Neue Übungsleiter retten den FC St. Pauli und bewahren den HSV vor dem direkten Abstieg.

Im Fußball gleichen wenige Wochen oder Monate mitunter gefühlten Ewigkeiten. Am 14. Dezember stand für viele Experten der erste Absteiger der Zweiten Liga bereits fest: Nach dem 0:1 gegen Darmstadt schien das Schicksal des FC St. Pauli als Tabellenletzter mit kümmerlichen 13 Punkten aus 17 Spielen besiegelt. Nur vier Monate später dann das gleiche Bild beim Rivalen HSV: 0:2 daheim gegen Wolfsburg, letzter Platz, schon vier Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsrang.

Für beide Vorstände war es jeweils der Anlass, ein letztes Mal die Reißleine zu ziehen. Bei St. Pauli kam mit Ewald Lienen der dritte Coach in der laufenden Spielzeit, beim HSV mit Bruno Labbadia gar Saisontrainer Nummer vier. Beide Wechsel fruchteten: Labbadia führte den HSV noch in die Relegation, Lienen gelang mit fast sensationellen 24 Punkten aus seinen 17 Spielen gar die direkte Rettung.

Beide Trainer trennt zwar altersmäßig fast eine Fußballergeneration – Lienen ist 61, Labbadia 49 –, doch sie eint ihre Besessenheit, ihre totale Fixieru­ng auf den Job. Wer mit Lienen in den vergangenen Wochen über den nächsten Gegner reden wollte, musste vor allem viel Zeit mitbringen. Bis ins letzte Detail sezierte er den Konkurrenten in einer präzisen Stärken-Schwächen-Analyse. Bruno Labbadia spricht derzeit gern vom Tunnel, in dem er sich befinde. Außerhalb des HSV müsse er einfach alles ausblenden, um die Mission Rettung zu vollenden. In einer Zeit, in der jeder lässige Jungprofi, der ein paar Mal gescheit gegen die Kugel getreten hat, zum kommenden Superstar gehypt wird, wirkt diese totale Verbissenheit fast anachronistisch. Wie sehr der Job an der Seiten­linie schlaucht, hat Labbadia schon in seiner Trainerstation in Darmstadt erfahren. Damals, so sagt er, sei er jeden Abend völlig kaputt gewesen, so sehr habe ihn der Wechsel vom Profi zum Coach gefordert.

Umso erstaunlicher ist es, wie sehr der Trainerberuf unterschätzt wird. Am Stammtisch wird dann gern philosophiert, dass den FC Bayern nun doch wohl jeder trainieren könne. Bei den vielen Weltmeistern sei doch letztlich völlig egal, wer da nun wen aufstelle.

Zum Gegenbeweis reichte ein Blick in das Gesicht von Pep Guardiola bei der Meisterfeier. Pflichtschuldig ließ der Katalane die Bierduschen über sich ergehen, gedanklich schien er schon bei den Personalplanungen für die kommende Saison, wo es doch bitteschön mehr als nur die selbstverständliche Meisterschaft sein solle.

Nicht nur beim FC Bayern ist der Druck auf den Trainer inzwischen fast unmenschlich. Wer heute in diesem Job überleben will, muss überragende Qualitäten haben. Fachlich sowieso, im Gegensatz zu den früheren Straßenfußballern hinterfragt die heutige Spielergeneration, häufig schon als Kind von Top-Trainern ausgebildet, jede taktische Maßgabe. Wohl nirgendwo sonst ist der Grat zwischen notwendiger Autorität und menschlichem Umgang so schmal. Hinzu kommt die mediale Dauerbeobachtung, Kameras scannen jede Geste, Lippenleser versuchen, taktische Anweisungen zu entschlüsseln. Und oft liegen zwischen dem gefeierten Superstrategen und dem gescheiterten Taktik-Deppen nur zwei, drei Niederlagen, das Sperrfeuer aus den eigenen Reihen gibt es gratis dazu.

Eigentlich verblüffend, dass die Clubs ihre Stars trotzdem besser bezahlen als ihren Cheftrainer. Der HSV und der FC St. Pauli haben in den vergangenen Jahren dennoch erlebt, dass der wahre Star der Trainer ist. Gerade die ständigen Wechsel auf dieser Position führten in die Krise. Ohne Kontinuität im Traineramt ist alles nichts.

Seite 21-27 Berichte zur Bundesliga