Hamburg. Der dienstälteste HSV-Spieler spricht über Vereinstreue, Vaterfreuden, Werder Bremen und seine ungewohnte Rolle als Bankdrücker.

Am eigentlich freien Dienstag war Dennis Diekmeier noch auf der Internorga zum Autogrammeschreiben im Einsatz, am Mittwoch nach dem Training nahm er sich Zeit für das Abendblatt. Dabei wurde der dienstälteste HSV-Profi am vergangenen Freitag zum dritten Mal Vater. Ein Gespräch über das neue Familienglück, seine ungewohnte Rolle als Bankdrücker, Torträume und den „Erzfeind“ Werden Bremen.

Hamburger Abendblatt: Herr Diekmeier, dürfen wir eine knappe Woche später noch zum erneuten Nachwuchs gratulieren?

Dennis Diekmeier: Sie dürfen. Es war natürlich ein spannendes Wochenende für mich. In der Nacht zu Freitag bekam meine Frau Dana überraschend Wehen. Eigentlich war der Stichtag erst am 23. März. Wir sind sofort nach Henstedt-Ulzburg ins Krankenhaus gefahren, um 11 Uhr morgens gab es dann jedoch Entwarnung, sodass wir wieder zurück sind und ich zum Abschlusstraining gedüst bin. Zehn Minuten vor der Besprechung kam dann ein Anruf von ihrer Mutter, dass es jetzt doch losgeht. Ich habe mich also bei Bruno Labbadia abgemeldet, sie abgeholt und zurück ins Krankenhaus. Natürlich war dann die A 7 komplett dicht. Es gab schon angenehmere Autofahrten ...

Dann ging aber alles gut, und Sie sind sogar mit nach Leverkusen gefahren.

Diekmeier: Ja, die Geburt lief innerhalb von 90 Minuten ab. Am Freitag um 17.20 Uhr war meine Tochter Dalina schon auf der Welt.

Hatten Sie bei den Trainingseinheiten zuvor Ihr Handy im Stutzen, oder wie läuft das im Notfall ab?

Diekmeier: Meine Frau hat die Nummer von unserem Teammanager Thomas Westphal, der hätte mich reingeholt. Ich habe aber trotz dreier Kinder noch kein Spiel wegen einer Geburt verpasst.

Und dann ging es völlig übermüdet zum Auswärtsspiel?

Diekmeier: Zwei Nächte habe ich kaum geschlafen, im Hotel dann vor der Partie aber elf Stunden am Stück.

Welche Aufgaben bei der Erziehung übernehmen Sie denn?

Diekmeier: Alles, was mit Action zu tun hat. Mein zweijähriger Sohn Dion will ja ohnehin nur Fußball spielen.

Action ist ein gutes Stichwort. Denn in der Rückrunde mussten Sie auf dem Platz weitgehend darauf verzichten. Sie sind das erste Mal beim HSV nicht gesetzt, obwohl Sie fit sind.

Diekmeier: Das ist nicht einfach für mich. Ich saß bis auf zwei, drei Spiele am Stück eigentlich nie länger auf der Bank. Aber ich bin keiner, der deshalb Unruhe in der Mannschaft stiftet, sondern versuche, immer positiv zu denken. Wenn der Trainer so entscheidet, akzeptiere ich das.

Hat Bruno Labbadia Ihnen den Grund denn genannt?

Diekmeier: Der Trainer hat mir das erklärt. Aber Go (Gotoku Sakai, die Red.) hat das hinten rechts ja ordentlich gemacht, da muss ich Verständnis haben.

Sakai hatte sich bei Ihnen entschuldigt, da er gegen Leverkusen nicht fit war, dies dem Trainer gegenüber aber zunächst nicht erwähnt hatte.

Diekmeier: Ich kann sein Handeln voll nachvollziehen, hätte es wahrscheinlich genauso gemacht. Seine Entschuldigung war unnötig.

Wirkt sich das Bankdasein auch auf Ihr Privatleben aus? Sind Sie zu Hause schlechter drauf?

