Hamburg. Gladbach hat nichts gegen einen Einsatz seines Stürmers für den HSV am Sonntag einzuwenden. Drmic hofft auf seine Lieblingsposition.

Es war der spielerische Höhepunkt des Josip Drmic bei Borussia Mönchengladbach. Zahlreiche Zuschauer zückten ihre Kameras, als der Stürmer Anfang Dezember in Manchester sein Können auf dem Flügel unter Beweis stellte. Das Gruppenspiel der Champions League bei Manchester City war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits beendet. Zur Überraschung der Passanten hatte Drmic auf dem Heimweg am Flughafen auf einem Klavier ein paar Klänge des Klassikers „All of me“ von John Legend gespielt. „Das habe ich mir über eine YouTube-Anleitung beigebracht“, sagte der Stürmer am Mittwoch. Drmic auf dem Flügel, das passt.

Seit zehn Tagen steht der 23-Jährige nun auf Leihbasis beim HSV unter Vertrag. Dort gab Drmic am Sonntag gegen Köln sein Debüt. Auf dem Flügel. Es passte nicht. Die dringend benötigten Offensivimpulse, die sich der HSV durch seine Verpflichtung erhofft hatte, konnte Drmic dem Hamburger Spiel nicht verleihen.

Nur fünfmal zielte der HSV auf das Kölner Tor – so selten wie zuletzt am ersten Spieltag beim 0:5 in München. Die erste Drmic-Bilanz liest sich nicht besser. Nur 35 Ballkontakte, kein Torschuss, keine Bindung zum Spiel. „Ich war noch nicht zufrieden mit mir“, sagte er mit drei Tagen Abstand.

Was gegen Köln zudem offensichtlich wurde: Auf dem linken Flügel fühlt sich Drmic nicht zu Hause. Zwar hat er auf dieser Position in seiner besten Karrierezeit in Nürnberg vor zwei Jahren viele Tore erzielt, doch im laufintensiven System von HSV-Trainer Bruno Labbadia kamen die Stärken von Drmic zumindest gegen Köln noch nicht zum Tragen. „Er wird sich steigern, davon bin ich überzeugt“, sagte Labbadia am Tag danach. Die Frage ist: Auf welcher Position wird das sein?

Ein Systemwechsel wäre denkbar

Am Sonntag trifft Drmic kurioserweise nur zwei Wochen nach seinem Wechsel schon auf seinen eigentlichen Arbeitgeber Mönchengladbach. Wieder ein Heimspiel. Wieder auf dem Flügel? „Ich bin flexibel, aber meine Wunschposition ist das Sturmzentrum“, sagte Drmic am Mittwoch. „Ich bin torgefährlich, deswegen muss ich so nah wie möglich am Tor sein.“ Gegen Köln war er sehr weit weg vom Tor. Zudem ist Ivo Ilicevic nach seiner dreitägigen Suspendierung infolge des Kopfstoßes gegen Michael Gregoritsch wieder einsatzbereit. „Seine Agilität können wir gut gebrauchen“, sagt Labbadia. Wohin also mit Drmic? Eine mögliche Variante wäre ein Systemwechsel auf zwei Stürmer. Doch dann müsste Spielmacher Aaron Hunt auf die Bank. Und das will Labbadia nicht.

Wahrscheinlicher ist daher, dass Drmic auch gegen Gladbach wieder im linken offensiven Mittelfeld beginnt. „Wichtig ist der Erfolg der Mannschaft. Dafür würde ich auch ins Tor gehen“, sagt Drmic. Diese Variante dürfte Labbadia dem Stürmer aber kaum vorschlagen, wenn sich die beiden in dieser Woche besprechen. Vielmehr erhofft sich Labbadia von seinem Neuzugang ein paar Tipps. Schließlich kennt kein Hamburger die taktischen Mittel der Gladbacher besser als Drmic. „Das ist ein normaler Vorgang. Hinweise sind immer gut“, sagt Labbadia.

Gladbach hat nichts gegen Drmic-Einsatz

Weniger normal ist es – zumindest in England und Spanien – dass Leihspieler Drmic gegen seinen abgebenden Verein überhaupt spielen darf. Vor allem in der Premier League kommt es aufgrund der aufgeblähten Kader häufiger zu Leihgeschäften und damit auch häufiger zu diesen Konstellationen. Es hat sich als gängige Praxis etabliert, dass ein Leihspieler gegen seinen Stammclub nicht eingesetzt wird.

