Hamburg. Seit 2009 ist der HSV nicht mehr so gut gestartet wie jetzt. Der Trainer ist der selbe wie damals – aber nicht der gleiche.

Ball annehmen, vorspielen, passen. Das einfache Fußball-Einmaleins. Und wieder: Ball annehmen, vorspielen, passen. HSV-Trainer Bruno Labbadia steht mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in der Mitte des Trainingsplatzes, prüfender Blick, die Augen flackern. „Matthias“, ruft er, als Matthias Ostrzolek ein Ball verspringt, „lass den Ball unten.“

Den Ball flach halten. Das ist eine Kunstform, mit der man sich in Hamburg vor allem außerhalb des Rasens traditionell nicht ganz einfach tut.

Zwei Stunden später sitzt Labbadia frischgeduscht im ersten Stock des Volksparkstadions. Die wöchentliche Frage-Antwort-Runde. Erste Frage: „Herr Labbadia, haben Sie schon eine Europapokalprämie ausgehandelt?“ Großes Gelächter, dann antwortet Labbadia im Spaß: „Ein guter Trainer sollte die Prämie schon vor der Saison ausgehandelt haben.“ Wieder Gelächter. Als die Nachfrage kommt, ob die Frage denn ernst gemeint war, bejaht der Fragesteller. Willkommen in Hamburg.

Der HSV, das weiß Labbadia nicht erst seit gestern, ist großes Kino. Ganz großes Kino. Mal Thriller, mal Komödie, manchmal Action und viel zu oft auch Drama. Doch besonders gern mag man in der Hansestadt Happy Ends.

HSV siegt dankt Gregoritsch in Ingolstadt

Michael Gregoritsch schoss das Tor des Tages nach einem Wahnsinns-Freistoß kurz vor Schluss.
Michael Gregoritsch schoss das Tor des Tages nach einem Wahnsinns-Freistoß kurz vor Schluss. © WITTERS | DenizCalagan
Dennis Diekmeier fliegt durch die Ingolstädter Nacht. Der HSV siegt mit 1:0
Dennis Diekmeier fliegt durch die Ingolstädter Nacht. Der HSV siegt mit 1:0 © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Ivo Ilicevic wird von Markus Suttner bedrängt
Ivo Ilicevic wird von Markus Suttner bedrängt © WITTERS | DenizCalagan
Alfredo Morales (l.) kann Pierre-Michel Lasogga nicht stoppen
Alfredo Morales (l.) kann Pierre-Michel Lasogga nicht stoppen © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Am Ende lag er doch danieder
Am Ende lag er doch danieder © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Torwart Ramazan Özcan rettet gegen Nicolai Müller vom HSV
Torwart Ramazan Özcan rettet gegen Nicolai Müller vom HSV © WITTERS | DenizCalagan
Ramazan Özcan hält in letzter Minute gegen Hamburgs Nicolai Müller
Ramazan Özcan hält in letzter Minute gegen Hamburgs Nicolai Müller © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Emir Spahic gewann fast jeden Zweikampf
Emir Spahic gewann fast jeden Zweikampf © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Dennis Diekmeier (l.) kämpft mit Lukas Hinterseer von Ingolstadt um den Ball
Dennis Diekmeier (l.) kämpft mit Lukas Hinterseer von Ingolstadt um den Ball © dpa | Armin Weigel
Lukas Hinterseer,  Matthias Ostrzolek und Gojko Kacar (v.l.) gucken auf den Ball
Lukas Hinterseer, Matthias Ostrzolek und Gojko Kacar (v.l.) gucken auf den Ball © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Gojko Kacar, Lukas Hinterseer und Emir Spahic im Dreikampf
Gojko Kacar, Lukas Hinterseer und Emir Spahic im Dreikampf © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Herr der Lüfte: Emir Spahic
Herr der Lüfte: Emir Spahic © Bongarts/Getty Images | Micha Will
Mit Auge gewechselt: Trainer Bruno Labbadia von Hamburg  im Stadion
Mit Auge gewechselt: Trainer Bruno Labbadia von Hamburg im Stadion © dpa | Armin Weigel
Die Mannschaft vom HSV jubelt nach dem Sieg mit 0:1 gegen Ingolstadt zu den Fans
Die Mannschaft vom HSV jubelt nach dem Sieg mit 0:1 gegen Ingolstadt zu den Fans © dpa | Armin Weigel
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Alte Werkstatt in modernes Loft umgebaut

