Laax. Trainer Bruno Labbadia lebt im Trainingslager das Gefühl der Gemeinschaft vor – die Mannschaft folgt ihm. Doch es gibt auch Probleme.
Nach 15 Minuten musste Eddy Sözer dann doch auf die Innenbahn ausweichen. Der Co-Trainer des HSV hatte sich am Morgen gemeinsam mit seinem Chef Bruno Labbadia den Laufgruppen der Spieler angeschlossen. Während Labbadia in der Gruppe um die laufstarken Lewis Holtby, Zoltan Stieber und Dennis Diekmeier mühelos mithielt, musste Sözer im Team um Emir Spahic, Johan Djourou und Torwart René Adler beim Kreisen um den Trainingsplatz einige Male abkürzen. Das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Szene war aber etwas anders. Es war das erste Mal im Trainingslager in Graubünden, dass die Mannschaft des HSV länger laufen musste als eine Viertelstunde. In nahezu allen anderen Einheiten der ersten sechs Tage ließ Labbadia sein Team ausschließlich mit dem Ball arbeiten. Damit geht der Coach einen gänzlich anderen Weg als Mirko Slomka, der seinem Team vor einem Jahr nur selten den Anblick eines Spielgeräts gönnte. Es ist nicht die einzige Erkenntnis aus Graubünden. An diesem Sonnabend ist das erste Trainingslager der laufenden Vorbereitung vorbei. Zeit für eine erste Bilanz.
Die Bedingungen. René Adler schwärmte vom Mannschaftsquartier „rocksresort“ in der Gemeinde Laax. Im dort ansässigen Hotel Signina wohnt die Mannschaft noch bis Sonnabend in einem eigenen Haus. „Wir sind hier für uns, können uns frei bewegen und auch mal in Unterhose über den Flur laufen“, sagt Adler. Mit dem Mannschaftsbus geht es zweimal täglich zum Trainingsplatz im Nachbarort Schluein. Vor dem Panorama der Bündner Berger und dem Quellgebiet des Rheins, in dem sich das Team nach den Einheiten erfrischt, kann sich der HSV mit voller Kraft auf den Sport konzentrieren. „Die Bedingungen sind sehr gut, ich spüre eine gute Stimmung im ganzen Team. Jeder bringt sich ein“, sagte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer, der am Donnerstag nach Hamburg flog.
Die Probleme. Es war nicht einfach für Trainer Labbadia, in den ersten Tagen von Graubünden vernünftig mit der Mannschaft zu arbeiten. Nachdem der HSV am vergangenen Sonnabend mit nur 20 Spielern in die Schweiz reiste, kamen die Nationalspieler sowie Neuzugang Emir Spahic erst sukzessive dazu. Ein Umstand, der Labbadia überhaupt nicht gefallen hat. Das Problem sei die Terminierung der Länderspiele nach der Saison gewesen. „Obwohl wir dieses Jahr keine EM oder WM hatten, kommen die Nationalspieler eine Woche später, das wird für einen Trainer immer komplizierter“, sagte Labbadia fünf Wochen vor dem Bundesligaauftakt am 14. August beim FC Bayern München. „Es ist eine kurze Vorbereitung, und wenn man ehrlich ist, kann man gar nicht von einer richtigen Vorbereitung sprechen, die dauert normalerweise zwei Monate.“
Die Methoden. Die Trainingsarbeit des HSV in Graubünden ist ganz auf fußballerische Feinheiten ausgerichtet. Selbst in den Konditionseinheiten haben die Spieler stets einen Ball am Fuß. „Das ist unser Credo“, sagt Labbadia. „Wir verlangen dabei sehr viel von den Spielern. Die Übungen erfordern viel Konzentration, das macht auch müde im Kopf.“
Der Trainer hat beim HSV Lifekinetik eingeführt – eine Art Gehirntraining durch koordinative Geschicklichkeitsübungen. Jürgen Klopp führte die Methodik einst beim BVB ein, auch Labbadia setzt auf die moderne Trainingsform. „Für den Fußball, den wir spielen wollen, ist das sehr wichtig“, sagt Labbadia und meint damit einen leidenschaftlichen Fußball, der hohen Aufwand und dadurch hohe Konzentration erfordert. Um die Spieler nicht zu überfordern, streut Labbadia immer wieder kleine Spielchen ein. Vor einer Einheit spielte das Team sogar ein Runde Schick-Schnack-Schnuck.
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Die Ziele. Nach der dramatischen Rettung in der Relegation ist der HSV in Graubünden vor allem um eins bemüht: Demut. Labbadias Mission liegt darin, ein neues Team zu formen. Das scheint ihm zu gelingen. Schon im Saisonendspurt schaffte es der 49-Jährige, aus einem scheintoten Team wieder eine Gemeinschaft zu bilden. „Wir leben dieses Gefühl. Nur so können wir Erfolg haben“, sagt René Adler.
Wie das aussieht, konnte man am Nachmittag beobachten. Labbadia gab der Mannschaft frei und fuhr mit ihr zum Caumersee. Dort amüsierten sich Adler und Co. auf Surfbrettern und Tretbooten. „Ich habe meine besten Leistungen gebracht, wenn ich an meiner Arbeit Spaß hatte“, sagte Adler, der sich später mit seinen Kollegen zum Grillabend mit den Fans aufmachte. „Das ist für uns alle ein guter Austausch“, sagt Labbadia. Er lebt das Gefühl der Gemeinschaft vor, die Mannschaft folgt ihm. Und das ist in Graubünden die wichtigste Erkenntnis.
Der HSV im Trainingslager