In der Bundesliga wird das anders gehandhabt. „Der HSV hat Josip geholt, damit er helfen kann. Warum sollte er das gegen uns nicht versuchen dürfen?“, sagt Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Vor zwei Jahren wurde dem HSV eine solche Geschichte beinahe zum Verhängnis, als der nach Hannover verliehene Artjoms Rudnevs am 30. Spieltag das Siegtor gegen den HSV vorbereitete. Die Hamburger retteten sich erst in der Relegation, und Rudnevs durfte nach seiner Rückkehr weiter in der Bundesliga spielen.

Neuzugänge Drmić und Bahoui im ersten HSV-Training

Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV
Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV © WITTERS | ValeriaWitters
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite © WITTERS | ValeriaWitters
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen © WITTERS | TayDucLam
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern © Imago
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch © WITTERS | TayDucLam
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV © WITTERS | TayDucLam
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis © Imago
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen © Imago
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“ © WITTERS | TayDucLam
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft © WITTERS | TayDucLam
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić © WITTERS | TayDucLam
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Drmic lobt André Schubert

Am Sonntag könnte es nun sogar dazu kommen, dass Rudnevs gemeinsam mit Drmic für den HSV stürmt, sollte Labbadia auf eine Doppelspitze umstellen und der gegen Köln schwache Pierre-Michel Lasogga auf der Bank sitzen. In der Hinrunde hatte Labbadia diese Variante gegen Hannover und Darmstadt ausprobiert. Auch Gladbach spielt mit zwei Stürmern, seit André Schubert im September die Nachfolge von Lucien Favre angetreten hat. Für Drmic blieb in diesem System kein Platz, weil Schubert im Angriff auf Raffael und Lars Stindl setzt und die Borussia vom letzten Platz zurück in die europäischen Ränge geführt hat.

„Schubert hat alles richtig gemacht. Und ein erfolgreiches Team ändert man eben nicht“, sagt Drmic mit ein wenig Wehmut. Schließlich hatte ihn sein Landsmann und Vertrauter Lucien Favre zur Borussia geholt. Unter Nachfolger Schubert konnte er aber nur noch am Klavier glänzen, und so ergab sich kurz vor Ende der Wintertransferperiode die Möglichkeit, nach Hamburg zu wechseln.

Labbadia vertraut auf Drmic

Für Drmic birgt dieser Schritt kein Risiko. Er kann sich für die Europameisterschaft in Frankreich empfehlen und spielt beim HSV zudem mit seinem Vorbild Ivica Olic zusammen. Den kroatischen Stürmer hat Drmic, der selbst einen kroatischen Pass besitzt, schon als Jugendlicher bewundert. Zudem ist Drmic gesetzt, da der HSV bei nur noch 14 verbleibenden Spielen und einer Leihgebühr von 1,2 Millionen Euro für fünf Monate finanziell ein teures Geschäft eingegangen ist.

Das Risiko für die Hamburger ist somit deutlich höher als für Drmic. Viel Zeit bleibt dem Stürmer daher nicht, sich beim HSV zurechtzufinden. Auch wenn sich Drmic von dieser besonderen Drucksituation nicht beeinflussen lassen will. „Ich bin einfach nur froh, wieder das Vertrauen zu spüren“, sagt er. Und Labbadia vertraut Drmic. Von seinen Fähigkeiten ist der Trainer überzeugt. „Josip hat ein Näschen und einen guten Abschluss. Seine Torgefahr brauchen wir“, sagt Labbadia.

Geht es nach Drmic, dann könnte schon an diesem Sonntagnachmittag sein Tordebüt für den HSV folgen. Rücksicht auf die Borussia will er in jedem Fall nicht nehmen. Ob er über ein Tor gegen seine Gladbacher denn auch richtig jubeln würde, wird Drmic am Mittwoch gefragt. „Das entscheide ich spontan“, antwortet er. „Ich kann aber versprechen, dass ich mich über ein Tor sehr freuen würde.“ Egal, ob im Sturm oder auf dem Flügel.