Hamburg. Der Schweizer Nationalspieler agierte in Hamburg nur sechs Wochen. Jetzt spricht der Gladbacher über seine lange Leidenszeit danach.
Der Mannschaftbus des HSV fuhr gerade auf der Autobahn zwischen Leverkusen und Hamburg, als Josip Drmic die Schmerzen bemerkte. Sein rechtes Knie wurde immer dicker. Noch ahnte der Schweizer nicht, dass die Partie bei Bayer Leverkusen am 13. März dieses Jahres seine letzte für den HSV gewesen sein sollte. Schließlich war es ein ganz normaler Zweikampf, das Duell gegen Marlon Frey.
Ein Stechen im Knie
Ein kurzes Stechen im Knie. Mehr nicht. Drmic spielt bis zum Schluss. Doch im Bus merkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Schockdiagnose folgte am nächsten Morgen: Knorpelschaden. Operation. Sechs Monate Pause. Nie wieder HSV. Und viel schlimmer: das Aus für die EM in Frankreich. Genau sieben Monate ist dieser Moment nun her. Josip Drmic kommt gerade von der medizinischen Behandlung. Er arbeitet jetzt wieder für Borussia Mönchengladbach. Am Sonnabend trifft seine Mannschaft auf den HSV. Für Drmic ist die Partie eine Begegnung mit einer der schönsten und zugleich schwersten Zeiten seiner noch jungen Karriere: den sechs Wochen in Hamburg. Und den sieben Monaten danach. Zum ersten Mal seit dem Tag im März spricht der 24-Jährige ausführlich über die lange Leidenszeit. „Für mich ist eine kleine Welt zusammengebrochen“, sagt Drmic im Gespräch mit dem Abendblatt.
Rückblick: Am 1. Februar, dem letzten Tag der Wintertransferperiode, leiht der HSV den Stürmer von Borussia Mönchengladbach aus. Die Hamburger zahlen für ein halbes Jahr 1,2 Millionen Euro Ablöse. Viel Geld für einen so kurzen Zeitraum. Doch Drmic ist der Hoffnungsträger. In Gladbach kam der Nationalspieler kaum zum Zug, konnte die zehn Millionen Euro Ablöse in seinem ersten halben Jahr nicht rechtfertigen. In Hamburg will Drmic zurück zu alter Stärke finden.
In fünf Spielen nur ein Tor
Am Anfang tut sich der Angreifer schwer. Trainer Bruno Labbadia setzt ihn zumeist auf Linksaußen ein. In fünf Spielen schafft es Drmic nur auf ein Tor. Und dann geht es nach Leverkusen. Der Zweikampf gegen Frey. Nach sechs Wochen ist es vorbei mit dem HSV. „Es ist schade, dass ich mich mit einer Verletzung verabschieden musste“, sagt Drmic, der sein kurzes Gastspiel in Hamburg aber in bester Erinnerung behält. „Ich hatte beim HSV eine geile Zeit in einer super Mannschaft. Die Fans, das Stadion, die Stadt, davon kann man nur träumen“, sagt Drmic. Immerhin kam er in sechs Spielen zu mehr Einsatzzeit als bei der Borussia in 13 Partien. „Ich war glücklich und habe mich in Hamburg sehr wohlgefühlt.“
Entsprechend emotional wird für Drmic das Wiedersehen mit dem HSV. Das Spiel wird er allerdings auf der Tribüne verfolgen müssen. Nach einem halben Jahr, das Drmic zwischen Arztpraxen und Krafträumen verbrachte, nahm er in der vergangenen Woche zumindest wieder am Mannschaftstraining teil. „Es war ein super Gefühl, wieder den Rasen zu spüren. Das war der Hammer.“ Noch ist Drmic aber weit davon entfernt, wieder Spiele zu bestreiten. „Ich habe noch ein paar Defizite, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit. Mein Knie entscheidet, wann ich wieder spielen kann.“
Mit seinen 24 Jahren hat Drmic schon alle Höhen und Tiefen eines Profisportlers erlebt. Vor zwei Jahren schoss der Stürmer 17 Tore für den 1. FC Nürnberg – und stieg dennoch mit dem Club in die Zweite Liga ab. Anschließend ging es zur Weltmeisterschaft nach Brasilien. Mit der Schweiz erreichte er das Achtelfinale gegen Argentinien, Drmic machte alle Spiele. Nach seinem Wechsel zu Bayer Leverkusen ging es bergab. Drmic saß fast immer auf der Bank. Ein Jahr später ging es nach Gladbach. Dort erlebte er dasselbe Schicksal. Es folgte das kurze Glück in Hamburg – und der Knorpelschaden.
Angst um die Karriere
„Ich habe die Nachricht letztlich erwachsen aufgenommen“, sagt Drmic. „Ich habe mir gesagt, akzeptiere es.“ Heute ist er demütig geworden. Drmic weiß, wie schnell das Leben als Profisportler vorbei sein kann. „Natürlich hatte ich Angst um meine Karriere. Man hat schon oft gehört, dass Sportler mit einem Knorpelschaden aufhören mussten.“ Drmic hat gelernt, Geduld zu haben. Und auf die Signale seines Körpers zu hören. „Ich muss jetzt mental stark bleiben. Für mich war immer klar, dass ich nicht aufgeben werde. Die schwierige Zeit wird mich stärker machen.“
Spätestens in der Rückrunde will Drmic wieder spielen. Am 11. März 2017 findet im Volkspark das Rückspiel gegen Gladbach statt. Für Drmic wäre es die Rückkehr zum HSV genau ein Jahr nach seinem letzten Spiel für die Hamburger. Und die nächste Begegnung mit einer der schönsten und zugleich schwersten Zeit seiner noch jungen Karriere.