Hamburg. Spieleragent Struth hilft HSV-Investor Kühne bei der Bewertung von Transfers. Eine Konstellation, die Fragen aufwirft
Drei Wochen ist es mittlerweile her, dass Dietmar Beiersdorfer beim HSV die Doppelrolle übernommen hat. Vorstandsvorsitzender auf der einen Seite, Direktor Profifußball auf der anderen Seite. Im Alltag sieht diese Ämterteilung wie folgt aus: Als Vereinschef und Repräsentant des HSV eröffnete Beiersdorfer am Mittwochmorgen das Inklusionssportfest „SPINK“ im Volksparkstadion. Er tanzte mit den Kindern, schrieb Autogramme und ließ sich auf Selfies ablichten. Der Sportchef Beiersdorfer saß am Nachmittag zuvor in den Büroräumen der Firmenzentrale von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne auf dem Großen Grasbrook. Auch die Vorstandskollegen Frank Wettstein und Joachim Hilke waren dabei. Mehrere Stunden tagten die Bosse über die sportliche Zukunft des HSV.
Volker Struth saß bei diesem Treffen nicht mit am Tisch. Warum sollte er auch, könnte man meinen. Schließlich hat der Spielerberater der Agentur SportsTotal kein offizielles Amt beim HSV inne. Und doch wäre es keine Überraschung gewesen, wenn Struth am Gipfel der HSV-Bosse teilgenommen hätte. Denn der 50-Jährige berät seit einigen Wochen HSV-Anteilseigner Kühne. Der Milliardär, der in den vergangenen Jahren fast 70 Millionen Euro in den Verein gesteckt hat, will es noch einmal wissen. Bis zu 50 Millionen Euro könnte Kühne in diesem Sommer in die Mannschaft des HSV investieren. Und dabei setzt er, wie kürzlich bekannt wurde, auf den sportlichen Rat des wohl mächtigsten deutschen Spieleragenten: Volker Struth.
Er soll Kühne dabei helfen, die richtigen Spieler zu finanzieren. „Es geht nur darum, das Risiko auf Fehlentscheidungen bei Transfers zu minimieren“, sagt der Mann, der den Kontakt zwischen Kühne und Struth vermittelt hat: Reiner Calmund, früherer Manager von Bayer Leverkusen, langjähriger Freund von Struth und mittlerweile auch Vertrauter von Kühne.
In der Szene hat diese Konstellation für Verwunderung gesorgt. „Wenn Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die nicht dem Verein angehören, dann kann das nicht sein und wird auch nicht funktionieren“, sagte Ex-HSV-Profi Marcell Jansen, an dem Kühne einst Transferrechte besaß, am Mittwoch. Auch andere Agenten aus der Bundesliga zeigen sich irritiert. Darf ein externer Spielerberater Einfluss nehmen auf Transferentscheidungen innerhalb eines Vereins? Oder verfolgt der Agent, der mit seiner Firma neben den Topstars Toni Kroos (Real Madrid) und Marco Reus (Borussia Dortmund) noch mehr als 70 Spieler betreut, ein Eigeninteresse?
Die knappe Antwort: Ja, er darf. So besagen es die Vorschriften des Weltverbands Fifa. Demnach dürfen Vereine Vermittler nur dann beauftragen, wenn diese kein offizielles Amt in diesem Verein bekleiden. Das trifft auf Kühne und Struth zu. Gregor Reiter, Anwalt und Geschäftsführer der Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung, bestätigte, dass die Konstellation beim HSV „unproblematisch“ sei. Problematisch wäre sie nur, sollte Struth gleichzeitig die Funktion des Sportchefs übernehmen.
Welches Interesse aber verfolgt Struth bei der Beratung von Kühne? Finanzielle Gründe sollen es nach Abendblatt-Informationen nicht sein. Geht es nach Calmund, will der Investor nur sicherstellen, dass die Transfers, an denen er sich beteiligen wird, die richtigen sind. „Das Heft des Handelns liegt beim Verein. Dietmar Beiersdorfer trifft die Entscheidungen. Ohne ihn geht gar nichts“, versichert Calmund im Abendblatt-Gespräch. Struth sagte der „Bild“ kürzlich: „So ich der Berater von Herrn Kühne bin, würde ich ihm raten, die Verantwortung für Transfers alleine Herrn Beiersdorfer zu überlassen.“ Mehr will Struth, der mit Dennis Diekmeier und Zoltan Stieber zwei aktuelle und mit Ivo Ilicevic und Josip Drmic zwei ehemalige HSV-Spieler zu seinen Klienten zählt, nicht sagen.
Wie groß der Einfluss des Beraters auf den HSV wirklich ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn der Verein die nächsten Transfers abwickelt. Die bisherigen Neuzugänge Bobby Wood und Christian Mathenia hatte noch der vor drei Wochen entlassene Sportchef Peter Knäbel vorbereitet – ohne Zustimmung von Kühne.
Beiersdorfer wird diese brauchen, wenn er das Geld des Investors ausgeben will. Ohne die Mittel wird er auf dem Transfermarkt kaum handlungsfähig sein. „Unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, sagte er. Für ihn geht es nun darum, mit Kühne ein Finanzierungsmodell zu finden. „Es gab ein Infogespräch, aber es ist noch nichts vereinbart“, sagte der HSV-Boss, der nebenbei nach personeller Unterstützung im Bereich der Kaderplanung sucht. Wer das sein wird, kann er noch nicht sagen. Nur so viel: Volker Struth ist es nicht.