Hamburg. Kacar oder Spahic? Müller oder Gregoritsch? Labbadia hat auf fast allen Positionen die Qual der Wahl – eine ungewohnte Situation.

Die hinlänglich bekannte Fußball-Weisheit „never change a winning team“ besagt, dass ein Trainer seiner siegreichen Formation – sofern möglich – auch im kommenden Spiel das Vertrauen schenken soll.

Nach dem überzeugenden 3:0-Auswärtssieg des HSV am Freitag in Mönchengladbach wird Bruno Labbadia diesen Grundsatz im Hinblick auf das kommende Heimspiel am Sonnabend gegen Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) mit Sicherheit auch in Erwägung gezogen haben. Doch ganz so leicht wird es für den Trainer nicht, wenn er sich auf eine Startelf festlegen muss, denn Labbadia hat Probleme, die es in dieser Form beim HSV lange nicht mehr gab – Luxusprobleme. Und diese ziehen sich durch alle Mannschaftsteile.

Tor

Routinier Jaroslav Drobny hielt seinen Kasten in Abwesenheit von Stammkeeper René Adler gegen die Borussia 90 Minuten sauber, strahlte Ruhe aus und bereitete mit einem langen Abschlag sogar den Treffer von Nicolai Müller zum 3:0-Endstand vor. Adler schuftet nach seiner Schulterverletzung fleißig im Training, um so schnell wir möglich wieder spielen zu können. Wird er bis zum Sonnabend rechtzeitig fit, wird er wohl auch ins Tor zurückkehren. Trainer Labbadia hat jedoch die beruhigende Gewissheit, dass er seiner etatmäßigen Nummer eins die nötige Regenerationszeit gewähren kann.

Abwehr

Auf den Außenpositionen haben Matthias Ostrzolek und Dennis Diekmeier ihren Platz in der Startelf wohl erst einmal sicher. Vor allem Letzterer überraschte gegen Gladbach mit einem enormen Laufpensum sowie erfreulichem Offensivdrang auf der rechten Seite und brachte zudem 97 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler. Gotoko Sakai, der auf beiden Positionen einsetzbar ist, bleibt daher auch am fünften Spieltag voraussichtlich nur die Zuschauerrolle.

HSV gewinnt sensationell in Gladbach

Der Gladbacher André Hahn (r) und der Hamburger Johan Djourou versuchen den Ball zu spielen
Der Gladbacher André Hahn (r) und der Hamburger Johan Djourou versuchen den Ball zu spielen © dpa | Federico Gambarini
Der Gladbacher Mahmoud Dahoud (r) und der Hamburger Albin Ekdal treten gleichzeitig nach dem Ball
Der Gladbacher Mahmoud Dahoud (r) und der Hamburger Albin Ekdal treten gleichzeitig nach dem Ball © dpa | Federico Gambarini
Fehlstart für Mönchengladbach perfekt. Vier Spiele, vier Niederlagen
Fehlstart für Mönchengladbach perfekt. Vier Spiele, vier Niederlagen © REUTERS | INA FASSBENDER
Torschütze Nicolai Müller zum 3:0
Torschütze Nicolai Müller zum 3:0 © WITTERS | UweSpeck
Der Gladbacher Martin Stranzl wird verletzt vom Platz getragen
Der Gladbacher Martin Stranzl wird verletzt vom Platz getragen © dpa | Federico Gambarini
Pierre-Michel Lasogga beim Feiern
Pierre-Michel Lasogga beim Feiern © WITTERS | UweSpeck
Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby, Aaron Hunt  feiern die Führung gegen Mönchengladbach
Pierre-Michel Lasogga, Lewis Holtby, Aaron Hunt feiern die Führung gegen Mönchengladbach © WITTERS | UweSpeck
Aaron Hunt gab sein Debüt für den HSV
Aaron Hunt gab sein Debüt für den HSV © WITTERS | UweSpeck
Trainer Bruno Labbadia an der Seitenlinie
Trainer Bruno Labbadia an der Seitenlinie © WITTERS | UweSpeck
Der Gladbacher Thorgan Hazard (r) grätscht den Hamburger Matthias Ostrzolek um
Der Gladbacher Thorgan Hazard (r) grätscht den Hamburger Matthias Ostrzolek um © dpa | Federico Gambarini
Oscar Wendt im Zweikampf mit Aaron Hunt
Oscar Wendt im Zweikampf mit Aaron Hunt © WITTERS | UweSpeck
Pierre-Michel Lasogga lässt sich feiern
Pierre-Michel Lasogga lässt sich feiern © REUTERS | INA FASSBENDER
Pierre-Michel Lasogga setzt sich gegen Havard Nordtveit durch
Pierre-Michel Lasogga setzt sich gegen Havard Nordtveit durch © WITTERS | UweSpeck
Der Hamburger Pierre-Michel Lasogga (r) erzielt das 1:0 gegen Gladbachs Torwart Yann Sommer
Der Hamburger Pierre-Michel Lasogga (r) erzielt das 1:0 gegen Gladbachs Torwart Yann Sommer © dpa | Federico Gambarini
Der Gladbacher Havard Nordtveit (r) und der Hamburger Pierre-Michel Lasogga im Zweikampf
Der Gladbacher Havard Nordtveit (r) und der Hamburger Pierre-Michel Lasogga im Zweikampf © dpa | Federico Gambarini
Der Gladbacher André Hahn am Boden
Der Gladbacher André Hahn am Boden © dpa | Federico Gambarini
Der Gladbacher Raffael (M) verliert gegen die Hamburger Nicolai Müller (l) und Albin Ekdal (r) den Ball
Der Gladbacher Raffael (M) verliert gegen die Hamburger Nicolai Müller (l) und Albin Ekdal (r) den Ball © dpa | Federico Gambarini
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In der Innenverteidigung war Emir Spahic bis zu seiner Rot-Sperre aus dem Spiel gegen Köln (1:2) an der Seite von Kapitän Johan Djourou, der gegen Gladbach ein starkes Spiel machte und nichts anbrennen ließ, gesetzt und drängt nach seiner Zwangspause wieder ins Team. Sein Vertreter Gojko Kacar überzeugte jedoch in der ungewohnten Rolle. Der Serbe, der eigentlich die Position vor der Abwehr bevorzugt, hatte die meisten Ballkontakte aller Hamburger (78) und fiel durch seine kluge Spieleröffnung auf. In dieser Form wird es Labbadia zumindest schwerfallen, Kacar gegen Frankfurt wieder auf die Bank zu setzten. Theoretisch hat der 28-Jährige sich mit seiner Leistung am Freitag auch wieder für einen Platz im defensiven Mittelfeld beworben, womit Labbadia vor der nächsten kniffligen Aufgabe steht.

