Hamburg . Der Hamburger Stefan Effenberg hat nach der Verpflichtung des Trainers Hoffnung auf Besserung. Labbadia würde er unbedingt halten.
Seine aktive Karriere hat Stefan Effenberg 2004 beendet, aber der Fußball lässt den gebürtigen Niendorfer nicht los. Gestern Abend analysierte er auf einer Sky-Veranstaltung mit TV-Koch Tim Mälzer (Bullerei) das Champions-League-Spiel zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern. Für das Abendblatt gab Effenberg einen Einblick in seine Gedanken zum HSV im Abstiegskampf.
Hamburger Abendblatt: Herr Effenberg, schon zu Beginn der Rückrunde haben Sie prognostiziert: Die HSV-Fans müssen sich Sorgen machen, weil die Spieler nicht frei im Kopf sind. Vermutlich fühlen Sie sich rückblickend bestätigt.
Stefan Effenberg: Leider ja. Man darf aber bei einer Betrachtung über den HSV die Vorsaison nicht vergessen. Der Club hatte eine unfassbar schwierige Spielzeit hinter sich, das schüttelst du eben nicht so einfach ab. Von Anfang an musste der HSV kämpfen, um sich zu befreien, was nicht gelungen ist. Es lief nie wirklich rund.
Was Mirko Slomka früh den Job kostete.
Effenberg : Wenn ich mich richtig erinnere, war die angeblich sehr intensive Vorbereitung des HSV mit sieben Wochen sehr lang. Mit einem Trainer, der nach dem dritten Spieltag entlassen wird. Hier müssen sich die Verantwortlichen schon hinterfragen. Ein Plan oder eine Philosophie sehen anders aus.
Wie beurteilen Sie die Transferpolitik?
Effenberg : Man hat eigentlich gute Spieler eingekauft. Nicolai Müller ist beispielsweise ein Spieler mit außergewöhnlichem Talent, aber er konnte es genauso wenig abrufen wie ein Matthiase Ostrzolek. Sie kamen nie in den Rhythmus, ähnlich wie Pierre-Michel Lasogga, der lange verletzt ausfiel. Ich erinnere mich noch an die Worte von Dietmar Beiersdorfer im vergangenen Sommer, zu Beginn der Saison...
Welche meinen Sie?
Effenberg : Dass er mit Demut an die Sache rangehen wolle. Das hat sich wirklich gut angehört. Unterm Strich muss ich allerdings feststellen: Fortschritt sieht anders aus. Die HSV-Fans können nur hoffen, dass man sich erneut rettet, vielleicht dieses Mal ohne die Relegationsspiele. Und darauf bauen, dass in der nächsten Saison vielleicht der nächste Versuch gelingt.
Wie realistisch ist die Rettung denn?
Effenberg : Sicher bin ich mir nicht. Nach zwei Siegen in Folge scheint die Tabellensituation etwas komfortabler. Aber wenn Sie noch andere Faktoren einbeziehen wie die Tordifferenz, muss man zu dem Schluss kommen, dass das Ding noch nicht durch ist. Wer sich jetzt schon feiert, begeht den ersten großen Fehler. Stand heute sieht es aber so aus, dass Hamburg die Klasse direkt hält, was vor allem der Einstellung von Bruno Labbadia zu verdanken ist. Da haben sie den richtigen Mann installiert. Er ist hoch motiviert, er strahlt diesen unbedingten Willen aus. Und die Mannschaft hat neuen Schwung, neue Kraft.
Der Trainer scheint den richtigen Schalter bei der Mannschaft gefunden zu haben. Aus Ihrer Erfahrung: Was kann ein Trainer so kurzfristig bewirken?
Effenberg : Von der Fitness brauchen wir nicht reden, da können Sie nicht mehr viel bewegen. Hier geht es um eine rein mentale Geschichte. Du musst den Spielern das Vertrauen geben, sie brauchen einen einfachen Plan an die Hand. Und wenn es nur Laufwege sind oder das Verteidigen gegen den Ball.
Das klingt nicht allzu kompliziert.
Effenberg : Fußball ist nicht so schwierig, dieser Sport ist keine Wissenschaft. Aber wenn Spieler nicht frei im Kopf sind, hat das Reden eine ganz, ganz große Bedeutung. Und du brauchst auch das Quäntchen Glück wie gegen Mainz.
Nehmen wir mal an, der HSV und Stuttgart gehen runter, während Ingolstadt und Darmstadt aufsteigen. Droht der Bundesliga ein Attraktivitätsverlust?
Effenberg : So ist nun mal die Entwicklung im Fußball, das muss man akzeptieren. Wenn man gut arbeitet, käme man nie in diese Bredouille. Dass diese Traditionsclubs solche Problem haben, haben sie selbst zu verantworten. Wir reden ja nicht von einer Entwicklung über nur zwei, drei Monate, in denen es nicht gut läuft. Es geht doch auch nicht um Tradition, sondern darum, ob es ein Verein verdient hat oder nicht, die Klasse zu halten. Eine Kennzahl ist für mich dabei der Profi-Etat. Wenn Paderborn 15 Millionen Euro ausgibt und der HSV, 50 oder 55 Millionen Euro?
Rund 55 Millionen Euro.
Effenberg : Wenn man die Möglichkeiten sieht, ist Paderborn der erste Absteiger, völlig normal. Aber sie werfen andere Mittel in die Waagschale, im die Liga zu halten. was sie sympathisch macht.
Welche Lehren sollte der HSV aus dieser Saison ziehen ?
Effenberg : Bruno Labbadia muss auf jeden Fall Trainer bleiben, auch in der Zweiten Liga, um auf der Position ein bisschen Ruhe reinzubringen. Wen er mitnimmt in der neuen Saison, darüber müssen sie sich beim HSV Gedanken machen. Vielleicht sollte man einige Entscheidungen bei auslaufenden Spielerverträgen überdenken, diese Chance muss Labbadia bekommen. Zu hohe Erwartungen sind aber nicht angebracht. Niemand kann fordern, dass der HSV bald wieder überragend spielt. Ganz normalen, ehrlichen Fußball, das würde ich mir von den Hamburgern wünschen.
Schaut man auf die Möglichkeiten der Konkurrenz, ist doch auf Sicht für Clubs wie den HSV oder Stuttgart sowieso nur noch Platz sechs oder sieben drin, oder?
Effenberg : Es bringt nichts, heute schon wieder über die Europa League zu philosophieren, noch ist ja nicht mal der Verbleib in der Bundesliga klar. Mittelfristig geht es für den HSV nur darum, sich von den unfassbar schlechten Saisons zu erholen und aus den Fehlern zu lernen, davon gab es einige. Das einzige Ziel kann deshalb lauten, schnell in sichere Regionen zu gelangen.
Aktuell sind Sie als Experte bei Sky im Einsatz. Wann sieht man Sie denn erstmals im operativen Geschäft?
Effenberg : Die Trainerausbildung war recht intensiv, das macht einen ja nicht dümmer. Aber was ich damit anfange, kann ich Ihnen noch nicht sagen, alle Bereiche sind offen. Auch ein Rudi Völler hat den Fußballlehrer, arbeitet aber im Management. Natürlich ist es reizvoll zu versuchen, einen Verein in eine sportlich erfolgreiche Zukunft zu führen. Aber wie und wann, kann ich Ihnen nicht beantworten. Es kommt, wie es kommt.