Hamburg. Mit dem Stürmer verlässt erneut ein einst teurer Neuzugang den HSV mit einer Abfindung. Die Historie der jüngsten Transferfehler.
Gerade mal zwölf Wörter lang war das Kommuniqué, das der HSV am Dienstag um 10.45 Uhr via Twitter verbreitete: „Sven #Schipplock ist auf dem Weg nach Darmstadt zum Medizincheck beim @sv98“, teilte die Medienabteilung des Clubs offiziell das mit, was inoffiziell bereits seit einigen Tagen gemunkelt wurde. Für ein Jahr soll der in Hamburg erfolglose Stürmer verliehen werden. Man habe sich mit den Hessen schnell geeinigt, ließ sich Schipplock wenig später auf dem Weg nach Darmstadt von der „Morgenpost“ zitieren. „Ich wollte nicht irgendetwas machen, sondern in der Bundesliga bleiben. Das Gesamtpaket hat gepasst.“
HSV weiter an Schipplock-Gehalt beteiligt
Dieses Gesamtpaket sieht vor, dass der HSV eine geringe Leihgebühr erhält, allerdings einen Großteil des üppigen 1,2-Millionen-Euro-Gehalts von Schipplock weiter bezahlen soll. Ob der Reutlinger im Sommer 2017 noch einmal an die Elbe zurückkehrt, will man im Sommer 2017 entscheiden. Dabei hatte der 27-Jährige bereits in der vergangenen Woche sehr deutlich seinen Abschied antizipiert („Natürlich mache ich mir meine Gedanken“) – um nur einen Tag später eine olympiareife Rolle rückwärts aufzuführen. Er wolle sich nicht so einfach aus dem Staub machen, hatte der traurige Torjäger am Sonnabend gesagt, nachdem Berater Gordon Stipic seinen Verbleib ziemlich ultimativ verkünden ließ: „Sven Schipplock wird nach heutigen internen Gesprächen beim HSV bleiben“, hieß es am Freitag.
Doch gestern ist bekanntlich gestern, und vor vier Tagen ist vor vier Tagen. Dass der Transferpoker am Ende doch ziemlich rasch vonstattenging, überraschte genauso wenig wie der in der vergangenen Woche beschlossene Wechsel Zoltan Stiebers zum 1. FC Kaiserslautern. Genau wie Schipplock wurde auch Stieber unter Trainer Bruno Labbadia in dieser Saison kaum Einsatzchancen eingeräumt. Wie Schipplock erhielt auch Stieber eine Abfindung. Und wie Schipplock gilt auch Stieber als Blaupause für die missratende Einkaufspolitik der vergangenen Jahre.
HSV versenkte regelmäßig Millionen
Seit der Ausgliederung im Mai 2014 wurde die Mannschaft unter Neu-Chef Dietmar Beiersdorfer mit rund 83 Millionen Euro verstärkt. Viel Geld für einen Club, der in den vergangenen sechs Jahren nur eine Konstante hatte: das Millionenminus in der Bilanz. Dass der HSV aber nach Jahren des Siechtums zunächst einmal ein „kalkuliertes Risiko“ (Aufsichtsratschef Karl Gernandt) eingehen musste, leuchtete ein. Im Gegensatz zu der Tatsache, dass acht zum Teil teuer verpflichtete Neuzugänge wie Valon Behrami (6 Millionen Euro), Marcelo Díaz (2 Millionen Euro), Ivica Olic (2 Millionen Euro), Schipplock (2,5 Millionen Euro) und Stieber (1,3 Millionen Euro) den Club bereits wieder verlassen mussten.
Kommentar: Der HSV ist Meister der Abschiede
Eine ausgeklügelte Einkaufsstrategie ist in den vergangenen zwei Jahren jedenfalls nicht zu erkennen. Dazu passt auch, dass der geschasste Sportchef Peter Knäbel ein Jahr lang in ganz Europa nach Schnäppchen fahndete, um direkt nach seinem Rauswurf zu erfahren, dass sich der HSV zukünftig dank der Kühne-Millionen eher im oberen Regal bedienen wolle. Zudem verließen alleine in diesem und im vergangenen Sommer 13 Profis, die der HSV einst für mehr als 46 Millionen Euro verpflichtet hatte, den Club ablösefrei. „Es war nicht die Schuld der Spieler, aber der Kader war nicht ausgewogen besetzt“, sagte Trainer Labbadia dem „Kicker“.
Labbadia dreht den Kader auf links
Der Fußballlehrer, der erst seit April 2015 beim HSV wieder arbeitet, hat nur drei Transferperioden gebraucht, um den Kader ziemlich rigoros auf links zu drehen. 27 Profis haben den Club in der kurzen Zeit verlassen – weitere könnten folgen. Lediglich 1899 Hoffenheim und Werder Bremen haben in diesem Zeitraum mehr Spieler verlassen.
Clubchef Beiersdorfer, verantwortlich für die extreme Fluktuation, erklärte zu Beginn dieses Sommers, dass die rekordverdächtige Personalrochade aus seiner Sicht alternativlos sei: „Es ist unser Ziel, auch junge und entwicklungsfähige Spieler an den HSV zu binden, die ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben, um so auch mittel- bis langfristig wieder Werte für unseren Club zu schaffen.“ Und tatsächlich schaffte es der HSV endlich, seinen überalterten Kader um beeindruckende vier Jahre im Schnitt zu verjüngen. Der 23-jährige Filip Kostic, mit 14 Millionen Euro der teuerste HSV-Spieler aller Zeiten, sei ein Beispiel für den neuen HSV-Weg, Fünf-Millionen-Euro-Mann Alen Halilovic, gerade mal 20 Jahre alt, ein anderes. Und das Beste: Mindestens ein Hochkaräter soll sogar noch kommen.
Darmstadt freut sich auf Schipplock
Qualität hat nun mal seinen Preis. Das dachten und sagten die Club-Verantwortlichen allerdings auch schon in den beiden Jahren zuvor. So sollte auch Hoffenheims Schipplock (27) im vergangenen Sommer die Werthaltigkeit des Clubs steigern. Ziemlich genau ein Jahr später will man in Hamburg davon nichts mehr wissen. Am Abend bestätigte der Club den Wechsel - natürlich via Twitter: „Alles Gute für dein Jahr in Darmstadt bei den Lilien, Schippo!“,
In Darmstadt wird der Neuzugang dagegen mit offenen Armen empfangen. Neu-Kollege Peter Niemeyer sagte dem „Kicker“ sogar, dass er Schipplock mit dem Fahrrad abholen würde. „Wenn ich mir seine Statistik anschaue, hat er schon eine Menge Buden gemacht.“
PS: In der vergangenen Saison blieb Schipplock in 20 Spielen ohne Tor.