Diekmeier: Meine Frau merkt mir meine Enttäuschung schon manchmal an, obwohl ich versuche, so wenig wie möglich von der Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Und meine fünfjährige Tochter Delani fragt mich auch, warum ich nicht spiele. Aber dann erkläre ich ihr das, und sie freut sich umso mehr, wenn sie vorm Fernseher sitzt und ich eingewechselt werde.

Beginnt die Enttäuschung eigentlich schon, wenn Sie ein, zwei Tage vor einem Spiel im Training nur das Leibchen der B-Elf tragen dürfen?

Diekmeier: Natürlich ist das ein Indiz, man möchte zur ersten Elf dazugehören. Andererseits entscheidet sich unser Trainer in der Nacht vor dem Spiel aus dem Bauch heraus auch oft noch mal um.

Gegen Hoffenheim könnten Sie am Sonnabend wieder zur Startelf gehören – aufgrund der Verletzung von Josip Drmic und der Gelbsperre von Nicolai Müller vielleicht sogar im rechten Mittelfeld. Können Sie das spielen?

Diekmeier: Ich habe in der Jugend ja Stürmer gelernt – habe momentan allerdings eine kleine Torkrise (Diekmeier lacht. Er ist in 152 Bundesligaspielen noch immer ohne Treffer, Anm. der Red.). Wenn der Trainer mich dahin stellt, spiele ich da auch. In meinen ersten Herrenjahren war ich ohnehin Rechtsaußen. Und wenn es in irgendeinem Spiel mal um nichts mehr gehen sollte, schieße ich einen Elfmeter und treffe. Dann hören auch endlich die Sticheleien meiner Kollegen auf.

Sie sind seit 2010 in Hamburg, haben Ihren Vertrag unlängst bis 2018 verlängert. Einmal HSV , immer HSV?

Diekmeier: In dem schnelllebigen Fußballgeschäft gibt es in der Tat immer weniger Profis wie mich, die ihrem Verein so lange treu sind. Ich find’s cool, sonst wäre ich ja nicht schon sechs Jahre hier, und kann mir durchaus vorstellen, meine Karriere auch in Hamburg zu beenden. Die Leute wissen halt ganz genau, Dennis Diekmeier gehört zum HSV – so wie Benedikt Höwedes vielleicht zu Schalke gehört. Aber viele solcher Beispiele gibt es eben nicht mehr. Profis wie ich sind wohl vom Aussterben bedroht.

Haben Sie nach so langer Zeit nicht mal mit dem Kapitänsamt geliebäugelt?

Diekmeier: Wir hatten in den letzten Jahren mit Heiko Westermann und Rafael van der Vaart ja immer gute Kapitäne. Und Johan Djourou macht das jetzt auch gut. Ohne Frage wäre das Amt schon eine Auszeichnung, aber ich bin vom Typ her keiner, der darauf hinarbeitet, Kapitän zu werden.

Ihre Karriere begann im „HSV-Feindesland“, in Bremen. Sollte Werder absteigen, wäre das ...

Diekmeier: ... nicht so schön, weil ich diese Derbys einfach megageil finde. Als Nordlicht kenne ich die Bedeutung auch für unsere Fans nur zu gut: Schon die Woche vorher, diese elektrisierende Stimmung in der Stadt, die Sticheleien von so Spielern wie Tim Wiese, dem früheren Torwart, ich fand das immer motivierend. Und wir haben speziell in diesen Spielen durch die mäßige Bilanz in der Vergangenheit ja noch einiges gutzumachen.

In den nächsten drei Partien kann der HSV Werder mit Siegen gegen Bremens direkte Abstiegskonkurrenten Hoffenheim, Hannover und Darmstadt zum Klassenerhalt verhelfen.

Diekmeier: Und das werden wir auch tun. Darauf können sich die Bremer schon mal freuen. Nur gegen uns gibt es vier Spieltage vor Schluss dann wie im Hinspiel leider nichts zu holen.