Marienfeld . Der Anti-Behrami ist glücklich, dass er nach wochenlangen Verhandlungen nun für den HSV spielen dürfe. Auch Ekdals Entdecker ist stolz.
Manchmal sind es gerade mal 30 Minuten, die zwischen Zukunft und Vergangenheit liegen. Es war exakt 13.30 Uhr – die Glocke vom nebenan liegenden Kloster Marienfeld läutete einmal –, als Valon Behrami mit seinen neuen Teamkollegen vom FC Watford in den Reisebus vor dem Hotel Klosterpforten stieg. Nein, er wolle nicht reden, sagte der Schweizer brüsk, drehte sich weg und zeigte seine tätowierten Waden und die Rückseite seines blondierten Irokesenschnitts.
Eine halbe Stunde später kommt Albin Ekdal im knitterfreien HSV-Trainingsanzug und mit bravem Seitenscheitel auf die Hotelterrasse. Natürlich sei er glücklich, sagt der 25 Jahre junge Schwede, dass er nun endlich ein echter Hamburger sei. Die Mannschaft habe ihn toll aufgenommen, und die Bundesliga sei eine der besten Ligen der Welt. Ekdal sagt Sachen, die man eben so sagt, wenn man der Neue ist. 4,5 Millionen Euro hat der HSV nach wochenlangen Verhandlungen für ihn ausgegeben. Schon jetzt wissen die Verantwortlichen, dass mit Ekdal die HSV-Zukunft zumindest wieder ein bisschen freundlicher aussieht. Weniger tätowierte Beine und Irokese, mehr Seitenscheitel.
Aber natürlich wurde der schwedische Beau nicht wegen seines gepflegten Haarschnitts verpflichtet. „Ich hatte sehr gute Gespräche mit dem Sportchef und dem Trainer in Stockholm“, berichtet er, „Bruno Labbadia hat mir gesagt, dass er meinen Spielstil mag.“ Damit war der HSV-Coach in Europa nicht allein. Lazio und der AS Rom sollen ebenfalls Interesse gehabt haben, auch Florenz, Neapel und Paris St. Germain: „Es gab viele Anfragen, aber der HSV hat sich am meisten um mich bemüht.“
Entdecker sah Ekdals Talent sofort
Dass sich der Mittelfeldspieler durchsetzen wird, daran hat Tommy Söderström überhaupt keine Zweifel. Der 55-jährige Schwede, seit 30 Jahren bei Ekdals Heimatverein Brommaprjkarna für den Nachwuchs verantwortlich, entdeckte dessen Talent bereits vor 20 Jahren. „Natürlich kann man in dem Alter keine seriöse Prognose für eine Profikarriere aufstellen, aber man sah sofort, dass Albin außergewöhnliches Talent hat.“ Söderström nahm den Kleinen unter seine Fittiche, förderte ihn gezielt.
„Er war das größte Talent, um das ich mich je gekümmert habe“, sagt Söderström, der sich noch heute gern erinnert: „Es war immer klar, dass Albin extrem gut passen kann, einen guten Touch hat und auch sehr fleißig ist. Aber vor allem blieb er mir in Erinnerung als ein Junge, der trotz des großen Rummels klar im Kopf geblieben ist.“ Dafür verantwortlich sind aus Söderströms Sicht Ekdals Vater Lennart und Mutter Malin. „Es war wichtig, dass bei all dem Rummel seine Eltern den Druck von ihm genommen haben“, sagt Söderström.
Besonders Papa Lennart, der in Schweden ein bekannter TV-Journalist ist, kennt die Tücken des Rampenlichts. Und im Rampenlicht stand Ekdal spätestens, als ihn mit Manchester United und Chelsea gleich zwei englische Topclubs im Teenageralter unter Vertrag nehmen wollten. „ManUnited hatte großes Interesse, aber Albin wollte zunächst seine Schule in der Heimat zu Ende machen“, erzählt Söderström, der nebenbei seit 17 Jahren als Schwedenscout für Manchester United arbeitet.
Ekdal sieht Bundesliga stärker als Serie A
Ekdal freut sich über Söderströms Blumen, widerspricht allerdings. „Es lag gar nicht an der Schule“, sagt der 17-fache Nationalspieler, „ich fühlte mich einfach zu jung.“ Also widerstand Ekdal ManU mit 14 Jahren und Chelsea mit 15 Jahren. Als dann aber Juventus Turin vier Jahre später anklopfte, wurde der Youngster schwach. „Plötzlich stand ich als 19-Jähriger mit Alessandro del Piero auf dem Platz. Da ging ein Traum für mich in Erfüllung.“
Der Traum wehrte allerdings nicht lange. Juve verlieh das Supertalent zunächst an Siena, dann an Bologna. Schließlich schlug Cagliari Calcio zu. „Das Essen war gut, das Wetter war gut. Und in Sardinien wohnte ich direkt am Meer“, erinnert sich Ekdal, der nach vier Jahren Dolce Vita aber genug von Sonne, Strand und Meer hatte. „Fußballerisch wollte ich den nächsten Schritt machen. Und die Bundesliga ist stärker als die Serie A.“
Dass er Bella Italia gegen Hamburger Schmuddelwetter eingetauscht hat, störe ihn nicht. „In Schweden regnet es auch immer“, sagt Ekdal, der im Trainingslager mit Kerem Demirbay ein Zimmer teilt. Doch wichtiger als das Wetter sei ohnehin seine Form. Er wolle schnell fit werden, am liebsten schon bis zum Saisonstart gegen den FC Bayern. Tommy Söderström, das versichert Ekdals Entdecker, wird das Spiel am Fernsehen verfolgen. „Am liebsten würde ich schon bald mal nach Hamburg kommen, um Albin live im Stadion zu sehen.“ Doch der HSV müsse Geduld mit Ekdal haben, sagt Söderström. Albin müsse sich erst einmal einleben. Aber schon bald würde der HSV viel Freude an seinem Neuzugang haben. Die Zukunft kann kommen.
HSV im Trainingslager in Harsewinkel