Wolfsburg/Hamburg. Mit aggressivem Pressing und Stürmer Lasogga erkämpft Hamburg in Wolfsburg einen Punkt. Foul gegen Dante sorgt für Gesprächsstoff.

An das Trainingsgelände im Volkspark hatten sich am Sonntag nur ein paar wenige HSV-Fans verirrt. Es hatte sich herumgesprochen, dass Trainer Bruno Labbadia seiner Mannschaft nach dem hart erkämpften 1:1 (0:1) beim VfL Wolfsburg einen freien Tag geschenkt hatte. Wirklich ruhig war es rund um den Verein am Vormittag dennoch nicht. Eine Szene aus der ersten Halbzeit vom Sonnabend sorgte auch am Tag danach noch für derart viel Gesprächsstoff, dass sich der HSV bemüßigt sah, seine Sicht der Dinge zu schildern. Anlass war das rüde Foul von Stürmer Pierre-Michel Lasogga in der 16. Spielminute gegen Wolfsburgs Abwehrspieler Dante. „Pierre ist ein fairer Sportsmann, der nie jemanden vorsätzlich verletzen will“, ließ Labbadia über die vereinseigenen Medien verlauten. „Gelb für sein Foul war die richtige Entscheidung. Pierre hat sich bei Dante entschuldigt, beide haben weitergemacht.“

Dass Labbadia mit dieser Ansicht zu einer kleinen Minderheit gehörte, ließ sich zeitgleich im Sport1-Stammtisch „Doppelpass“ feststellen. Dort war unter anderem Kölns Trainer Peter Stöger zu Gast. Nachdem der Österreicher in der Zeitlupe gesehen hatte, wie Lasogga bei seiner Grätsche an der Außenlinie mit langem Anlauf den Brasilianer Dante von den Beinen holte, sagte Stöger: „Es gibt keine zwei Meinungen, dass das Rot ist.“

Überall Lasogga: HSV holt einen Punkt in Wolfsburg

Schuss ins Glück: Nicolai Müller (27) bringt den HSV in der 21. Minute in Führung, Vorbereiter Pierre-Michel Lasogga (r.) jubelt im Sitzen
Schuss ins Glück: Nicolai Müller (27) bringt den HSV in der 21. Minute in Führung, Vorbereiter Pierre-Michel Lasogga (r.) jubelt im Sitzen © Getty Images
Der Torschütze fand nach dem Goal dagegen noch Kraft für einen Feierlauf
Der Torschütze fand nach dem Goal dagegen noch Kraft für einen Feierlauf © dpa
Und Lasogga half die Führung auch wieder schnell auf die Beine
Und Lasogga half die Führung auch wieder schnell auf die Beine © dpa
Wolfsburgs Dante hatte gegen Lasogga alles andere als einen leichten Stand - nach einem Foul sah Hamburgs Stürmer allerdings zurecht Gelb
Wolfsburgs Dante hatte gegen Lasogga alles andere als einen leichten Stand - nach einem Foul sah Hamburgs Stürmer allerdings zurecht Gelb © dpa
Lewis Holtby attackiert Joshua Guilavogui. Im Hintergrund der omnipräsente Pierre-Michel Lasogga
Lewis Holtby attackiert Joshua Guilavogui. Im Hintergrund der omnipräsente Pierre-Michel Lasogga © Getty Images
Heißsporn: Pierre-Michel Lasogga
Heißsporn: Pierre-Michel Lasogga © Getty Images
Wohl dem, der einen Lasogga hat: Der Sturmbulle führte das Team auch zum Jubeln vor die 3000 mitgereisten HSV-Fans
Wohl dem, der einen Lasogga hat: Der Sturmbulle führte das Team auch zum Jubeln vor die 3000 mitgereisten HSV-Fans © Imago/objectivo
Am Ende musste der HSv nach einer zu passiven zweiten Halbzeit noch den Ausgleich durch Maxi Arnold hinnehmen
Am Ende musste der HSv nach einer zu passiven zweiten Halbzeit noch den Ausgleich durch Maxi Arnold hinnehmen © dpa
Bruno Labbadia musste unmittelbar vor dem Spiel umstellen, denn Kapitän Johan Djourou reiste mit Fieber kurzfristig ab
Bruno Labbadia musste unmittelbar vor dem Spiel umstellen, denn Kapitän Johan Djourou reiste mit Fieber kurzfristig ab © Getty Images
Deutlich zuversichtlicher blickte da schon Wolfsburgs Coach Dieter Hecking drein
Deutlich zuversichtlicher blickte da schon Wolfsburgs Coach Dieter Hecking drein © dpa
Auch dem gebürtigen Hamburger Max Kruse stand die Vorfreude ins Gesicht geschrieben
Auch dem gebürtigen Hamburger Max Kruse stand die Vorfreude ins Gesicht geschrieben © Getty Images
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Schiedsrichter Wolfgang Stark und sein Assistent Mike Pickel, der die Szene so dicht verfolgen konnte wie kein anderer im Stadion, hatten dagegen zuvor die Meinung Labbadias vertreten und Lasogga Gelb gezeigt. Eine großzügige Entscheidung, wie auch Ex-Schiedsrichter und Sky-Experte Markus Merk meinte. „In dieser Situation sind alle Kriterien für Rot erfüllt.“ Lasogga selbst sagte anschließend in die Fernsehkameras, dass man es jetzt doch nicht wieder übertreiben müsse. Körperkontakt gehöre doch dazu. „Wir spielen ja kein Schach.“

