Mönchengladbach/Hamburg. Trotz des verdienten 0:0 hat die Leistung von Torwart René Adler einen Schönheitsfehler. Der Clubchef des HSV denkt längst weiter.
So geht Abstiegskampf! So geht Teamgeist! So gehen kämpfen, kratzen, beißen! Dank einer Energieleistung und einem glänzend aufgelegten Torhüter René Adler hat der HSV seinem neuen Trainer Markus Gisdol im zweiten Spiel den ersten Punkt beschert und sich gleichzeitig vom letzten auf den 17. Platz der Fußball-Bundesliga gerobbt.
Dass am Ende des Gastspiels bei Borussia Mönchengladbach ein 0:0 stand, grenzte schon fast an ein Wunder. Denn die Gastgeber vergaben gleich zwei Elfmeter, nach dem ersten Strafstoß musste zudem Cléber mit glatt Rot vom Platz (25. Minute). 65 Minuten in Unterzahl waren die Folge.
Der Brasilianer hatte Borussen-Kapitän Lars Stindl an der Strafraumgrenze gefoult. Der erfahrene Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) zögerte bei seiner Premiere des Duells Gladbach gegen den HSV keine Sekunde und zeigte auf den Punkt. Doch von diesem scheiterte der ehemalige Hamburger Nachwuchsspieler André Hahn an Adler.
Die Bilder des Spiels:
HSV bei Borussia Mönchengladbach
Adler tritt Hahn blutig
Dessen Glanzleistung erfuhr kurz vor dem Halbzeitpfiff einen empfindlichen Schönheitsfehler, als sich der 31-Jährige zu einem Kung-Fu-Tritt gegen Hahn hinreißen ließ. Erinnerungen an Tim Wieses Aktion gegen Ivica Olic wurden wach. Da die Szene zuvor bereits wegen Abseits abgepfiffen wurde, beließ es Stark bei mahnenden Worten für Adler, der in Abwesenheit von Johan Djourou (Muskelfaserriss) die Kapitänsbinde trug.
Hahn ging blutend in die Kabine, wurde dort ohne Betäubung mit drei Stichen genäht und trat später wieder an. "Natürlich hätte er abstoppen können", urteilte Gladbachs Legende Rainer Bonhof über Adler, der allerdings auch dessen Tat beim Elfmeter anerkannte: "Der war nicht schlecht geschossen, aber René hat gut antizipiert."
Für Adler schloss sich damit ein Kreis: Den bis dato letzten Elfmeter parieren konnte der frisch vermählte 31-Jährige im März 2014 ebenfalls in Mönchengladbach (damals gegen Filip Daems).
Umstrittener zweiter Elfmeter
In der 60. Minute wäre Adler dann machtlos gewesen, als Stindl zum zweiten Strafstoß antrat, den Stark erst nach Rücksprache mit seinem Assistenten Martin Petersen freigab. Der Pfiff nach einem Laufduell zwischen Douglas Santos und Ibrahima Traore blieb allerdings schmeichelhaft.
Und so war es ausgleichende Gerechtigkeit, dass Stindl den Elfmeter an die Unterkante der Latte jagte. Was folgte, war eine Abwehrschlacht bis zur 95. Minute, in deren Verlauf der Ball nach einem Distanzschuss von Jonas Wendt ein weiteres Mal ans Hamburger Aluminium klatschte.
Die Höhepunkte des Spiels
Lasogga lobt den Teamgeist
"Nach dem zweiten Elfer wusste ich, dass der Fußballgott heute auf unserer Seite ist", sagte Lewis Holtby hinterher. Pierre-Michel Lasogga, diesmal einzige Sturmspitze, sprach von einer "super Teamleistung": "Wir hatten heute das nötige Glück, aber jeder war für jeden da. Der Punkt tut uns gut."
"Heute waren Krämpfe und Schmerzen dabei. Es war eine geile Schlacht, ich mag so etwas. Dafür bin ich Fußballer geworden", sagte Adler: "Es ist schön, etwas in der Hand zu haben."
