Hamburg. Der HSV gerät nicht nur wegen Beisters Wechsel nach Mainz in Erklärungsnot. Mittelfeldspieler unterschreibt Schweigeklausel.
Dass Fußball ein schnelllebiges Geschäft ist, ist eine abgedroschene Floskel. Falsch ist diese Binse nicht. So lagen zu Beginn des Wochenendes nicht mal 17 Stunden zwischen der einvernehmlichen Vertragsauflösung Maxi Beisters beim HSV (Freitagabend) und seiner Vertragsunterzeichnung in Mainz (Sonnabendmittag). Wahrscheinlich ein relativ normaler Vorgang im Transfersommer – hätte die Episode aus Hamburger Sicht nicht einen Haken, einen 250.000 Euro teuren Haken.
Genau so viel sollen Beister und auch Lasse Sobiech als Abfindung erhalten haben, damit sie ihre Verträge beim HSV auflösen. Kein Wunder also, dass sich Fußballdeutschland spätestens nach Beisters Wechsel nach Mainz fragt, ob sich der HSV ein weiteres Mal verpokert hat. „Ob es ein gutes oder schlechtes Geschäft ist, wird die Tabelle und die Leistung des Spielers zeigen“, antwortet Sportchef Peter Knäbel dem Abendblatt auf diese Frage. Und natürlich war auch Knäbel überrascht, als er am Sonnabend per SMS durch seinen Mainzer Kollegen Christian Heidel von Beisters Ruckzuck-Transfer hörte. Er wolle aber nicht nachkarten. „Wir müssen uns auf die Neuzugänge konzentrieren“, sagte der Manager, „und Maxi sich auf Mainz.“
Schweigeklausel in Auflösungsvertrag?
Das macht Beister von diesen Montag an beim Trainingsauftakt seines neuen Clubs. „Natürlich bin ich glücklich darüber, dass Mainz mir das Vertrauen schenkt. Aber gleichzeitig bin ich traurig über mein Ende in Hamburg“, sagte Beister, ehe er sich Sonntagabend aus Lüneburg auf den Weg nach Mainz machte. Zum HSV wollte – und durfte – er nicht viel sagen. Im Auflösungsvertrag soll es eine Schweigeklausel geben. Und zu Mainz? „Ich werde alles geben, um mit meinem neuen Club erfolgreich zu sein.“
Ein Satz, den man gerne in Mainz hört – und an den in Hamburg niemand mehr glaubte. Denn beim HSV wuchsen zuletzt die Zweifel, ob Beister auch im Volkspark alles gegeben hätte. Irgendwann zwischen seiner schweren Knieverletzung im Januar 2014 und seinem Kampf um ein Comeback voller Komplikationen muss das gegenseitige Vertrauen verloren gegangen sein. Beister war genervt vom fehlenden Regenerationsplan – und die HSV-Verantwortlichen waren von dessen Genervtheit genervt. Eine vertrackte Situation. „Es ist versäumt worden, dass Maxi nach seiner langen Verletzung ausreichend Spielpraxis in der U23 sammelt“, sagte Trainer Bruno Labbadia, der Beister nur drei Minuten spielen ließ. Als Knäbel den Coach nach der geglückten Relegation fragte, ob er noch an Beisters Potenzial glaube, verneinte dieser.
Heidel mit überraschender Aussage
An dieser Stelle beginnt der komplizierte Teil der Geschichte. Denn während nun normalerweise Berater beauftragt werden, den Markt zu sondieren, der Transferpoker beginnt und sich mit ein bisschen Glück am Ende eines Verhandlungsmarathons ein Club findet, der eine angemessene Ablöse zahlt, entschied sich der HSV diesmal für einen anderen Weg. Ein zeitsparender Weg, der auf die übliche Pokerei verzichtete, Beister eine Viertelmillion Euro und Mainz einen Offensivallrounder zum Nulltarif bescherte.
Wer nun aber denkt, dass man sich in Mainz ins Fäustchen über den mutmaßlichen Kostnix-Coup lacht, der irrt. „Man muss wissen, dass es für einen Maximilian Beister mit Ablöse keinen Markt mehr in der Bundesliga gegeben hätte“, sagte Mainz-Manager Heidel am Sonntag dem Abendblatt: „Der Transfer ist nur zustande gekommen, weil Maxi auf große Teile seines gewohnten Gehalts verzichtete und der HSV schnell handelte. Denn hätten die Hamburger bis zum Ende der Transferfrist auf eine Ablöse gehofft, hätte sich wohl kein Club mehr gefunden.“ In Hamburg soll Beister zuletzt rund 1,5 Millionen Euro verdient haben, in Mainz sind es jetzt rund 900.000 Euro. Heidels Fazit: „Natürlich freuen wir uns über Maxis Verpflichtung, aber ich hätte umgekehrt genauso wie Peter Knäbel gehandelt. In Hamburg war einfach kein Platz mehr für Beister.“
Auch Zoua soll Abfindung erhalten
Gleiches galt für Lasse Sobiech, dessen ablösefreier Wechsel einen Tag zuvor zum FC St. Pauli perfekt gemacht wurde. Doch anders als im Fall von Beister gab es bei Sobiech gleich zwei entscheidende Unterschiede: Zum einen gab es nach Sobiechs guter Zweitligasaison – das Fachmagazin „Kicker“ stufte ihn in die Kategorie „herausragend“ ein – für den Abwehrmann sehr wohl einen Markt. Zum anderen hat Sobiech im Gegensatz zu Beister vergleichsweise bescheiden verdient. Nach Abendblatt-Informationen erhielt der frühere Dortmunder ein Festgehalt von 50.000 Euro monatlich und hätte mit Prämien nur als Stammspieler auf ein Jahresverdienst von 900.000 Euro kommen können.
Doch ähnlich wie bei Beister hatte sich Trainer Labbadia auch gegen eine Rückkehr Sobiechs ausgesprochen – und Knäbel war das Risiko zu groß, auf die Karte Zeit zu setzten. Also wurde wie in der Vergangenheit schon häufiger eine Abfindung gezahlt: Auch Paul Scharner und Marcus Berg erhielten einst sechsstellige Beträge, um ihre Verträge aufzulösen. Und mit Jacques Zoua könnte es schon bald den nächsten HSV-Profi geben, der sich vor einem Wechsel über eine Ausgleichszahlung freuen darf. Clubs in Frankreich und in der Türkei sollen Interesse haben. Bis zum Sonntag lag allerdings kein Angebot vor – doch das könnte sich rasch ändern. Man kennt das ja, das schnelllebige Geschäft und so.