Hamburg. Zahlen verdeutlichen den Abwärtstrend. Die Kritik an Labbadia wird lauter, doch der Trainer lässt sich nicht beirren. Das hat Gründe.

Es sind die üblichen Abläufe, mit denen der HSV an diesem Dienstag in die neue Trainingswoche startet. Eine Einheit um 10 Uhr, eine Einheit um 15.30 Uhr. Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag folgt jeweils einmal Training. So macht es der HSV in jeder Woche vor einem Spiel. Trainer Bruno Labbadia ist ein Verfechter von klaren Plänen und Prinzipien, von fes­ten Abläufen, an denen sich seine Spieler orientieren können. Vor allem aber ist Labbadia ein Verfechter von einer klaren Spielvorstellung, von einem fes­ten Mannschaftsgefüge. Veränderungen in Aufstellung und System nimmt der 50-Jährige nur ungern vor.

Nun sind es allerdings genau die Rufe nach Veränderungen an Aufstellung und System, die im Umfeld des Clubs lauter werden. Vor allem die Fans fordern in Foren personelle Umstellungen. Anlass der Kritik ist die fehlende spielerische Entwicklung und der sportliche Abwärtstrend, der anhand von Zahlen verdeutlicht wird. In der saisonübergreifenden Jahrestabelle liegt der HSV nach der 1:3-Niederlage in Leverkusen auf dem letzten Platz. Der zehnte Platz, den die Hamburger durch den Sieg am letzten Spieltag in Augsburg erreicht hatten, täuschte darüber hinweg, dass die Entwicklung stockte. Ein Blogger rechnete am Montag aus, dass der HSV unter Labbadia von den ersten 23 Spielen noch 46 Prozent gewann. Von den zweiten 23 Spielen waren es nur noch 26 Prozent.

Labbadia passen nur zwei Neuzugänge

Die ersten beiden Auftritte des HSV gegen Ingolstadt (1:1) und nun in Leverkusen stehen stellvertretend für die Leistungen der Mannschaft in diesem Jahr. Zu Hause mit dem Ball einfallslos, auswärts gegen den Ball mit großem Aufwand und guten Ansätzen, aber ohne den Lohn in Form von Ergebnissen. „Man hat in Leverkusen gesehen, wie wichtig für uns die taktische Disziplin ist“, sagte Labbadia. Nichts geht bei ihm über die mannschaftliche Geschlossenheit. So schaffte es der Trainer, den HSV vor 17 Monaten zu retten. So schaffte es der Trainer, den HSV in der Hinrunde vor einem Jahr zu einer Einheit zu formen. Nun lautet die viel diskutierte Frage: Schafft es der Trainer auch, mit der Mannschaft attraktiveren und vor allem erfolgreicheren Fußball zu spielen?

Sportchef Dietmar Beiersdorfer hat mithilfe von Geldgeber Klaus-Michael Kühne viel Geld investiert, um den Charakter der Mannschaft zu verändern. Filip Kostic. Alen Halilovic. Luca Waldschmidt. Douglas Santos. Junge, schnelle und technisch beschlagene Spieler, die dem HSV eine neue Seele verschaffen sollen. „Natürlich kann sich der Spielcharakter einer Mannschaft durch den einen oder anderen Neuzugang bessern“, sagte Beiersdorfer vor der Saison. Von den Neuzugängen konnte bislang aber nur der von Ex-Sportchef Peter Knäbel verpflichtete Bobby Wood in beiden Spielen überzeugen. Der US-Stürmer passt mit seiner robusten Spielweise perfekt in den geradlinigen Fußball, den Labbadia spielen lässt.

5119809688001_videostill_1473531841795.jpg
Matz ab mit Helm-Peter nach der Leverkusen-Pleite

weitere Videos

    Anerkennung für Rangnicks Handschrift

    Auch Rekordtransfer Kostic ist ein Spielertyp der Marke Labbadia. Die anderen Neuzugänge weiß der Coach bislang noch nicht entsprechend einzusetzen. Tempodribbler Halilovic? „Wir müssen ihm Zeit geben“, sagt Labbadia. U20-Nationalspieler Waldschmidt? „Er muss dranbleiben und auf seine Chance warten.“ Olympiasieger Santos? „Ob er schon so weit ist, kann ich noch nicht sagen.“ Labbadia tritt bei den Neuzugängen auf die Bremse. Das gefällt nicht jedem. Auch Eigengewächs Finn Porath schaffte es nach einer ansprechenden Vorbereitung bislang nicht in den Kader. „Finn braucht noch Substanz. Wir müssen ihn erst mal auf ein gesundes Fundament stellen“, sagt Labbadia. Sicherheit statt Risiko lautet die Devise.

