Hamburg. Hunt, der neue Stratege des HSV, gibt bei Gladbach sein Debüt. Er verfügt über eine Eigenschaft, die den Hamburgern zuletzt fehlte.

Die Fans des HSV werden sich nur ungern an die Szene aus dem März 2014 erinnern. 23. Spieltag der Bundesliga, Abstiegskampf im Bremer Weserstadion, 19. Minute: Ein Kopfball von Werder-Verteidiger Santiago Garcia fliegt in der Grauzone des Spielfelds durch die Luft und landet bei Aaron Hunt. Eine Situation, in der im Grunde nichts passieren kann. Denken alle. Doch Hunt denkt anders. Er fährt sein Hinterbein aus und legt den Ball per Hacke maßgenau und direkt durch die verwirrte HSV-Abwehr hindurch in den Lauf von Zlatko Junuzovic. Ein Geistesblitz, der zum 1:0-Siegtreffer in einem ansonsten spröden Nordderby führte. Ein Kunststück. Ein Geniestreich. Es ist auch diese Szene, die Thomas Schaaf meint, wenn er über Aaron Hunt spricht: „Er ist ein Kreativspieler mit besonderen Fähigkeiten.“

Der langjährige Trainer von Werder Bremen muss es wissen. Zehn Jahre lang arbeiteten Schaaf und Hunt zusammen bei Werder. Seit zwölf Tagen gehört Hunt nun dem HSV. An diesem Freitag steht der aus Wolfsburg gekommene Mittelfeldspieler in der Auswärtspartie bei Borussia Mönchengladbach (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) das erste Mal für seinen neuen Arbeitgeber auf dem Platz. Das erste Mal nach langen Jahren wird der HSV wieder mit einem Mann auflaufen, der die Funktion eines Spielmachers ausfüllen kann.

„Er ist das Puzzleteil, das uns gefehlt hat“, sagt Sportdirektor Peter Knäbel. Was er damit meint, erläutert Trainer Bruno Labbadia. „Zu Aarons großen Stärken zählt, in Bereiche zu gehen, in denen er viele Ballkontakte hat.“ Damit bestätigt Labbadia die Einschätzung von seinem Trainerkollegen Schaaf. „Aaron will immer den Ball haben.“

Verändert Hunt das HSV-Spiel?

Es klingt wie die Beschreibung eines kleinen Jungen, der einfach nur spielen will. Und genau das trifft auf Hunt zu. Mit 1,83 Metern Körpergröße ist er zwar nicht klein und mit 29 Jahren für einen Fußballer auch nicht mehr jung, sein Spieltrieb und die Lust auf den Ball aber ist in höchstem Maße ausgeprägt. Damit verfügt Hunt über eine Eigenschaft, die dem HSV zuletzt fehlte. Während in anderen Clubs die zentralen Mittelfeldspieler wie Xabi Alonso (FC Bayern München), Ilkay Gündogan (Borussia Dortmund) oder Granit Xhaka (Gladbach) selten weniger als 100-mal in einer Partie den Ball berühren, haben in Hamburg die Innenverteidiger zuverlässigerweise die meisten Ballkontakte. Diese Statistik steht stellvertretend für das uninspirierte Spiel des HSV der letzten Jahre.

Labbadia schwärmt von Hunt

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    Mit Hunt könnte sich das nun ändern. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass der neue Spielmacher auf Anhieb für eine neue Hamburger Dominanz sorgen wird. Doch Inspiration, Unberechenbarkeit, Geistesblitze, das erhofft man sich beim HSV von Hunt. „Er ist klar in seinem Passspiel, weiß genau, in welchen Momenten er das Spiel schnell machen und in welchen Momenten er Ruhe reinbringen muss. Zudem hat er einen sehr guten Abschluss, kann Tore vorbereiten“, sagt Labbadia, der Hunt vermutlich im 4-2-3-1-System hinter der einzigen Spitze aufstellen wird. Auf der Position des Zehners. In der Rolle des Strategen, des Ideengebers.

