Hamburg. Sportgericht verhandelt die Sperre des HSV-Verteidigers. Umstrittener Pfiff von Schiedsrichter Aytekin bei Köln-Pleite bleibt Thema.
Bruno Labbadia war auch am Sonntagmittag noch anzumerken, wie sehr ihm die 1:2-Niederlage beim 1. FC Köln zugesetzt hatte. Die Stimme ein wenig heiser, die Miene bedrückt. Zumindest sein Gefühlsleben hatte der HSV-Trainer wieder sortiert. 18 Stunden zuvor hatte Labbadia sich ziemlich zusammenreißen müssen, um vor den laufenden Kameras nicht die verbale Kontrolle zu verlieren. Schließlich sprach der 49-Jährige in seinem offiziellen Statement davon, durch Schiedsrichter Deniz Aytekin „um einen Punkt betrogen“ worden zu sein. „Herr Aytekin ist ein guter Schiedsrichter, er macht das nicht mit Absicht, aber heute lag er mehrfach falsch“, sagte Labbadia. Auch Stürmer Sven Schipplock fühlte sich vom Schiedsrichter „benachteiligt“, Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier konnte die Entscheidung „einfach nicht verstehen“.
Kommentar: Schiedsrichter sollten Fehler einfach zugeben
Auslöser für die einseitig in Worte gefassten Emotionen war ein Zweikampf zwischen HSV-Verteidiger Emir Spahic und Kölns Stürmer Anthony Modeste in der 79. Spielminute gewesen. Nach einem Konter kam der Franzose im Strafraum an den Ball, geriet ins Straucheln und wurde dann vom Bosnier berührt. Modeste fiel, Aytekin pfiff, Spahic flog. Modeste traf, der HSV verlor und Aytekin verschwand. Erst etwa 90 Minuten nach dem Abpfiff verließ der Unparteiische den Kabinentrakt und ließ dabei noch Folgendes verlauten. Zum einen habe er in besagter Szene einen „Kontakt durch den Spieler Spahic im Fuß- sowie Rückenbereich des Spielers Modeste“ wahrgenommen. Zum anderen machte er klar, dass er weder in der Kabine des HSV gewesen sei noch mit einem Spieler der Hamburger gesprochen habe, um sich für die vermeintliche Fehlentscheidung persönlich zu entschuldigen. So in etwa hatte es Lewis Holtby nach dem Spiel berichtet. „Er kam in die Kabine und hat Emir gesagt, dass ihm die Entscheidung leid tue“, sagte Holtby, der zuvor mit seinem ersten HSV-Tor in der Bundesliga für die Hamburger Führung gesorgt hatte (48.).
Holtby erklärt sich bei Facebook
Doch Aytekin wollte von einem Kabinenbesuch nichts wissen. Und während die „Bild am Sonntag“ bereits über Twitter eine „Schwindelaffäre“ ankündigte, beeilte sich der HSV, Klarheit zu schaffen. „Aytekin war nicht in der Kabine und hat sich auch nicht entschuldigt. Lewis Holtby hat da etwas missverstanden“, teilte der HSV noch am Sonnabend via Twitter mit. Holtby selbst meldete sich am Tag danach über seine Facebookseite zu Wort. „Ganz sicher habe ich nicht einfach so etwas erfunden. Scheinbar habe ich die Aussage von Emir mir gegenüber falsch verstanden“, schrieb Holtby. Labbadia ergänzte: „Damit ist die Sache aufgeklärt.“
HSV beim 1. FC Köln
Sein Ärger über den Elfmeterpfiff und die Rote Karte für Spahic aber blieb. „Das war eine krasse Fehlentscheidung“, sagte Hamburgs Trainer und stand damit nicht alleine da. Sogar Kölns Trainer Peter Stöger („Ich hätte den Elfmeter nicht gepfiffen“) und Manager Jörg Schmadtke („kein Elfer“) stimmten Labbadia zu. Und während die Schiedsrichter Peter Gagelmann und Thorsten Kinhöfer ihren Kollegen Aytekin in Schutz nahmen, fand der frühere Trainer des 1. FC Köln und des FC St. Pauli, Holger Stanislawski, klare Worte. „Wenn so ein Körperkontakt im Fußball nicht mehr erlaubt ist, dann müssen beide Kapitäne schon Rot bekommen, wenn sie sich vor dem Spiel die Hand geben.“
Nur ein Spiel Sperre für Spahic?
Emir Spahic, der sich zur besagten Szene nicht äußerte, wird um eine Sperre dennoch nicht herumkommen. Das DFB-Sportgericht wird den Verteidiger an diesem Montag vermutlich für ein Spiel sperren. Ob der HSV dann Widerspruch einlegen wird, bleibt abzuwarten. Labbadia hofft, dass Spahic trotz seines vierten Platzverweises in der Bundesliga nicht voreingenommen bewertet wird. „Es wäre schade, wenn in diesem Fall etwas haften bleibt“, sagte der HSV-Coach.
Bei aller Diskussion um den Elfmeterpfiff wollte Labbadia eines nicht unerwähnt lassen: das Fehlverhalten seiner Mannschaft bei den Gegentoren. Der HSV hatte ein Spiel, das er über weite Strecken und insbesondere in der zweiten Halbzeit kontrollierte, mit einer Mischung aus Naivität und Nachlässigkeit aus der Hand gegeben. Eine halbe Stunde lang schaffte es der FC nicht, den HSV nach dem 0:1 in Verlegenheit zu bringen. Doch dann gewährten Dennis Diekmeier und Cléber Reis beim 1:1 ihren Gegenspielern (Vorlage Jonas Hector, Torschütze Philipp Hosiner) zu viel Platz (76.), drei Minuten später ließ sich Hamburg auskontern. „In dieser Phase wollten wir vielleicht zu viel, wir wollten unbedingt gewinnen“, sagte Michael Gregoritsch. Labbadia ärgerte sich darüber, dass seine Mannschaft nach dem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung „nicht nachgesetzt“ habe und „in der Mitte nicht präsent genug“ gewesen sei.
Trotz des Rückstands hatte der HSV noch die große Chance auf den Ausgleich, doch Cléber scheiterte nach einer Ecke freistehend aus fünf Metern (90.). Und so stand am Ende wieder Schiedsrichter Aytekin im Mittelpunkt des Geschehens. In der letzten Minute der Nachspielzeit hatte Kölns Marcel Risse sich mit dem Arm im eigenen Strafraum „einen Vorteil verschafft“, wie Labbadia urteilte. Aytekin pfiff, aber nur noch, um das Spiel zu beenden. Ein Spiel, das der HSV nicht hätte verlieren müssen, immerhin darüber waren sich alle Beteiligten einig.