Hamburg. Nur wenn der HSV zum Abschluss gegen den FC Augsburg gewinnt, will Trainer Bruno Labbadia von einer guten Hinrunde sprechen.

Bruno Labbadia wirkte am Montagnachmittag ein wenig unentschlossen. Einerseits fand er es wahnsinnig wichtig, dass Spieler und Vereinsmitarbeiter am Abend zur großen Weihnachtsfeier erscheinen. „Das haben sich nach den Ereignissen in diesem Jahr alle verdient, da alle an einem Strang gezogen haben“, sagte der HSV-Trainer.

Doch andererseits sei er selbst noch überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung, dafür sei der Ausgang des finalen Hinrundenspiels gegen den FC Augsburg am Sonnabend (15.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) viel zu wichtig. „Unsere derzeitigen 22 Punkte sind ordentlich, doch sie drücken nicht aus, wie die Mannschaft gearbeitet hat. Um am Wochenende auf eine gute Hinrunde zurückblicken zu können, brauchen wir 25 Punkte. Das wäre dann schon eine Hausnummer“, bilanzierte Labbadia.

In der Tat würde ein Sieg gegen die wiedererstarkten Fuggerstädter zur besten Halbserie seit der Saison 2009/10 führen, als der Trainer ebenfalls Labbadia hieß und die Bundesliga mit dem HSV gehörig aufmischte. 31 Zähler waren es damals nach 17 Begegnungen. Nach dem Winter ging es jedoch ein wenig bergab, sodass der Coach bis zu seiner Entlassung im April auf 1,5 Punkte pro Bundesligaspiel kam und damit genau die Hälfte aller möglichen Zähler einstrich.

„Zusammenhalt ist größer“

Nach seiner Rückkehr kommt der Fußballlehrer nun – die Relegation mitgerechnet – auf exakt denselben Schnitt. „Das ist schon ganz ordentlich, aber soweit wie mit dem Team damals sind wir noch nicht. Da fehlt einiges an Erfahrung. Doch diese Mannschaft kann da hinkommen, denn der Zusammenhalt ist jetzt größer als vor sechs Jahren.“

Diese Entwicklung war nach zwei Fast-Abstiegen in Folge so kaum vorauszusehen. Zumal der Kader vor der Saison finanziell abgespeckt und auf dem Papier eher ergänzt als verstärkt wurde. Labbadia prägte den Teamgedanken maßgeblich, nach den Abgängen von Rafael van der Vaart, Marcell Jansen und Heiko Westermann gab es keine Platzhirsche mehr. Plötzlich riefen gleich mehrere Profis wie Lewis Holtby oder Nicolai Müller ihr Potenzial wieder ab, mit den ersten Erfolgserlebnissen kam auch das Selbstvertrauen zurück.

„Was wir speziell mit Bruno Labbadia erlebt und wie wir zusammengestanden und gefightet haben, das werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Das hat mich schon extrem geprägt“, sagte Torwart René Adler am Sonntagabend im „Sportclub des NDR“ – ebenfalls einer der Garanten für den Aufschwung des Bundesliga-Dinos.

Noch fehlt die Konstanz

Die Belohnung für Labbadia soll in Kürze in Form eines neuen Vertrags folgen. Seit Wochen sind die Verantwortlichen des HSV mit dem 49-Jährigen im Gespräch, um ihn trotz der schwierigen finanziellen Lage und angekündigter Einschnitte im Spieleretat über 2016 hinaus zu halten. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich.

Doch noch fehlt seiner Mannschaft die Konstanz. Hört man sich unter den Fans um, fällt sinngemäß dauernd wieder dieser eine Satz: Immer, wenn der HSV die Chance hat, sich oben festzusetzen, versagt der Club. Versagen ist vielleicht das falsche Wort, denn zumindest das Bemühen und stete Aufopferungsbereitschaft ist den Profis nicht abzusprechen. Doch vor allem bei den Heimspielen war in dieser Saison oft noch Luft nach oben. „Da müssen wir zulegen. Wir haben vor eigenem Publikum noch zu viele Ballverluste, müssen lernen, effektiver zu werden und klarer zu spielen. Und dann auch eiskalter zuschlagen. Auswärts kommt unsere Geschlossenheit vielleicht besser zum Tragen“, erklärt Labbadia.

Und auch in einem weiteren Punkt hat der HSV Verbesserungspotenzial: Acht der 22 Gegentreffer fielen in der Schlussviertelstunde. Mangelnde Konzentration? Oder fehlt die Luft? Wer beim 1:1 gegen Wolfsburg verfolgt hat, mit welcher Intensität die Hamburger in der ersten Hälfte jedem Ball hinterhergejagt waren, wunderte sich nicht, dass am Ende die Kraft gefehlt hatte. Und nun kommt mit Augsburg auch noch ein Team, das für seine Last-Minute-Tore bekannt ist.

„Wir sind von allen Mannschaften am Wochenende am meisten gelaufen, grundsätzlich haben wir die Power für unsere Art zu spielen. Doch mein Team muss lernen, über die gesamte Distanz die Kontrolle über eine Partie behalten zu können“, sagt Labbadia, der den Vorwurf, er habe gegen Wolfsburg zu spät gewechselt, zurückweist. „Nach dem kurzfristigen Ausfall von Johan Djourou hatte ich nicht mehr so viele Möglichkeiten. In so einem temporeichen Spiel ist es zudem auch für einen topfitten Ersatzspieler schwer, sofort in die Begegnung zu finden. Und für einen Profi mit körperlichem Rückstand wie Aaron Hunt war es noch schwerer.“

Aaron Hunt könnte gegen Augsburg für die nötige Ballsicherheit sorgen

Bis zum Augsburg-Spiel sollte Hunt seine Defizite allerdings aufgearbeitet haben und dürfte für die Startelf gesetzt sein. „Aaron ist für die Temposteuerung verantwortlich, er kann auch mal auf den Ball treten und wird uns Sicherheit geben“, prognostiziert der Trainer, für den die letzte Aufgabe des Jahres „noch wichtiger ist als die Partie in Wolfsburg“. Deshalb sollen die Spieler nach der vereinsinternen Weihnachtsfeier „am besten alle anderen Termine bis zum Wochenende absagen.“ Und sollten am Ende wirklich drei Punkten rausspringen, käme auch Labbadia in Festtagsstimmung. „Das würde mir Weihnachten versüßen.“