns gut."

"Heute waren Krämpfe und Schmerzen dabei. Es war eine geile Schlacht, ich mag so etwas. Dafür bin ich Fußballer geworden", sagte Adler: "Es ist schön, etwas in der Hand zu haben."

Die Gegenspieler schüttelten dagegen über zwei verlorene Punkte den Kopf. "So ein Spiel wie heute gibt es nicht oft. Der Ball wollte einfach nicht rein", klagte Gladbachs Torhüter Yann Sommer. "So ein Spiel kommt wahrscheinlich einmal in der Saison vor – jetzt haben wir es hinter uns", befand Christoph Kramer.

In die gleiche Kerbe schlug VfL-Trainer André Schubert: "Natürlich ärgert man sich, aber so ein Spiel gibt es nur einmal in zehn Jahren."

Gisdol muss grinsen

Sein Gegenüber konnte sich dagegen ein Grinsen nicht verkneifen. "Es tut einfach allen gut, das positive Erlebnis ist unbezahlbar", sagte Markus Gisdol bei "Sky" über den Punktgewinn. Aus dem Spiel werde die Mannschaft "ganz viel" mitnehmen".

Der HSV-Coach setzte im Gros auf die Elf aus dem Spiel bei Hertha BSC (0:2). Lediglich Dennis Diekmeier auf der rechten Seite und Aaron Hunt im zentralen Mittelfeld rückten neu ins Team. Neben Abwehrchef Djourou musste Gisdol auch auf Michael Gregoritsch verzichten.

Die Gladbacher, die ihre beiden besten Torschützen, Raffael und Thorgan Hazard, nicht dabei hatten, präsentierten sich nach dem 0:4 beim FC Schalke ebenfalls leicht verändert. Fabian Johnson rückte wieder ganz vorne rein, Flügelspieler Patrick Herrmann stand erstmals in der Startformation.

Das sagte Gisdol am Sonntag

HSV mit historischem Fehlstart

Die Gastgeber dominierten die Partie und kombinierten bis zum Strafraum sicher, kamen aber gegen die kompakte Deckung der Hamburger kaum zu gefährlichen Torszenen. Der HSV stand gut, lauerte auf Konter und ließ sich bis zum Platzverweis in der 25. Minute nicht aus der Ruhe bringen.

Gisdol reagierte auf die Dezimierung und zog Albin Ekdal von der Sechser-Position zurück. Mit Erfolg: Am Ende brachte der Dino das 0:0 mit Glück und Geschick über die Runden, durchbrach damit die Gladbacher Siegesserie von zuvor zehn Heimerfolgen in Folge, konnte aber gleichzeitig einen historischen Fehlstart in der eigenen Vereinsgeschichte nicht verhindern.

Schon am kommenden Freitag (20.30 Uhr) hat der HSV die Möglichkeit, im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt den misslungenen Saisonstart noch weiter zu korrigieren. Allerdings kommen die Hessen mit viel Selbstvertrauen in den Volkspark: Am Sonnabend holte die Eintracht ebenfalls in Unterzahl ein 2:2 gegen Bayern München.

Die Statistik

Borussia Mönchengladbach

Sommer - Korb, Christensen, Elvedi - Dahoud (85. Hofmann), Kramer - Herrmann (46. Traore), Wendt - Stindl - Johnson, Hahn. - Trainer: Schubert

HSV

Adler - Diekmeier, Cleber, Spahic, Santos - Ekdal, Holtby - Nicolai Müller, Hunt (80. Jung), Kostic (74. Wood)- Lasogga (63. Sakai). - Trainer: Gisdol

Schiedsrichter

Wolfgang Stark (Ergolding)

Zuschauer

54.000

Tore

 

Gelbe Karten

Stindl, Kramer - Lasogga, Spahic, Kostic

Rote Karte

  - Cléber (25./Notbremse)

Besondere Vorkommnisse

Adler (HSV) hält Foul-Elfmeter von Hahn (27.)

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Beiersdorfer sondiert "nicht üppigen" Markt

Vor dem Spiel bestätigte HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer noch einmal durch die Blume, dass er sich nach einem neuen Sportchef umschaue. Er werde sich den Markt anschauen, dieser sei "aber nicht so üppig", sagte Beiersdorfer bei "Sky".

Hetzen lassen wolle er sich dabei aber nicht, sagte der 52-Jährige: "Wir werden nicht die Ruhe verlieren, aus meiner Sicht haben wir gute Transfers geleistet." Von dem aktuellen Team sei er "total überzeugt". "Wir haben einen breiten Kader, der auf einem ziemlich hohen Niveau ist."

Auf die Frage, ob er schon einmal über Rücktritt nachgedacht habe, antwortete Beiersdorfer: "Nein, auf keinen Fall." Gisdol bescheinigte er, neuen Schwung mitgebracht zu haben. "Man hat gesehen, dass er eine klare Vorstellung hat, wie er spielen möchte", sagte der Vorstandsvorsitzende.