Hamburg . Die neue Offensivkraft sagt, dass er in Wolfsburg als Ersatz mehr verdient habe. Ex-Trainer Schaaf trifft neue Aussagen über Hunt.
Viel geschlafen hatte Aaron Hunt nicht, als er am Dienstagmorgen um 10.30 Uhr an der Seite von Matthias Ostrzolek den Trainingsplatz im Volkspark betrat. Nachdem der HSV den Mittelfeldspieler am Montag erst kurz vor Transferschluss vom VfL Wolfsburg verpflichtet hatte, gab es für Hunt keine ruhige Minute mehr. Vor allem sein Handy vibrierte im Minutentakt. Freunde, Verwandte, ehemalige Mitspieler – viele meldeten sich bei Hunt, um ihm für die Aufgabe bei seinem neuen Verein viel Glück zu wünschen.
Natürlich hatte der HSV-Neuzugang auch mitbekommen, dass sein Wechsel in die Hansestadt Hamburg vor allem in der Hansestadt Bremen die bekannten Reflexe ausgelöst hatte. Ein Werderaner macht so was nicht. Verräter. Geht ja gar nicht. Und so weiter. Hunt hatte die Hälfte seines bislang 28 Jahre dauernden Lebens als Fußballer in Bremen verbracht, ehe er sich über den Umweg Wolfsburg nun dem HSV anschloss. „Natürlich kann ich verstehen, dass es bei den Fans Unmut gibt“, sagte Hunt, nachdem er seine erste Einheit mit seinem neuen Team hinter sich gebracht hatte. „Wenn es aber um Hass geht, dann kann ich das nicht nachvollziehen. Es ist doch nur Fußball, es ist doch nur ein Spiel.“
Aaron Hunt ist jetzt ein Hamburger
Hunt verzichtet auf eine Million Euro
Ja, die Sache mit dem Spielen. Es ist das, was Aaron Hunt immer noch am liebsten macht. Fußball spielen. In Wolfsburg hat er nur selten gespielt. Und genau das war der Grund, warum Hunt zum HSV wollte. „Wenn ich satt wäre und nur das Geld sehen würde, hätte ich mich in Wolfsburg noch zwei Jahre auf die Bank gesetzt. Aber das ist nicht mein Anspruch“, sagte Hunt. Genau genommen verzichtet er auf etwa eine Million Euro Gehalt im Jahr, um nun beim HSV wieder wichtig zu sein. So wie er es in seinen letzten beiden Jahren in Bremen war, als Werder vor allem dank Hunt zweimal in Folge dem Abstieg nur knapp entging.
Menschlich gesehen: Hunt und die legendäre 14
Hunt, das wird gleich in seinem ersten Interview vor einem dutzend Kameras deutlich, ist erwachsen geworden. Er sagt zwar auch die typischen Fußballersätze. „Ich freue mich auf die Aufgabe.“ „Wir schauen von Spiel zu Spiel.“ „Der Trainer entscheidet, ob ich spiele.“ Er sagt aber auch Sätze, bei denen deutlich wird, dass Hunt ein Mann geworden ist, der reflektieren kann. Der sich selbst nicht mehr so wichtig nimmt. Und der großen Wert darauf legt, sich in seinem Umfeld wohlzufühlen. „Wichtig ist, dass ich die Nähe zu meinem Sohn und meiner Frau habe“, sagt Hunt.
Ärger wegen Fahrten nach Bremen
Sein Sohn, acht Jahre alt, lebt bei seiner Ex-Freundin in Bremen. Wann immer er konnte, fuhr er auch in seiner Wolfsburger Zeit nach Hause, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Beim VfL sah man das nicht immer gerne. Dass Hunt in Wolfsburg nicht wie gewünscht zum Einsatz kam, hatte aber andere Gründe. Vor allem war da das Überangebot an offensiven Mittelfeldspielern wie Kevin De Bruyne oder Ivan Perisic. Die sind zwar nun beide nicht mehr da, aber mit Max Kruse und Julian Draxler haben die Niedersachsen zwei neue Spieler geholt, mit denen Hunt den Konkurrenzkampf auf seiner Position nicht mehr eingehen wollte.
Seine Position, das ist laut Hunt die Zehn. „Im Mittelfeld kann ich aber auf allen Positionen spielen.“ Trainer Bruno Labbadia bestätigte diese Einschätzung am Dienstag. „Aaron ist sehr flexibel einsetzbar. Er kann als hängende Spitze, als Zehner oder Achter spielen“, sagt Labbadia. Eines scheint in jedem Fall klar: Hunt wird spielen. Auch wenn er selbst sagt, dass er noch Spielpraxis brauche. Das Knie, das er sich im Februar schwer verletzt hatte, mache keine Probleme mehr. „Er kann uns auf Anhieb helfen“, sagt Labbadia.
Schaaf sieht Entwicklung bei Hunt
Davon ist auch Thomas Schaaf überzeugt. Der 54-Jährige, der in der vergangenen Saison Eintracht Frankfurt trainierte, holte Hunt einst als 17-Jährigen aus der Jugend zu den Profis von Werder Bremen. „Aaron hat besondere Fähigkeiten. Er ist ein Kreativspieler, der immer den Ball haben will“, sagt Schaaf im Abendblatt-Gespräch über Hunt, mit dem er zwischen 2004 und 2013 bei Werder zusammenarbeitete. In dieser Zeit erlebte Schaaf einerseits einen Spieler, „der mit seiner Technik besticht“. Andererseits erlebte er einen Spieler, der klare Vorstellungen hatte. „Aaron hatte schon immer einen eigenen Kopf, aber er ist gereift“, sagt Schaaf.
„Er sucht auch mal die Konfrontation, wenn ihm etwas nicht passt“, sagt Schaaf, der voraussichtlich dabei sein wird, wenn Hunt am letzten Novemberwochenende erstmals mit dem HSV in Bremen spielt. Hunt reiht sich dann ein in eine prominente Liste von Spielern, die im Nordderby sowohl für Hamburg als auch für Bremen spielten. Ailton, Fabian Ernst und Rodolfo Cardoso gehören dazu. Aber auch Frank Rost und HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer. Und natürlich Bruno Labbadia. „Ich werde dann sicher von den Bremern kritisch beäugt werden“, sagt Hunt. Angst habe er aber nicht. Er werde sich nicht verstecken. Er will vorangehen. Dass er das kann, hat er in Bremen bewiesen. Und er wird es, dessen ist er sich sicher, auch in Hamburg tun.
Diese Spieler waren für den HSV und Werder aktiv