Hamburg. Trotz der ersten Heimniederlage seit einem halben Jahr wird beim HSV niemand nervös. Labbadia will an der Hunt-Taktik festhalten.
Wie einfach guter Offensivfußball doch sein kann, zeigten die Lasoggas am Sonntagvormittag. „Und drin“, rief Lasogga 1, nachdem er Lasogga 2 auf einem Nebenplatz im Volkspark ausgetanzt hatte und auch Lasogga 3 den Treffer im Tor nicht verhindern konnte. Und Lasogga 4? Der trabte zeitgleich auf dem Trainingsplatz daneben Runde um Runde und bekam zunächst gar nicht mit, dass seine jüngeren Geschwister Gian-Luca (Lasogga 1), Etienne (Lasogga 2) und Jenny (Lasogga 3) ein Tor nach dem anderen schossen. So war Pierre-Michel (Nummer 4) der einzige Lasogga, der an diesem Wochenende leer ausging. „Pierre kam ja zu seinen Chancen“, sagte Trainer Bruno Labbadia, „aber ihm fehlte leider ein bisschen das Glück.“
0:1 hatte der HSV am Vortag gegen Schalke verloren. Das lag zum einen am fehlenden Glück. Da hatte Labbadia am Sonntag Recht. Das lag zum anderen aber auch am wenig überzeugenden HSV-Offensivspiel. Und da irrte Labbadia. Nicht am Sonntag, sondern am Tag zuvor. Denn da hatte Lasogga 4 im Gegensatz zu seinen Geschwistern im ganzen Spiel nur eine echte Torchance.
Dabei hatte sich Labbadia nach fünf Heimspielen in Folge ohne Niederlage für die Partie gegen Schalke etwas Besonderes überlegt. So sollten Michael Gregoritsch, Aaron Hunt und Lewis Holtby in der offensiven Dreierreihe hinter Sturmtank Lasogga variabel rotieren. Klappt das gut, sieht der Fußball ähnlich wie beim Nationalteam aus, das seit Langem vorne auf Variabilität setzt. Klappt das aber nicht so gut, dann sieht der Fußball aus wie beim HSV in der ersten Halbzeit gegen Schalke. „Wir wollten vorne ein bisschen was ausprobieren“, sagte Hunt nach der Partie. „Das hat in der ersten Halbzeit leider gar nicht geklappt.“
Torlosigkeit macht HSV nicht nervös
So war der herrliche Abendhimmel über dem Volkspark der einzige Hingucker aus Hamburger Sicht in den ersten 45 Minuten. „Uns hat der Mut im Spiel nach vorne gefehlt“, sagte Johan Djourou, der allerdings auch keine überzeugende Erklärung liefern konnte, warum dem HSV nun im dritten Spiel in Folge in der Offensive die Durchschlagskraft fehlte. 0:0 gegen Frankfurt, 1:0 dank eines direkt verwandelten Freistoßes in Ingolstadt und nun 0:1 gegen Schalke. Nur ein Standardtor in 270 Minuten – ein Grund zur Sorge schien das für den HSV aber nicht. „Das wirft uns jetzt nicht um“, sagte Dennis Diekmeier, der daran erinnerte, dass der HSV zwei Jahre lang in Folge im Abstiegskampf steckte: „Wir haben uns nach einer schlechten ersten Halbzeit wieder ins Spiel reingekämpft. Das ist uns in den letzten Jahren so nicht gelungen.“
Ganz so einfach wollte es sich Labbadia direkt nach dem Spiel allerdings nicht machen. Auf die Frage eines Medienvertreters, ob es denn zumindest ein gutes Gefühl sei, dass sein HSV gegen Topmannschaften wie Schalke immerhin wieder auf Augenhöhe sei, antwortete der Trainer derb: „Ganz ehrlich: Es ist ein Scheißgefühl.“
Seine eigene Gefühlslage wollte Labbadia auch am Sonntag nicht revidieren, als der Fußballlehrer eine Nacht über die Geschehnisse des Vorabends geschlafen hatte. Früh am Morgen hatte sich der Trainer die 90 Minuten noch einmal per DVD angeschaut und sich dabei davon überzeugen lassen, dass die bewährte Taktik mit Hunt als Ideengeber im zentralen Mittelfeld derzeit alternativlos scheint. „Als wir in der zweiten Halbzeit gewisse Dinge verändert haben, waren wir besser“, sagte Labbadia. „Auch Aaron hatte dann mehr Zugriff auf das Spiel.“
Auch Djourou und Gregoritsch denken positiv
Die beste Offensivaktion hatten in der zweiten Halbzeit allerdings erneut die Schalker. Gerade als der umgestellte HSV zunehmend besser ins Spiel fand, nutzten Leon Goretzka und Leroy Sané eine Hamburger Fehlerkette über Torwart Jaroslav Drobny (schlechter Abstoß), Marcello Díaz (schlechte Reaktion) und Emir Spahic (schlechtes Stellungsspiel) brutal aus (60.). „Das 0:1 fiel aus dem Nichts“, sagte Labbadia, der sich am Tag danach aber darüber freuen konnte, dass sich seine Mannschaft durch den Rückstand nicht großartig hatte schocken lassen: „Wir mussten uns kurz schütteln. Danach haben wir dann eine klasse Reaktion gezeigt.“
Trotzdem hatte der HSV erstmals nach knapp einem halben Jahr mal wieder im eigenen Stadion verloren – gleichzeitig aber die Gewissheit gewonnen, auch im Falle einer Niederlage krisenfest geworden zu sein. „Das Positive ist doch, dass wir wieder wettbewerbsfähig sind“, sagte Djourou, dem der glücklose Youngster Michael Gregoritsch umgehend zustimmte: „Wir haben eine intakte Mannschaft und lassen uns nicht unterkriegen.“
Genau das gilt es nun am kommenden Sonnabend beim Auswärtsspiel in Berlin zu beweisen. Nach zwei Auswärtserfolgen in Folge (3:0 in Gladbach, 1:0 in Ingolstadt) will der HSV nun auch in der alten Wahlheimat von Torjäger Lasogga den Aufwärtstrend bestätigten. Und natürlich dürften gegen Hertha auch Gian-Luca, Etienne und Jenny Lasogga erneut mit von der Partie sein – dummerweise aber nur auf der Tribüne. Nicht auf dem Platz.