Laax. Um Abwehr-Zugang Emir Spahic baut der HSV eine veränderte Führungsstruktur auf. Gespräche mit jungem Ghanaer aus Stockholm.
Das erste Interview mit Emir Spahic war gerade eine Minute alt, da sorgte ein Lastwagen auf dem Hof des Teamhotels für mächtig Unruhe. Der Motor des Fahrzeugs war so laut, dass der Hamburger Neuzugang das Gespräch kurz unterbrechen musste. Unruhe, ein bekanntes Wort beim HSV, das am Sonntag wieder in aller Munde war, als der Wechsel von Spahic vermeldet wurde. Der HSV hole sich mit dem bei Bayer Leverkusen wegen einer Schlägerei mit Ordnungskräften suspendierten Verteidiger mal wieder einen potenziellen Unruheherd ins Haus, meinen nicht wenige Experten.
Der Plan des HSV mit Spahic ist ein anderer. Der Bosnier ist ein entscheidender Baustein einer neuen Hierarchie, die Trainer Bruno Labbadia in seiner Mannschaft zu installieren versucht. „Emir wird ein entscheidender Teil unserer Achse“, sagte Labbadia über seinen neuen Innenverteidiger. Mit Spahic soll in Hamburg vieles besser werden. Zum Beispiel das Aufbauspiel aus der Abwehr heraus. Die Stabilität in der gesamten Defensive. Vor allem aber soll der 34-Jährige die Säule einer neuen Führungsstruktur im Team des HSV werden.
Ein erstes Beispiel lieferte Spahic gleich an seinem ersten Arbeitstag. „Ich möchte dazu beitragen, dass der HSV wieder eine bessere Mannschaft wird, und das Team stabilisieren“, sagte Spahic. Auf Nachfrage, ob er denn die jungen Spieler führen möchte, antwortete er: „Wenn ich Mannschaft sage, dann meine ich die gesamte Mannschaft.“ Freundlich, aber bestimmt. Dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit ist, jungen Spielern zu helfen, davon konnten sich die Zuschauer am Abend ein eigenes Bild machen. Im Abschlussspiel nahm sich Spahic den erst 18 Jahre alten Dren Feka zur Seite, erklärte ihm einen Laufweg im Defensivverhalten. Als es weiterging, eroberte Spahic von Gojko Kacar einen Ball, marschierte nach vorne und scheiterte mit einem strammen Schuss aus 16 Metern nur knapp. „Das war mal eine Ansage“, sagte ein HSV-Fan auf der Holztribüne.
Beiersdorfer lobt Spahics Autorität
Spahic, das wurde sofort deutlich, geht voran. Und genau dahinter steckt die Idee des HSV. „Emir vereint die Charakteristiken, die wir suchen. Er kann eine Mannschaft führen, er hat eine Autorität auf dem Platz. Das können wir gut gebrauchen“, sagte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer am Dienstag. Mit der Vergangenheit des Bosniers möchten sich die sportlichen Verantwortlichen nicht mehr beschäftigen. Weder mit den vielen Platzverweisen noch mit den Ausrastern oder Handgreiflichkeiten, mit denen Spahic im Laufe seiner Karriere so oft für Negativschlagzeilen gesorgt hatte. Denn genau das hätten sie bereits ausführlich getan. „Wir haben uns umgehört bei ehemaligen Weggefährten“, sagte Beiersdorfer. Dadurch gelangte er mit Trainer Bruno Labbadia zu dem Entschluss, Spahic zu verpflichten.
„Der HSV ist eine große Chance für mich“, sagte Spahic, auch bezogen auf sein unrühmliches Ende bei Bayer Leverkusen. „Ich will jetzt zeigen, dass ich noch auf hohem Niveau Fußball spielen kann.“ Dass er nicht nur Fußball spielen kann, sondern einer Mannschaft auch Halt verleiht, hat er über viele Jahre als Kapitän der bosnischen Nationalmannschaft bewiesen. Halt soll Spahic auch Johan Djourou, 28, geben. Der Schweizer, der am Dienstag ebenfalls seine erste Trainingseinheit absolvierte, wird künftig an der Seite von Spahic das Abwehrzentrum der Hamburger bilden. Zusammen mit Torwart René Adler, 30, und Stürmer Ivica Olic, 35, hat Labbadia nun ein erfahrenes Quartett beisammen, das die neue Hierarchie beim HSV prägen wird.
HSV im Trainingslager: Arbeit, Freundschaft, Spaß
Ghanaer aus Schweden auf dem Zettel
In der Kaderplanung kann sich der Verein nun verstärkt darum kümmern, diese Hierarchie mit der nötigen Portion Jugendlichkeit aufzufrischen. Stürmer Emil Berggreen, 22, von Zweitligist Eintracht Braunschweig ist dabei neben dem Bochumer Michael Gregoritsch, 21, die wahrscheinlichste Lösung, bestätigte Sportdirektor Peter Knäbel am Dienstag. Mit dem Ghanaer Ebenezer Ofori, 20, von AIK Stockholm ist ein weiterer Youngster im Gespräch.
Weniger wahrscheinlich ist laut Knäbel eine Verpflichtung des Stuttgarters Alexandru Maxim, 24. Der zentrale Mittelfeldspieler aus Rumänien ist mit rund sechs Millionen Euro Ablöse zu teuer und selbst bei einem Verkauf von Jonathan Tah an Bayer Leverkusen nicht zu stemmen. Die ebenfalls etwa sechs Millionen, die der HSV für den Innenverteidiger bekommen würde, hat Knäbel bereits eingeplant, um die Kaderplanung abzuschließen. „Wir liegen gut im Plan“, sagte Beiersdorfer.
Unruhe erwarte er dennoch. Nicht wegen Spahic, sondern wegen der eigenen Ziele. „Wir streben keine ruhige Saison an“, sagt der HSV-Chef. Man strebe eine Saison an, in der die Mannschaft über die Grenzen der Leistungsfähigkeit hinausgeht. Und wer sich doch nach Ruhe sehne? Der sei, so Beiersdorfer, in der Bundesliga falsch.