Hamburg. Der frühere HSV- und KSC-Manager Oliver Kreuzer spricht über das Duell seiner Ex-Clubs und seine erstmalige Rückkehr in den Volkspark.

Oliver Kreuzer, 49, muss schon bei der Begrüßung vor dem Moraba-Café im Schanzenviertel lachen. „Hamburg gegen Karlsruhe also“, sagt der frühere Sportchef des HSV und des KSC, „so etwas kann man sich doch gar nicht ausdenken.“

Hamburger Abendblatt: Herr Kreuzer, mit diesem Relegationsspiel Ihrer beiden früheren Mannschaften stellt Sie der Fußballgott auf eine harte Probe, oder?

Oliver Kreuzer: Für mich ist das der Wahnsinn. Schon vor Wochen hat meine Freundin orakelt, dass am Ende bestimmt der HSV und Karlsruhe in der Relegation gegeneinander spielen müssen. Ich habe das für völligen Quatsch gehalten. Aber wahrscheinlich hat sie eben doch mehr Ahnung als ich. (lacht)

Viele HSV-Fans waren am Sonntag erleichtert, dass der Gegner nun Karlsruhe und nicht Kaiserslautern heißt.

Kreuzer : Zum einen sollte niemand die Atmosphäre im alten Wildparkstadion unterschätzen. Da werden am kommenden Montag 30.000 Karlsruher ihren KSC nach vorne schreien. Zum anderen ist der KSC für den HSV aus meiner Sicht der schwerste Gegner. Karlsruhe steht defensiv extrem gut, hat einen klaren Plan und lässt den Gegner gerne kommen. Und genau damit hatte der HSV in der gesamten Saison große Probleme.

Niemand kennt die beiden Teams gleichermaßen so gut wie Sie. Wer gewinnt?

Kreuzer : Wenn man die beiden Kader gegenüberstellt, dann ist der HSV-Kader auf mindestens den ersten 16 bis 18 Positionen qualitativ besser aufgestellt. Aber in der Relegation ist die Qualität einer Mannschaft nicht unbedingt entscheidend. Die Relegation wird im Kopf entschieden.

Hat der HSV diesmal nicht einen mentalen Vorteil, weil der KSC am Sonntag bis zur 71. Minute direkt aufgestiegen war? Umgekehrt hatte ja niemand mehr einen Pfifferling auf den HSV gesetzt.

Kreuzer : Der Erstligist hat immer mehr zu verlieren als der Zweitligist. Aber natürlich wird Bruno Labbadia seine Jungs noch mal nachhaltig daran erinnern, dass sie sich diese Relegation redlich verdient haben. Das ist natürlich auch ein großer Unterschied zum vergangenen Jahr, als wir mit der psychologischen Bürde von fünf Niederlagen am Stück in die Relegation mussten.

Das hat man besonders im Rückspiel in der letzten halben Stunde gemerkt.

Kreuzer : Das war unmenschlich. Der Druck war enorm. Vor dem Hinspiel hatten irgendwelche Promi-Experten 3:0 und 4:1 getippt, da ging es nur noch darum, wie hoch wir die Fürther aus dem Stadion schießen. Als wir uns dann aber nur ein 0:0 erkämpften, war die Stimmung entsprechend mies. Und in den letzten 30 Minuten in Fürth, als es 1:1 stand, habe ich mich wie kurz vor einem Herzstillstand gefühlt. Und als dann auch noch kurz vor Schluss Heiko Westermann im eigenen Strafraum über den Ball säbelte, konnte ich einfach nicht mehr. Ich war fix und fertig. Und ich hatte auch das Gefühl, dass unsere Jungs auf dem Rasen stehend k. o. waren. So eine Situation wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht.

Wie hat Trainer Mirko Slomka reagiert?

Kreuzer : Er war der Einzige von uns, der eine innere Ruhe ausstrahlte. Er hat es sich überhaupt nicht anmerken lassen, dass wohl auch er fertig war. Genau das erwarte ich jetzt auch von Bruno. Er hat es in kürzester Zeit geschafft, dieser völlig verunsicherten Mannschaft neuen Mut zu geben. Jetzt wird er auch in der Relegation vorweg marschieren. Ich bin beeindruckt von seiner Leistung.

Labbadias KSC-Gegenüber Markus Kauczinski haben Sie 2012 vom U23- zum Cheftrainer befördert.

Kreuzer : Markus ist ein sehr ruhiger Vertreter seiner Zunft. Aber alles, was er macht, hat Hand und Fuß. Er schafft es, seiner Mannschaft immer einen guten Plan mit an die Hand zu geben. Er ist ein Überzeugungstäter.

Hätten Sie vor zwei Jahren geahnt, dass Karlsruhe so schnell ans Erstligator klopfen würde?

Kreuzer : Ich war mir schon sicher, dass Karlsruhe als Aufsteiger extrem gut gerüstet war. Und wenn man sich die Mannschaft genau anschaut, dann besteht der Kern des Teams noch immer aus vielen Profis, die damals aufgestiegen sind. Mein Nachfolger Jens Todt hat diesen Kern gezielt durch einige wenige Neuzugänge verstärkt.

Das Geld dafür hat der HSV gegeben.

Kreuzer : Ich weiß, worauf Sie anspielen. Und so paradox es auch klingen mag, aber die größten zwei Ablösesummen der vergangenen Jahre hat der KSC tatsächlich vom HSV erhalten.

Für vier Millionen Euro haben Sie damals den 18 Jahre alten Hakan Calhanoglu nach Hamburg verkauft, Ihr Wechsel von Karlsruhe nach Hamburg hat den HSV dann noch mal rund 750.000 Euro gekostet.

Kreuzer : Entscheidend für den KSC-Erfolg ist, dass sich der Club über große Konstanz freuen darf. Das Präsidium macht seit fünf Jahren ausgezeichnete Arbeit, und der Trainer macht seit drei Jahren einen tollen Job. Der KSC ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich kontinuierliche Arbeit auszahlt.

Werden Sie bei den Spielen im Stadion live dabei sein?

Kreuzer : Auf jeden Fall. Für mich ist die Rückkehr in den Volkspark am Donnerstag der erste Stadionbesuch in Hamburg seit der Relegation vor einem Jahr. Aber diese beiden Begegnungen kann ich mir nicht entgehen lassen.

Wem drücken Sie die Daumen?

Kreuzer : In Karlsruhe hatte ich eine wunderschöne Zeit, in Hamburg ein unvergessliches und sehr aufregendes Jahr. Der Fußballgott soll entscheiden, aber Sie können ja mal raten, wem ich die Daumen drücke ... (lacht)