Hamburg. Erst Lasse Sobiech, jetzt auch Maximilian Beister: Der HSV lässt junge Spieler mit Vertrag ablösefrei gehen, um Gehälter zu sparen.
Der HSV steckt in einem Dilemma. Das wird dieser Tage besonders offensichtlich. Jeden Tag aufs Neue werden Transfers der Bundesliga-Konkurrenz verkündet, nur der Bundesliga-Dino ging bisher leer aus. Bitter vor allem, dass immer wieder Profis dabei sind, die auch in Hamburg auf der Liste standen – und diese nicht etwa zu Champions-League-Teilnehmern wechselten, sondern zu Vereinen aus dem Bundesliga-Mittelfeld wie beispielsweise der Freiburger Oliver Sorg nach Hannover, Kaiserslauterns Dominique Heintz zum 1. FC Köln oder Basels Fabian Frei zu Mainz 05.
„Wir müssen erst Spieler abgeben, bevor wir neue holen können“, hatte Direktor Profifußball Peter Knäbel vor kurzem bestätigt. Doch das gestaltet sich – wie schon in den vergangenen Transferperioden – schwieriger als gedacht. Mit Rafael van der Vaart, Marcell Jansen und Slobodan Rajkovic sind drei Großverdiener zwar schon endgültig von der Gehaltsliste gestrichen. Und drei weitere Profis, deren Verträge auslaufen, muss der HSV nicht weiterbeschäftigen, auch wenn für Ivo Ilicevic und Gojko Kacar leistungsbezogene Vertragsentwürfe vorliegen. Doch das scheint alles nicht zu genügen, um den HSV wieder handlungsfähig zu machen. Denn nun greifen die Verantwortlichen offenbar zum Äußersten und bieten ihrer Ansicht nach verzichtbare Akteure trotz gültigen Vertrages kostenlos an. Der HSV wird zum Geschenkeparadies.
Kritik in sozialen Netzwerken ist groß
Nach Lasse Sobiech, dessen ablösefreier Wechsel zum FC St. Pauli trotz Vertrages bis 2016 unmittelbar bevorsteht und der sogar noch eine Abfindung kassieren soll, nur um den Gehaltsetat zu entlasten, wird nun auch bei Eigengewächs Maximilian Beister ähnlich verfahren. Noch ist es zwar zu keiner Einigung gekommen, doch der HSV strebt in dieser Personalie ebenfalls eine Vertragsauflösung an. Knäbel erklärt das Vorgehen wie folgt: „In diesen Fällen gilt es für alle Seiten und Beteiligten gute Lösungen zu finden. Wir haben die Möglichkeit, durch dieses Vorgehen Großteile der Gehälter zu sparen. Was den Marktwert der Spieler betrifft, müssen wir uns hier ganz klar an den Realitäten orientieren“, sagt der Baumeister des HSV auf der Vereinshomepage. Und diese Realitäten besagen offenbar: Ablösesummen sind momentan nicht zu erzielen.
Doch diese Entscheidung stößt nicht überall auf Verständnis. In den sozialen Netzwerken ist der Tenor eindeutig: Der HSV verschenkt sein Tafelsilber. In der Tat sollte für einen 24-jährigen Offensivspieler, der sich charakterlich nichts zu Schulden hat kommen lassen, noch ein Jahr unter Vertrag steht und seine Bundesligatauglichkeit in der Hinserie der Spielzeit 2013/14 mit fünf Treffern und fünf Vorlagen recht eindrucksvoll bewiesen hat, eine Ablöse zu erzielen sein.
Ebenso für den gleichaltrigen Sobiech, der in seinem Leihjahr bei St. Pauli in der Rückserie zu den besten Abwehrspielern in der zweiten Liga zählte und mit seinen 1,96 Metern im Kopfballspiel wohl zu den besten Profis im deutschen Fußball gehört. Doch dafür müsste sich der HSV in Geduld üben – und die ist aus zuvor erwähnten Gründen aufgebraucht. Am 30. Juni trifft sich das Team wieder zum Leistungstest, ein Tag später ist offizieller Trainingsauftakt. Spätestens im ersten Trainingslager in Graubünden sollten potenzielle Neuzugänge zwecks Integration dabei sein, sonst droht der nächste Fehlstart. Und diese können offenbar nur verpflichtet werden, wenn verzichtbare Profis zuvor abgegeben wurden.
Knäbel will Neuzugang bald präsentiren
Beister zählt für HSV-Trainer Bruno Labbadia nicht zu den Spielern, die ihm für den Neuaufbau unentbehrlich erscheinen. Schon in der Rückrunde der vorigen Saison war der gebürtige Göttinger nach seiner schweren Knieverletzung, die ihn über ein Jahr außer Gefecht gesetzt hatte, wieder einsatzfähig. Sein Comeback gab er bereits am 18. Spieltag gegen den 1. FC Köln. Doch wer in der Folge mit mehr und mehr Spielzeit für den ehemaligen Düsseldorfer gerechnet hatte, lag falsch. Lediglich im Regionalligateam durfte Beister ab und an über 90 Minuten ran. Keiner seiner drei Rückrundentrainer sah in ihm das Potenzial, der lahmenden HSV-Offensive helfen zu können. Und das lässt mögliche Interessenten natürlich zweifeln.
Zudem soll es im Verein nicht überall auf Zustimmung gestoßen sein, dass sich der Angreifer neben seiner körperlichen Genesung auf andere Dinge konzentriert hat wie der Entwicklung einer Becher-Teller-Kombination für Stadien, einer Nachhilfeschule und der Gründung des SC Lüneburgs. Zweitligist Fortuna Düsseldorf hätte Beister gerne zurück, da macht Sportdirektor Rachid Azzouzi auch keinen Hehl draus. Schließlich gelang dem Junioren-Nationalspieler in seinen zwei Jahren auf Leihbasis dort der Durchbruch. Doch ob sich die Parteien finanziell einig werden und Beister sich mit dem Rückschritt in die Zweite Liga abfindet, ist noch ungewiss.
Doch wann kann der HSV seinen Fans endlich den ersten Neuzugang präsentieren? Laut Knäbel bald: „Es muss das Ziel sein, Spieler zu verpflichten, die ihre große Karriere noch vor sich haben. Wir haben Spieler identifiziert, in denen wir Potenziale sehen. Jetzt sind wir dabei, die Transfers in Abschlussreife zu bringen.“