Das Happy End am Dienstag in Ingolstadt hat mehr als nur gut getan. Michael Gregoritsch, 21 Jahre jung, hatte fünf Minuten vor Schluss den Ball in den rechten Torwinkel geschossen. Von wegen immer schön flach halten! Als wenige Minuten später der 1:0-Sieg feststand, stand auch die beste HSV-Platzierung seit zweieinhalb Jahren fest. Zehn Punkte nach sechs Spielen, sechster Rang, ein Europapokalplatz. „Der Tabellenplatz ist unwichtig“, sagt Labbadia. „Aber die zehn Punkte, die wir haben, die sind geil.“

Labbadia muss es wissen. Unter ihm ist der HSV in dieser Saison so gut wie seit sechs Jahren nicht mehr gestartet. 2009 hatte der HSV 14 Punkte nach sechs Spielen, nach zehn Spielen waren es sogar 22 Punkte. Der Trainer damals: Bruno Labbadia. Man könnte also sagen: Labbadia, der neue, jagt Labbadia, den alten. „Wir hatten damals sehr hohe Ansprüche“, sagt Labbadia, der neue, „aber das war okay. Die Ansprüche waren gerechtfertigt. Doch dann sind ein paar Dinge passiert, die man leider nicht wahrhaben wollte.“

Das Ende der Story ist bekannt: erst verletzten sich der Reihe nach alle Führungsspieler, dann hörte der HSV auf siegen. Labbadia zog sich zurück, verschloss sich. Nach dem 32. Spieltag wurde der Coach entlassen. Auf Platz sieben. Vier Tage vor dem Halbfinal-Rückspiel der Europa League.

Beim HSV ist man sich nun sicher, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt. Zum einen, weil der HSV nicht noch mal Siebter wird. Nicht in dieser Saison. „Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass es nun so positiv weiter geht“, sagt Labbadia. Und zum anderen, weil Labbadia eben nicht mehr der Labbadia von 2009 ist.

Kacar lobt Labbadias Fürsorge

Am Donnerstag schnappt sich der HSV-Trainer Gotoku Sakai, Neuzugang aus Stuttgart. Zehn Minuten spricht Labbadia mit dem Japaner, der noch keine Sekunde in dieser Saison spielen durfte. Labbadia erklärt, lacht, dann nimmt der Coach seinen Spieler kurz in den Arm. „Labbadia gibt jedem Spieler das Gefühl, gebraucht zu werden“, sagt Gojko Kacar, der weiß, wie es ist, wenn man nicht gebraucht wird. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir ja bestimmt fünf oder sechs Mal den Trainer gewechselt“, sagt Kacar, aber Labbadia sei der erste, der immer den richtigen Ton treffe. Aus Problemfällen macht er Leistungsträger, aus Ersatzspielern Topjoker. „Er macht jeden Einzelnen besser“, sagt Kacar. „Und wenn es richtig gut läuft, dann findet er Dinge, die es noch zu verbessern gilt.“

Labbadia ist detailverliebt. Das war er schon 2009. Doch heute ist er nicht mehr besessen, nur noch akribisch. Auch im Privaten. Gerade erst hat der Wahl-Hamburger eine alte Autowerkstatt in St. Georg in ein modernes Loft umgebaut. „Als Bruno die heruntergekommene Werkstatt das erste Mal gesehen hat, hatte er schon im Kopf, wie er das Ganze in eine Traumwohnung verwandeln könnte“, sagt ein Freund.

Ähnlich war es auch mit dem HSV, als er den Anruf von Dietmar Beiersdorfer am Abend des 14. Aprils erhielt. Noch bevor die Verträge ausgehandelt waren, setzte sich Labbadia in Frankfurt ins Auto und fuhr nach Hamburg. Der HSV war seine alte Werkstatt, das Loft war aber längst im Kopf.

Am Sonnabend kommt nun Schalke 04 in den Volkspark. 18.30 Uhr, Topspiel. „Das ist doch cool“, sagt Labbadia, der mit einem Sieg seine Startbilanz weiter verbessern könnte. Der Tabellenplatz, das versichert der 49-Jährige erneut, sei ihm aber ganz egal.

Den Ball immer schön flach halten.