    Hunt kann Spiele alleine entscheiden

    Wolfgang Overath, Weltmeister von 1974 und Regisseur der alten Schule, hat den HSV zuletzt in Köln beobachtet. Er ist überzeugt, dass Hunt den Hamburgern helfen wird. „Wichtig ist, dass er sein Selbstbewusstsein findet“, sagt Overath. „Ein Spielmacher muss viel Verantwortung übernehmen und das Risiko suchen“, sagt der ehemalige Präsident des 1. FC Köln. Die Zeit der klassischen Zehner wie Günter Netzer, Johan Cruyff oder Zinedine Zidane sei zwar vorbei, doch Overath hält Hunt für einen Spieler, der den Unterschied ausmachen kann. „Ich wünsche dem HSV, dass er nach seiner Zeit als Reservist in Wolfsburg sein Selbstvertrauen findet. Dann kann er für die Mannschaft eine große Verstärkung sein.“

    Hunt, so viel ist klar, ist kein reiner Regisseur, der sich im Radius des Mittelkreises bewegt. Er ist ein Zehner von heute. Ein Spieler, der mit seiner individuellen Klasse ein Spiel entscheiden kann. Das sieht auch HSV-Kapitän Johan Djourou so. „Er trifft unter Druck oft die richtigen Entscheidungen. Das kann unser Spiel nach vorn noch einmal beleben und verbessern“, sagt Djourou, der nach überstandenem Faserriss wieder spielen will und wird.

    Die Erwartungshaltung an Hunt ist hoch. Doch mit dem Druck scheint er gut umgehen zu können. „Ich bin kein Typ, der vor dem Spiel aufgeregt herumläuft“, sagt er vor seinem HSV-Debüt. Worte, die man ihm abnimmt. Auf und abseits des Platzes strahlt er große Ruhe aus. An diesem Freitag bestreitet Hunt bereits sein 233. Bundesligaspiel. Müde ist er noch nicht. Er will einfach Fußball spielen und Spaß haben. Und deswegen hat ihn der HSV geholt. Es ist eine Verbindung, die passen könnte.

    Hunts Debüt im HSV-Trikot

    Aaron Hunt feierte am Donnerstagnachmittag vor einer Woche beim Testspiel gegen den VfL Osnabrück sein Debüt für den HSV
    Aaron Hunt feierte am Donnerstagnachmittag vor einer Woche beim Testspiel gegen den VfL Osnabrück sein Debüt für den HSV © WITTERS | TimGroothuis
    Pierre-Michel Lasogga traf für die Rothosen zum 1:0
    Pierre-Michel Lasogga traf für die Rothosen zum 1:0 © WITTERS | TimGroothuis
    Schrecksekunde: Andreas Hirzel - der kurioserweise für den Gegner im Tor stand - verletzte sich an der Hüfte
    Schrecksekunde: Andreas Hirzel - der kurioserweise für den Gegner im Tor stand - verletzte sich an der Hüfte © WITTERS | TimGroothuis
    Aaron Hunt zeigte nicht nur vollen Einsatz. Er traf auch zur 2:0-Führung
    Aaron Hunt zeigte nicht nur vollen Einsatz. Er traf auch zur 2:0-Führung © WITTERS | TimGroothuis
    Nicolai Müller - hier im Duell mit Osnabrücks Maik Odenthal - legte zum 3:0 nach
    Nicolai Müller - hier im Duell mit Osnabrücks Maik Odenthal - legte zum 3:0 nach © WITTERS | TimGroothuis
    Nach der Halbzeit verkürzte der VfL durch einen Treffer von Marcos Alvarez (m) zum 1:3
    Nach der Halbzeit verkürzte der VfL durch einen Treffer von Marcos Alvarez (m) zum 1:3 © WITTERS | TimGroothuis
    Doch Batuhan Altintas (l) sorgte für das 4:1-Endergebnis
    Doch Batuhan Altintas (l) sorgte für das 4:1-Endergebnis © WITTERS | TimGroothuis
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