Warum der HSV Gouaida, Demirbay und Jiracek ziehen lässt
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Nach den neuerlichen Abgängen stellt sich nur die Frage: Ist beim Hamburger SV überhaupt noch eine Transferstrategie erkennbar?
Es regnete in Strömen, als am Dienstagmorgen ein paar tapfere HSV-Anhänger ein zu dieser Jahreszeit beliebtes Ratespiel zelebrierten. Es heißt: Wer ist noch da? Wer ist schon weg? Und das Spiel geht so: Zunächst alle HSV-Profis auf dem Rasen durchzählen (23), dann überlegen, wer fehlt und schließlich via Smartphone recherchieren, welchen Fußballer es in der letzten Woche der Transferperiode wohin gezogen hat. Der Gewinner am Dienstag war derjenige, der als erstes herausgefunden hatte, dass der von Düsseldorf begehrte Zoltan Stieber („Ich bleibe!“) noch anwesend war, die ebenfalls umworbenen Kerem Demirbay, Petr Jiracek und Mohamed Gouaida aber nicht.
Fünf Tage vor dem Ende der diesjährigen Transferperiode ist in der Bundesliga mal wieder der ganz normale Millionen-Wahnsinn ausgebrochen. Hoffenheim hat sich auf der Zielgeraden für sechs Millionen Euro Eduardo Vargas, den erfolgreichsten Torjäger der vergangenen Copa América, geschnappt. Niklas Stark wechselt für drei Millionen Euro von Nürnberg in die Hauptstadt. Und Wolfsburgs Kevin de Bruyne beschäftigt diesseits und jenseits des Ärmelkanals eine ganze Armee von Reportern, die lediglich dieser einen, ach so einfachen Frage nachgehen: Wann geht er denn nun?
Die gleiche Frage, wenn auch auf einem ganz anderen finanziellen Niveau, wurde gleich mehrfach auch in Hamburg gestellt. Nach zwölf Abgängen in diesem Sommer suchen nun bis zum Montag, wenn die Transferliste bis Ende Januar schließt, noch mindestens drei weitere Bislang-Hamburger das Weite. So absolvierte Kerem Demirbay parallel zum Hamburger Regentraining in Düsseldorf erfolgreich den Medizincheck, Petr Jiracek wurde zeitgleich in Prag untersucht. Und damit nicht genug: Auch Mohamed Gouaida wird den HSV verlassen. Er wird für ein Jahr an den Karlsruher SC verliehen.
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Gehaltsniveau von 52 auf 41 Millionen Euro gesenkt
Der Grund für die hamburgischen Wechselspielchen ist klar: das liebe Geld, natürlich. Rund 11,5 Millionen Euro hat Peter Knäbel, der „Baumeister im Akkord“ („Bild“-Zeitung), bislang eingenommen. Dabei hat „Knüller-Knäbel“ („Mopo“) allerdings auch für die Abgänge Maximilian Beister, Lasse Sobiech und nun Jiracek mehr als 600.000 Euro in Abfindungen investiert. Der Grund selbstverständlich auch hier: das Geld. So konnten knapp 17 Millionen Euro Gehälter gespart, das Gehaltsniveau trotz acht Zugängen von rund 52 Millionen Euro auf 41 Millionen Euro reduziert werden. Da darf ein kleines Ausrufezeichen gesetzt werden.
Nur eine Frage bleibt bei all dem Zahlensalat: Ist überhaupt noch eine Transferstrategie zu erkennen? Das wollte auch HSV-Fan Matze unbedingt wissen, der sich bereits am Montagnachmittag ganz modern über Twitter bei HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer erkundigte. Dieser beantwortete eine Stunde lang die multimedialen Fragen der HSV-Anhänger mit dem Zusatz: #fragDidi. „Setzt der HSV in Zukunft mal langfristig auf die jungen Talente?“ fragte Matze also den Didi – und erhielt postwendend die viel- und nichtssagende Antwort: „Die Mischung muss es machen. Talente können sich nur optimal entwickeln, wenn wir stabil sind.“
Jiracek verabschiedet sich für immer aus Hamburg
Nun, stabil wirkt der HSV schon lange nicht mehr. Seitdem Beiersdorfer als HSV-Chef feststeht, verließen 28 Profis den Club, 19 kamen hinzu. Der HSV hat rund 34 Millionen Euro eingenommen, aber knapp 53 Millionen Euro ausgegeben. Doch viel wichtiger als die genauen Summen: mit Jonathan Tah, Hakan Calhanoglu (beide Bayer Leverkusen) und nun eben Demirbay (für ein Jahr an Fortuna Düsseldorf verliehen) mussten gleich drei Toptalente den Club verlassen. Dabei wurde ursprünglich mal die Devise ausgegeben, zukünftig verstärkt auf Youngster aus den eigenen Reihen zu setzen. „Wir haben Ideen, die von allen getragen werden“, sagte Aufsichtsratschef Karl Gernandt, als er vor gut einem Jahr sein Amt antrat. „Wir können uns keinen Ronaldo kaufen. Wir wollen junge, frische Kräfte. Dafür ist Geld da.“
Und wirklich: Ronaldo ist nicht gekommen. Die jungen, frischen Kräfte dafür aber gegangen. „Mir ging es darum, hier eine Chance auf Einsätze zu haben. Aber die habe ich nicht erkennen können“, sagte U-21-Nationalspieler Demirbay zum Abschied – und suchte nach seinem Leih-Jahr in Kaiserslautern erneut für mindestens eine Saison das Weite. Gleiches gilt für den 22 Jahre alten Gouaida, dessen Stern unter Ex-Trainer Joe Zinnbauer auf- und unter Neu-Trainer Bruno Labbadia unterging. Und Vier-Millionen-Euro-Missverständnis Jiracek? Der verabschiedete sich für immer, unterschrieb nach letzten Abfindungsverhandlungen am Nachmittag einen Vierjahresvertrag bei Sparta Prag.
Immerhin: Bis zum Montag ist auch für den HSV im SSV noch alles möglich. Nur ein neuer Ronaldo, der wird wohl wirklich nicht kommen.
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