Hamburg. Jaroslav Drobny oder René Adler? HSV-Trainer Bruno Labbadia will sich auch vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen nicht festlegen.

Es war eine Szene, an der es keinerlei Interpretationszweifel gab. Als Jaroslav Drobny und René Adler am Dienstagvormittag um 10.30 Uhr das Trainingsgelände am Volksparkstadion betraten, gingen sie in einer klaren, hierarchischen Rangfolge auf das Feld. Drobny mit der Nummer eins vorweg, Adler mit der Nummer 15 hinterher. Also genauso, wie es Trainer Bruno Labbadia in den vergangenen fünf Spielen mit seiner Aufstellung deutlich gemacht hatte. Drobny die eins, Adler die zwei. So weit, so klar. Oder etwa nicht?

Zumindest nicht für das Heimspiel des HSV gegen Bayer Leverkusen am Sonnabend (15.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de). Der Trainer sieht die Lage ganz entspannt. „Wir reden über ein Luxusproblem“, sagt Labbadia, der noch nicht verraten will, wer gegen Bayer aufläuft. Und auch wenn er es irgendwann verrät, wird das vermutlich nicht heißen, dass sich aus dieser kurzfristigen Entscheidung auch eine langfristige Rangfolge interpretieren lässt.

Labbadia hält den Konkurrenzkampf weiter offen und geht damit einen Weg, der im Fußballgeschäft in Mode kommt. Er schafft sich eine doppelte Nummer eins. Der FC Barcelona macht es so mit Marc-André ter Stegen und Claudio Bravo, Thomas Tuchel bei Borussia Dortmund mit Roman Bürki und Roman Weidenfeller. Hier teilen sich die Torhüter die nationalen und internationalen Aufgaben auf. Der Unterschied zum HSV: In Hamburg gibt es keine internationalen Aufgaben, dafür zwei Torhüter, die den Status der Nummer eins in den vergangenen zwei Jahren in regelmäßigen Abständen tauschen mussten.

René Adler kennt dieses Hin und Her nicht nur vom HSV. Wie ein roter Faden zieht sich der Wechsel zwischen Nummer eins und zwei durch seine Karriere. Als junger Spieler verdrängte er 2007 zunächst den früheren HSV-Keeper Hans-Jörg Butt bei Bayer Leverkusen aus dem Tor. Adler hatte ihn nach einer Roten Karte ersetzt und derart überzeugt, dass der damalige Trainer Michael Skibbe nicht mehr auf ihn verzichtete. Butt wechselte daraufhin zu Benfica Lissabon und entschied sich gegen einen Zweikampf mit Adler. Es waren Zeiten, in denen die Rückennummer eins noch Aussagekraft hatte und sich Vereine nur höchst selten einen Torwartzweikampf leisteten. „Das hat sich heute verändert“, sagt Butt im Gespräch mit dem Abendblatt. „Es ist doch mittlerweile üblich, zwei starke Torhüter zu haben.“

Ebenfalls verändert hat sich die Rivalität unter den Torhütern. Gehörten insbesondere in der Nationalmannschaft Hahnenkämpfe wie zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann einst zum normalen Miteinander, hört man heute nur noch selten von verfeindeten Kollegen. Für Butt lief das Duell mit Adler aber auch schon zur Leverkusener Zeit immer fair ab. „René und ich hatten immer ein sehr partnerschaftliches Verhältnis“, sagt Butt.

Ähnlich pflegte Adler das Duell mit Manuel Neuer, als es noch um die Nummer eins im DFB-Tor ging. Er weiß mit seinen heute 30 Jahren, wie schnell sich die Situation ändern kann. War er zu Beginn des vergangenen Jahres noch die deutsche Nummer zwei, verlor er durch zahlreiche Fehler und Verletzungen nicht nur seinen Platz beim DFB und den möglichen WM-Titel, sondern im Herbst auch seinen Stammplatz beim HSV. „Fußball ist ein brutal schnelllebiges Geschäft, von guten Leistungen der Vergangenheit kann man sich nichts kaufen. Ich habe gelernt, das zu differenzieren“, sagte Adler vor dieser Saison. Durch seine zahlreichen Rückschläge hat er seinen Blick auf die Torhüterposition verändert. „Vor einigen Jahren hätte ich noch unterschrieben, dass ein Torwart das Vertrauen der klaren Nummer eins braucht“, sagt Adler. Heute überlegt er, ob es nicht sinnvoll sei, auch auf der Torhüterposition häufiger zu wechseln, um sich beispielsweise auf den Gegner auszurichten. „Das ist eine interessante Frage. Ich bin gespannt, wo die Entwicklung hingeht“, sagt Adler.

Zumindest beim HSV könnte die Entwicklung in der Torhüterfrage in diese Richtung gehen. Zum Unverständnis von Ronny Teuber. Der 50-Jährige, der als Torwarttrainer beim HSV bis 2014 mit Adler und Drobny arbeitete, hält nur wenig von einer Torwart-Rotation. „Auch wenn René und Drobo immer ein kollegiales Verhältnis hatten, braucht ein Torwart festes Vertrauen. Wenn man weiß, dass man durch eine Verletzung seinen Platz verlieren könnte, ist das immer im Hinterkopf“, sagt Teuber, selbst ehemaliger Profitorhüter.

Labbadia sagte zuletzt immer wieder, dass er kurzfristig schauen werde, was am besten für die Mannschaft sei. Adler darf also hoffen, am Sonnabend gegen seine früheren Kollegen aus Leverkusen im Tor zu stehen. Dann würde er auch wieder Bernd Leno gegenüberstehen. Der 23-Jährige war es, der Adler vor vier Jahren bei Bayer den Stammplatz nahm. Adler machte es wie einst Butt und wechselte den Verein. Für eine doppelte Nummer eins war er damals noch nicht bereit.