Hamburg. Vor dem ersten Heimspiel des HSV gegen den VfB Stuttgart sucht Labbadia noch nach der Aufstellung. Kapitän Djourou droht auszufallen.
Emir Spahic tat das, wofür der HSV ihn in diesem Sommer geholt hatte. Er dirigierte seine Mitspieler, ordnete die Abwehr und grätschte ohne Rücksicht auf Verluste dazwischen, als Lewis Holtby frei vor dem Tor stand. Es waren Szenen aus dem Training am Dienstag. Im strömenden Regen zeigte sich Spahic von seiner guten Seite.
Dass der Bosnier auch eine andere Seite besitzt, ist in der Bundesliga hinlänglich bekannt. Erst am vergangenen Freitag fiel Spahic im Bundesligaauftaktspiel bei Bayern München mit überhartem Einsteigen und unfeinen Gesten negativ auf. Nun will „Bild“ zudem erfahren haben, dass Spahic in München in der Halbzeitpause seinem Kollegen Holtby Schläge angedroht haben soll. Was am Dienstag aber sowohl Holtby als auch Trainer Bruno Labbadia („das stimmt nicht“) dementierten.
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Kabinengeschichte wurde aber bereits in den ersten beiden Pflichtspielen von Spahic für den HSV deutlich, dass der am Dienstag 35 Jahre alt gewordene Innenverteidiger ein Risiko darstellt. Das liegt zum einen an seiner Spielweise – stets an und über der Grenze des Erlaubten. Zum anderen scheint Spahic in Momenten des sportlichen Misserfolgs, die in Hamburg deutlich häufiger auftreten als in Leverkusen, verstärkt mit seinen Nerven zu kämpfen zu haben. Schon in München hätte er nach einem harten Foul an Robert Lewandowski Gelb-Rot sehen müssen und wäre dann gegen Stuttgart gesperrt gewesen.
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Für den HSV ist ein besonnener Spahic insofern wichtig, als dass er im System von Labbadia eine elementare Rolle einnimmt. „Er wird ein entscheidender Teil unserer Achse“, hatte Labbadia gleich nach der Verpflichtung des Abwehrspielers gesagt. Sechs Wochen später ist Spahic zwar auf Anhieb ein Teil dieser Achse geworden, neben Torhüter René Adler und Kapitän Johan Djourou sucht man in der Mannschaft des HSV aber vergeblich nach weiteren Bestandteilen der Wunschachse. Zumal Innenverteidiger Djourou wegen einer Leistenverletzung gegen den VfB Stuttgart auszufallen droht. „Es wird sehr eng bis Sonnabend“, sagt Labbadia.
Fünf Tage nach dem Auftakt in München und drei Tage vor dem erstem Heimspiel der Saison gegen den VfB sucht der Trainer weiter nach seinem Grundgerüst. In keiner anderen Bundesligamannschaft stecken noch derart viele Fragezeichen in der Formation. Vor allem im Mittelfeld hat sich noch kein Spieler einen festen Platz erarbeitet. In der zentralen Dreiherreihe kann Labbadia mit Albin Ekdal, Lewis Holtby, Marcelo Díaz, Gideon Jung, Gojko Kacar und Kerem Demirbay aus sechs Spielern wählen. Restlos überzeugen und sich damit einen festen Platz in Labbadias Achse sichern konnte bislang keiner von ihnen.
Auch auf den offensiven Außenpositionen probierte Labbadia zuletzt viel. In München startete im rechten Mittelfeld überraschend Neuzugang Michael Gregoritsch, der sich am Dienstag allerdings am Sprunggelenk verletzte und das Training vorzeitig beenden musste. Auch Ivo Ilicevic, bei den Bayern auf Linksaußen kaum zu sehen, trainierte wegen muskulärer Probleme nicht mit der Mannschaft. So könnte gegen Stuttgart Nicolai Müller eine Chance auf dem Flügel bekommen. Ein entscheidender Teil von Labbadias Achse wird aber auch Müller vermutlich nicht so schnell werden.
Als dieser war eigentlich Pierre-Michel Lasogga angedacht. Und obgleich der Stürmer zum ersten Mal seit zwei Jahren eine Vorbereitung nahezu verletzungsfrei überstanden hat, ist er bei Labbadia aktuell nicht gesetzt. In München durfte der laufstärkere Sven Schipplock von Beginn an ran und machte seine Sache ordentlich, wenngleich er keine Torgefahr ausstrahlen konnte. Der ehemalige Hoffenheimer, der erst in der vierten Woche der Vorbereitung zum HSV kam, sieht genau darin das Problem, warum die Mannschaft noch kein Gerüst gefunden habe. „Es ist schwer, innerhalb von zwei bis drei Testspielen eine feste Achse zu finden. Viele wichtige Spieler sind erst später hinzugekommen“, sagt Schipplock. Damit meint der 26-Jährige zum einen den schwedischen Neuzugang Albin Ekdal, zum anderen den chilenischen Nationalspieler Marcelo Díaz. Beide stießen erst im zweiten Trainingslager dazu und offenbarten zuletzt Trainingsrückstand.
Schipplock meinte explizit aber auch Emir Spahic. Seit rund sechs Wochen trainiert der bosnische Nationalspieler nun in Hamburg. Mit Trainer Labbadia hat der ehemalige Leverkusener einen Verhaltenskodex vereinbart. Dass Spahic sportlich den Anspruch als entscheidender Teil der HSV-Achse bestätigt, scheint ein realistisches Vorhaben zu sein. Ob er sein Verhalten wirklich kontrolliert, bleibt im Volkspark eine der spannendsten Fragen.