Die Gegenspieler schüttelten dagegen über zwei verlorene Punkte den Kopf. "So ein Spiel wie heute gibt es nicht oft. Der Ball wollte einfach nicht rein", klagte Gladbachs Torhüter Yann Sommer. "So ein Spiel kommt wahrscheinlich einmal in der Saison vor – jetzt haben wir es hinter uns", befand Christoph Kramer.
In die gleiche Kerbe schlug VfL-Trainer André Schubert: "Natürlich ärgert man sich, aber so ein Spiel gibt es nur einmal in zehn Jahren."
Gisdol muss grinsen
Sein Gegenüber konnte sich dagegen ein Grinsen nicht verkneifen. "Es tut einfach allen gut, das positive Erlebnis ist unbezahlbar", sagte Markus Gisdol bei "Sky" über den Punktgewinn. Aus dem Spiel werde die Mannschaft "ganz viel" mitnehmen".
Der HSV-Coach setzte im Gros auf die Elf aus dem Spiel bei Hertha BSC (0:2). Lediglich Dennis Diekmeier auf der rechten Seite und Aaron Hunt im zentralen Mittelfeld rückten neu ins Team. Neben Abwehrchef Djourou musste Gisdol auch auf Michael Gregoritsch verzichten.
Die Gladbacher, die ihre beiden besten Torschützen, Raffael und Thorgan Hazard, nicht dabei hatten, präsentierten sich nach dem 0:4 beim FC Schalke ebenfalls leicht verändert. Fabian Johnson rückte wieder ganz vorne rein, Flügelspieler Patrick Herrmann stand erstmals in der Startformation.
Das sagte Gisdol am Sonntag
HSV mit historischem Fehlstart
Die Gastgeber dominierten die Partie und kombinierten bis zum Strafraum sicher, kamen aber gegen die kompakte Deckung der Hamburger kaum zu gefährlichen Torszenen. Der HSV stand gut, lauerte auf Konter und ließ sich bis zum Platzverweis in der 25. Minute nicht aus der Ruhe bringen.
Gisdol reagierte auf die Dezimierung und zog Albin Ekdal von der Sechser-Position zurück. Mit Erfolg: Am Ende brachte der Dino das 0:0 mit Glück und Geschick über die Runden, durchbrach damit die Gladbacher Siegesserie von zuvor zehn Heimerfolgen in Folge, konnte aber gleichzeitig einen historischen Fehlstart in der eigenen Vereinsgeschichte nicht verhindern.
Schon am kommenden Freitag (20.30 Uhr) hat der HSV die Möglichkeit, im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt den misslungenen Saisonstart noch weiter zu korrigieren. Allerdings kommen die Hessen mit viel Selbstvertrauen in den Volkspark: Am Sonnabend holte die Eintracht ebenfalls in Unterzahl ein 2:2 gegen Bayern München.
Die Statistik
Beiersdorfer sondiert "nicht üppigen" Markt
Vor dem Spiel bestätigte HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer noch einmal durch die Blume, dass er sich nach einem neuen Sportchef umschaue. Er werde sich den Markt anschauen, dieser sei "aber nicht so üppig", sagte Beiersdorfer bei "Sky".
Hetzen lassen wolle er sich dabei aber nicht, sagte der 52-Jährige: "Wir werden nicht die Ruhe verlieren, aus meiner Sicht haben wir gute Transfers geleistet." Von dem aktuellen Team sei er "total überzeugt". "Wir haben einen breiten Kader, der auf einem ziemlich hohen Niveau ist."
Auf die Frage, ob er schon einmal über Rücktritt nachgedacht habe, antwortete Beiersdorfer: "Nein, auf keinen Fall." Gisdol bescheinigte er, neuen Schwung mitgebracht zu haben. "Man hat gesehen, dass er eine klare Vorstellung hat, wie er spielen möchte", sagte der Vorstandsvorsitzende.