    Das Heimspiel gegen den Euphorie-Aufsteiger RB Leipzig am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr) wäre der passende Anlass, die spielstarken Neuzugänge wie Halilovic oder Santos einzubauen, da Labbadia einen spielstarken Gegner erwartet. „Man erkennt die große Handschrift von Sportchef Ralf Rangnick. Der Club hat viel Geld investiert und gute, junge Spieler dazugeholt, die heiß drauf sind, in der Bundesliga zu spielen.“

    Labbadia lobt Ostrzolek

    Zuschreibungen, die auch auf die Neuzugänge des HSV passen. Im Gegensatz zu RB-Trainer Ralph Hasenhüttl scheint Labbadia das Vertrauen in seine Talente aber noch nicht gefunden zu haben. Der Hamburger stellt das Leistungsprinzip in den Vordergrund. „Bei uns geht es immer danach, wer gut arbeitet“, sagt Labbadia und nennt als Beispiel dafür Linksverteidiger Matthias Ostrzolek. Ein Zeichen, dass der Brasilianer Santos sich noch gedulden muss?

    Vom öffentlichen Druck lässt sich Labbadia ohnehin nicht leiten. Der letzte HSV-Trainer, der das gemacht hat, war Mirko Slomka. Nach dem Fehlstart vor zwei Jahren veränderte er sein Team am dritten Spieltag auf sieben Positionen. Das Ende der Geschichte: Der unsortierte HSV verlor in Hannover mit 0:2 – und Slomka war seinen Job los.

    Bilder von der Pleite in Leverkusen:

    Leverkusens Pohjanpalo schlägt den HSV

    Ein Bild mit Gewöhnungseffekt: Bobby Wood jubelt über einen Führungstreffer für den HSV
    Ein Bild mit Gewöhnungseffekt: Bobby Wood jubelt über einen Führungstreffer für den HSV © Witters
    In der 58. Minute umkurvte der US-Stürmer Leverkusens Torhüter Bernd Leno...
    In der 58. Minute umkurvte der US-Stürmer Leverkusens Torhüter Bernd Leno... © Witters
    ...um anschließend zur Führung einzuschieben
    ...um anschließend zur Führung einzuschieben © Witters
    Von Bayer-Sportchef Rudi Völler wurde Labbadia vor dem Spiel getätschelt
    Von Bayer-Sportchef Rudi Völler wurde Labbadia vor dem Spiel getätschelt © Imago/Eibner
    Auf dem Platz war anschließend Kampf Trumpf: Nicolai Müller gegen Leverkusens Admir Mehmedi (l.) und Benjamin Henrichs
    Auf dem Platz war anschließend Kampf Trumpf: Nicolai Müller gegen Leverkusens Admir Mehmedi (l.) und Benjamin Henrichs © Getty Images
    Für Emir Spahic war es zumindest in dieser Szene eine schmerzhafte erste Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte
    Für Emir Spahic war es zumindest in dieser Szene eine schmerzhafte erste Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte © Witters
    Mit René Adler gab es einen weiteren Hamburger mit Leverkusener Vergangenheit
    Mit René Adler gab es einen weiteren Hamburger mit Leverkusener Vergangenheit © Imago/Eibner
    Leverkusen wurde früh dezimiert, in der 3. Minute musste Karim Bellarabi verletzt vom Platz
    Leverkusen wurde früh dezimiert, in der 3. Minute musste Karim Bellarabi verletzt vom Platz © Imago/Team2
    Stefan Kießling sah sich das Spiel von vorneherein nur aus dem Fanblock aus an
    Stefan Kießling sah sich das Spiel von vorneherein nur aus dem Fanblock aus an © Imago/Team2
    Und am Ende sah er drei Schüsse ins HSV-Herz: Hier bringt Joel Pohjanpalo Leverkusen in der Nachspielzeit mit seinem zweiten von am Ende drei Treffern auf die Siegerstraße
    Und am Ende sah er drei Schüsse ins HSV-Herz: Hier bringt Joel Pohjanpalo Leverkusen in der Nachspielzeit mit seinem zweiten von am Ende drei Treffern auf die Siegerstraße © Imago/Jan Hübner
    1/10