Dass Stark es bei einer Verwarnung beließ, sollte das Spiel an diesem Nachmittag entscheidend beeinflussen. Fünf Minuten nach dem Foul machte sich der nach seiner Schulterverletzung bemerkenswert bewegliche Lasogga erneut auf die Jagd nach Dante. Diesmal beschränkte sich der Stürmer aber darauf, dem Verteidiger den Ball abzuluchsen. Und weil Dante sich als letzter Mann düpieren ließ, stand Lasogga plötzlich frei vor Diego Benaglio. Seinen Schuss ins kurze Eck konnte der VfL-Torhüter noch abwehren, gegen den Nachschuss von Nicolai Müller war der Schweizer dann aber machtlos. Der HSV belohnte sich für eine „bärenstarke erste Halbzeit“, wie Labbadia sagte.

Der Trainer hatte gegen den Champions-League-Achtelfinalisten einen Matchplan entwickelt, den man auf dem Schachbrett nicht besser hätte planen können. Die heimstarken Wolfsburger, die in der Volkswagen-Arena vier Tage zuvor noch Manchester United aus der Königsklasse geworfen hatten, setzte der HSV so früh unter Druck, wie es zuvor noch keine Mannschaft gemacht hatte. Mit der Überfalltaktik und dem frühen Anlaufen waren die Wolfsburger in der ersten Halbzeit derart überfordert, dass das verwöhnte Publikum des VfL schon nach 25 Minuten zu pfeifen begann.

Vor allem von Lasogga schienen die Wolfsburger überrascht gewesen zu sein. Der Einsatz des Stürmers galt zu Wochenbeginn noch als ausgeschlossen. „Er hat seit Dienstag um seinen Platz gekämpft. Natürlich gab es die Angst im Kopf, da war ja einiges kaputt in seiner Schulter“, sagte Labbadia. Doch diese Angst will Lasogga nicht gespürt haben. „Wenn ich auf meine Schulter achten würde, hätte ich nicht so spielen können“, sagte Lasogga. Und er spielte stark. Genau wie die gesamte Hamburger Mannschaft im ersten Durchgang. Mit einer beeindruckenden Laufleistung, insgesamt lief der HSV mit 123,7 Kilometern 8,3 Kilometer mehr, setzte er Wolfsburg bis zum Pausenpfiff im besten Sinne schachmatt.

Im zweiten Durchgang zeigte der VfL dann aber, warum er derzeit zu den besten 16 Mannschaften Europas gehört. Mit den Hereinnahmen von Bas Dost und Daniel Caligiuri nahm Trainer Dieter Hecking die richtigen Wechsel vor. In einer dreißigminütigen Drangphase zwangen die Wolfsburger in Person von Schürrle (48.), Dost (54.), Naldo (63./66.), Guilavogui (65.) und Caligiuri HSV-Torhüter René Adler zu mehreren Glanzparaden. Erst als Julian Draxler die HSV-Abwehr mit einem Diagonalball aushebelte und ­Vieirinha direkt in die Mitte spielte, war Adler gegen den Schuss von Maximilian Arnold chancenlos (78.).

Dass sich Aaron Hunt bei seiner Rückkehr nach Wolfsburg über das Ergebnis ärgerte, lag auch daran, dass der HSV im zweiten Durchgang seine Kontertaktik nicht umsetzen konnte. „Wir haben uns zu weit reindrängen lassen, da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Ausgleich fällt“, sagte Hunt. Aufgrund der Halbzeiten und dem klaren Wolfsburger Chancenplus urteilte Torschütze Nicolai Müller treffend: „Das war ein gerechtes Unentschieden.“

In jedem Fall bestätigte der HSV, dass er in dieser Saison zu den besten Auswärtsteams der Liga gehört. VfL-Coach Hecking zollte den Hamburgern Respekt. Und auch Lasogga lag zumindest in seiner Spieleinschätzung richtig. „Wir waren hier phasenweise die bessere Mannschaft. Das zeigt, was mittlerweile aus uns geworden ist.“