Harsewinkel-Marienfeld. 23,8 Millionen Euro für mehr Tempo im Spiel. Der HSV krempelt alles um – doch wie lange dauert es, bis das klappt?
Filip Kostic ist schnell. Das ist kein Geheimnis. Nur wie schnell der linke Tempo-Fußballer eigentlich genau ist, das weiß keiner. Nicht mal Kostic selbst. „Sehr schnell“, antwortet der Serbe. Das dürfte als schnelle Auskunft doch reichen.
Im Fußball, auch das ist kein Geheimnis, muss immer alles ganz schnell gehen. Ein schnelles Tor? Gerne. Schneller Erfolg? Unbedingt! Und genauso schnell, wie man ein Held ist, ist man für gewöhnlich auch schon wieder der Depp. Beispiel gefällig? „Is Filip Kostic the new Gareth Bale?“, fragte die englische „Daily Mail“ vor nicht einmal einem halben Jahr, als der pfeilschnelle Serbe in einem Höllentempo durch die Frankfurter Abwehr marschiert war und das zwischenzeitliche 3:1 seiner Stuttgarter vorbereitet hatte. Fünf Monate später war Stuttgart abgestiegen – und Kostic statt von einem Gareth-Bale-Club vom HSV gekauft.
„Ich will vor allem schnell nach vorne schauen“, sagt Kostic. Der 23 Jahre alte Fußballer sitzt im Klosterstübchen, dem Restaurant des Klosterpforten-Hotels in Marienfeld, und beantwortet die meisten Fragen genau so schnell, wie er sonst nur auf dem Rasen ist. „Ja“, „Nein“, „Ich muss 100 Prozent geben.“ Frage, Antwort, alles im Überholspurtempo. „Der HSV ist genau der richtige Schritt für mich“, sagt er. „Hier kann ich zu einem besseren Spieler werden.“
23,8 Millionen Euro für mehr Speed
Natürlich kann, darf und soll Kostic in Hamburg zu einem besseren Spieler werden. Vor allem aber soll dieser pfeilschnelle Kostic den HSV zu einem besseren Club machen. 14 Millionen Euro war diese Hoffnung den Verantwortlichen des HSV wert. Dazu kamen noch einmal fünf Millionen Euro für Tempodribbler Alen Halilovic, 3,5 Millionen Euro für Stürmer Bobby Wood und 1,3 Millionen Euro für das schnelle Offensivtalent Luca Waldschmidt. Macht zusammen 23,8 Millionen Euro. Viel Geld für die Einsicht, dass der HSV-Offensive in der vergangenen Saison vor allem eines gefehlt hat: Geschwindigkeit.
„Alen und Filip werden unser Spiel verändern und verbessern“, sagt Aaron Hunt. „Vor allem Filip wird uns mit seinem Tempo über außen weiterhelfen.“
Schneller als Usain Bolt?
Tempo ist die neue Währung im heutigen Profifußball. So soll Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang im Antritt sogar schneller als der Weltrekordsprinter Usain Bolt sein. 3,7 Sekunden auf 30 Meter wurden gemessen. Kann nicht sein, sagen die einen. Kann wohl sein, sagen die anderen. Einig sind sich aber alle, dass es ohne Geschwindigkeit im Fußball nicht mehr funktioniert. Das gilt für den HSV, für die Bundesliga und selbstverständlich auch für die Nationalmannschaft. Schon vor Jahren hatte Bundestrainer Joachim Löw gefordert, in erster Linie nicht sicher, sondern vor allem schnell zu spielen. 2,8 Sekunden zwischen Ballannahme und dem Abspiel waren Löw zu langsam. Am Ende schaffte seine Mannschaft in guten Spielen Werte um die 0,9 Sekunden.
„Wir müssen nicht nur schnell laufen können, sondern auch schnell im Kopf sein und die Passqualität erhöhen“, sagt auch HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer. „Wir müssen die Seiten schneller wechseln, um Löcher zu reißen.“ Bleibt bei dieser Hochgeschwindigkeitsdiskussion nur eine Frage: Wie schnell kann man Schnelligkeit lernen?
Am Dienstag ließ sich Bruno Labbadia erst einmal Zeit. Der HSV-Trainer bat seine Profis zunächst am frühen Morgen zum Videostudium der Laufwege in der Offensive. Und nach der Theorie folgte die Praxis auf dem Platz. Passspiel in der Mitte, raus auf den Flügel, hinterlaufen, Flanke, Tor. Und alles mit höchster Geschwindigkeit. „Schneller“, rief Labbadia, und klatschte wenig später begeistert in die Hände. Halilovic, Bahoui, Kostic, Wood, Tor. Das alles in nicht einmal sieben Sekunden.
Im Video: HSV-Trainer Bruno Labbadia
„Natürlich kann sich der Spielcharakter einer Mannschaft auch durch den einen oder den anderen Neuzugang bessern“, sagt Beiersdorfer. Der eine Neuzugang heißt Kostic. Der andere heißt Halilovic. „Alen und ich können auch die Positionen tauschen. Er ist super am Ball, wird wichtig für uns sein“, sagt Kostic über seinen neuen Kollegen.
Halilovic: Nur Messi und Neymar waren besser
Halilovic ist vor allem ein Highspeed-Dribbler. In Spanien hatte der kleine Kroate nach Barcelonas Messi und Neymar die drittmeisten erfolgreichen Dribblings in der Primera Division. Und auch Kostic sucht gerne und oft das schnelle Eins gegen Eins. In der Bundesliga gibt es nur zwölf Profis, die das in der vergangenen Saison häufiger versucht haben. „Wenn Mannschaften tief stehen, braucht man Spieler, die Eins-gegen-Eins-Situationen lösen können“, sagt Beiersdorfer. Halilovic kann das. Und auch Kostic kann das.
Der eine (Halilovic) wird in der kommenden Saison mit der Rückennummer 23 im Volkspark auflaufen. Der andere (Kostic) mit der 33. Am liebsten hätte er die Elf übernommen, verriet der Flügelflitzer am Dienstag. Aber die Elf hatte sich dummerweise Mittelfeldkollege Michael Gregorisch gesichert. Kostic war einfach nicht schnell genug.
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