Mittelfeld

Lewis Holtby und Albin Ekdal harmonierten beim zweiten Saisonsieg auf der Doppelsechs. Holtby stellte seine Kämpfer-Qualitäten unter Beweis, war Dreh- und Angelpunkt im Aufbauspiel des HSV und stellt seinen schwedischen Nebenmann etwas in den Schatten, dem man die Länderspielreise noch etwas anmerkte. Möglich, dass Labbadia gegen die Frankfurter Eintracht, bei der Torschützenkönig Alex Meier sich mit einem Dreierpack gegen Köln (6:2) furios aus einer fünfmonatigen Verletzungspause zurückmeldete, auf Kacar als Nebenmann für Holtby setzt, um nach hinten noch etwas stabiler zu stehen. Allerdings ist Kacar bei Weitem nicht der Einzige, der Ansprüche auf einen Platz in der Zentrale erhebt. Relegationsheld Marcelo Díaz, der im Sommer beim Copa-Sieg unumstrittener Stammspieler der chilenischen Nationalmannschaft war und sogar Team des Turniers berufen wurde, wird sich auch nicht ewig mit Kurzeinsätzen (kam am Freitag in der 81. Minute) begnügen und folglich im Training Gas geben. Und dann ist da ja auch noch Nachwuchs-Hoffnung Gideon Jung, der am Tag nach dem 3:0-Erfolg seinen 21. Geburtstag feierte und an den ersten drei Spieltagen in der Startelf stand.

Im offensiven Mittelfeld setzt sich die frohe Kunde und gleichzeitig missliche Lage für Coach Labbadia fort. Last-Minute-Einkauf Aaron Hunt wird nach seiner ansprechenden Leistung auch am Sonnabend auf der Zehner-Position das HSV-Spiel antreiben. Rechts neben ihm rechtfertigte Nicolai Müller seinen Startelfeinsatz gegen Gladbach, den er sich in der Länderspielpause durch großen Einsatz und Willen im Training erkämpft hatte. Der 27-Jährige darf sich nicht nur wegen seines Treffers berechtigte Hoffnungen machen, erneut von Beginn an zu spielen. Der zuvor auf rechts gesetzte Michael Gregoritsch muss sich zumindest strecken, um seinen Bankplatz vom vergangenen Freitag auf seinen nicht optimalen Fitnesszustand nach den Länderspielen zu schieben. Auf dem linken Flügel untermauert Ivo Ilicevic zunehmend, dass es eine weise Entscheidung war, ihm noch mal einen Vertrag anzubieten. Der Kroate gibt Labbadia wenig Anlass über einen Wechsel nachzudenken.

Früher oder später wird Labbadia sich allerdings Fragen gefallen lassen müssen, wieso Zoltán Stieber in der laufenden Saison noch nicht einmal auch nur im Kader der Profis stand. Der Ungar steht zumindest bei den Fans hoch im Kurs und war in der abgelaufenen Saison in der Rückrunde zwischenzeitlich bester Mann in der HSV-Offensive.

Angriff

Mit seinem Doppelpack ließ Pierre-Michel Lasogga seine Kritiker am Freitag verstummen. Der Stürmer rannte, kämpfte und war ständiger Unruheherd für die wackelige Gladbacher Defensive. Mit dem starken Auftritt in seinem ersten Spiel von Beginn an hat der Stürmer im Rennen gegen Konkurrent Sven Schipplock nun die Nase vorn. Sollte Labbadia an dem 4-2-3-1-System festhalten und nur mit einer Spitze spielen, bleibt Schipplock wohl in nächster Zeit nur die Jokerrolle, die er auch so oft bei seinem Ex-Club Hoffenheim innehatte und in Hamburg eigentlich hinter sich lassen wollte. Dafür lieferte er in den ersten drei Spielen, in denen er jedes Mal in der Startelf stand, mit nur einer Vorlage allerdings zu wenig Argumente. Neben Lasogga und Schipplock hat Labbadia für die vorderste Front auch noch Sturm-Opa Ivica Olic zur Verfügung, mit dem der Trainer für alle offensiven Positionen eine weitere starke Alternative in der Hinterhand hat.

Bis auf die angeschlagenen Torhüter Adler und Andreas Hirzel sind alle Spieler fit. Bruno Labbadia hat also die Qual der Wahl und die Spieler fünf Tage Zeit, sich in der Gunst des Trainers nach oben zu spielen. Auf seinen Lorbeeren ausruhen kann und sollte sich nach einem überzeugenden Sieg sowieso noch keiner, trotzdem hatte man in den vergangenen Jahren beim HSV nach vier Spieltagen häufig andere Probleme als Luxusprobleme.